Zwei 19-Jährige leisten Zivildienst in einer Suchtklinik

Gute Stimmung bei der Ergotherapie! Die Zivildienstleistenden Marius Max (r.) und Robin Schwung (2.v.r.) stehen den Patienten mit Rat und Tat zur Seite. Foto: D.Mady
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  • Gute Stimmung bei der Ergotherapie! Die Zivildienstleistenden Marius Max (r.) und Robin Schwung (2.v.r.) stehen den Patienten mit Rat und Tat zur Seite. Foto: D.Mady
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Rees. Den eigenen Horizont erkennen, erweitern und neue Horizonte eröffnen, das können in der Reeser Fachklinik Horizont nicht nur die Patienten, sondern allem Augenschein nach auch die Zivildienstleistenden, die dort derzeit tätig sind. Die Einrichtung, die zur „pro homine, Krankenhäuser und Senioreneinrichtungen Wesel – Emmerich/Rees gGmbH“ gehört, wird ihren Namen somit mehr als gerecht.
Die therapeutischen Angebote der Klinik, die 1995 ihre Türen geöffnet hat, richtet sich an drogen- und mehrfachabhängige Männern ab dem 18. Lebensjahr, bzw. mit dem Einverständnis der Erziehungsberechtigten auch ab dem 16. Lebensjahr, die sich für ein Leben ohne Drogen entschieden haben, ihre Seele wieder ins Gleichgewicht bringen möchten und sich dauerhaft in Arbeit und Gesellschaft eingliedern wollen. 40 Therapieplätze, fünf sogenannte Adaptionsplätze für Männer, die nach einer stationären Behandlung zur Drogenentwöhnung erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten eigenverantwortlich erproben können, sowie vier ganztägig ambulante Therapieplätze stehen zur Verfügung.
Marius Max aus Kalkar und Robin Schwung aus Anholt sind die letzten offiziellen Zivildienstleistenden der staatlich anerkannten Einrichtung. Den beiden 19-Jährigen steht der Eintritt ins Berufsleben zwar noch bevor, hier in Rees können sie jedoch bereits jetzt wertvolle Erfahrungen sammeln. Während sich Marius für ein Sportstudium entschieden hat, das im Oktober diesen Jahres beginnt , steht für Robin schon jetzt fest, dass er später als Suchttherapeut arbeiten möchte. „Der Zivildienst hier wird mir als Praktikum für mein Studium angerechnet“, erklärt er. Soziale Arbeit will der junge Mann studieren.
Noch sind die beiden jedoch in Rees und das ist auch gut so, denn hier werden sie gebraucht. „Wenn wir nicht gerade irgendwo einzeln im Einsatz sind, sind wir ein super funktionierendes Team“, sind sich beide einig und lächeln. Das wissen nicht nur die Mitarbeiter der Einrichtung, sondern vor allem die Patienten zu schätzen. Marius und Robin stehen den Männern jederzeit hilfreich zur Seite, beantworten Fragen, die sich manchmal während der Therapien ergeben und hören gerne zu, wenn ihnen die Patienten ihre Lebensgeschichten erzählen. „Durch das tägliche Miteinander baut man schließlich ein Vertrauen zu den Menschen auf und es ist super interessant, all die unterschiedlichen Facetten kennen zu lernen“, schildert Marius. Besonders betroffen gemacht hat ihn die Geschichte eines Patienten, der die Klinik leider verlassen musste und kurz danach mit einer Überdosis im Koma lag. Trotzdem fällt es ihm nicht schwer, Arbeit und Privatleben strickt zu trennen. „Anders geht es gar nicht“, betont er.
Auch Robin ist begeistert von seiner bisherigen Zeit als Zivildienstleistender. „Ich hatte anfangs doch Bedenken, aber die waren schnell weg“, beschreibt er und fügt hinzu: „Es sind ganz normale, sensible Männer und ihre Sucht ist eine Krankheit. Je besser man die Patienten kennenlernt, desto klarer erkennt man die Umstände, warum sie in diesen Teufelskreis geraten konnten. Wenn man sieht, wie manche hier ankommen, schreckt es doch ganz schön ab. Man kann hier klar sehen, was der Drogenkonsum anrichten kann und auch wie schwer es ist, dort wieder herauszukommen. Unglaublich, was das Umfeld aus einem machen kann.“
So stärkt der Zivildienst die sozialen Kompetenzen der beiden. Sowohl Marius als auch Robin lernen viel über andere, aber auch über sich selbst. Neben den wertvollen zwischenmenschlichen Erfahrungen, die sie in ihrem Arbeitsalltag sammeln können, bietet ihnen die Zeit in der Klinik Horizont jedoch auch so einiges Handwerkliche. „Kurz nachdem ich hier angefangen habe, wurde der Wohnbereich der Einrichtung komplett renoviert und kürzlich habe ich sogar einen Sessel neu bezogen“, erzählt Marius. Ergotherapeut Peter Behrends, hatte ihm gezeigt wie es geht. Stolz präsentieren Marius und Robin auch eine aus Warschau stammende, alte Truhe, die sie gemeinsam in der Holzwerkstatt aufgearbeitet haben. Beide Möbelstücke werden zweimal wöchentlich, donnerstags von 14 bis 17.30 Uhr und freitags von 8 bis 11.30 Uhr im naheliegenden Emmerich im „Horizont Möbel-Markt“ zum Verkauf angeboten. Vorzugsweise an sozial Schwache.
Eigentlich sind es natürlich die Patienten, die allerlei Gebrauchsgüter im Rahmen der Arbeitstherapie in den Horizont-Werkstätten aufarbeiten. Marius und Robin begleiten sie von der Abholung über die Aufarbeitung bis zum Verkauf oder zur Auslieferung. Verschiedenste Fahrdienste für Patienten und die Klinik, spontane Einsätze in Krankheitsfällen, Hilfe bei Verwaltungsarbeiten sowie das morgendliche Schneeschippen machen die Arbeit in der Fachklinik vielseitig. Kein Tag ist wie der andere. Das war auch der Grund dafür, dass Marius die Stelle in Rees der Tätigkeit in einem Jugendhaus vorgezogen hat. „Ich fand die Arbeit hier interessanter und abwechslungsreicher. Außerdem nimmt man hier was fürs Leben mit“, erklärt er und ergänzt, daher sei ihm auch die Entscheidung nicht schwer gefallen, neun Monate lang Zivildienst zu leisten. Ich habe zwar einen Antrag bekommen, mit dem ich auf sechs Monate verkürzen könnte, aber mein Studium beginnt ja erst im Oktober. So kann ich die Zeit bis dahin sinnvoll überbrücken. Auch Robin hat seinen Zivildienst um drei Monate verlängert und bleibt noch bis zum Frühsommer in der Fachklinik. Bis dahin werden sie sicher noch Einiges erleben.
Wie der Wegfall des Zivildienstes durch die Wehrpflichtreform künftig in der Klinik Horizont kompensiert wird, steht noch nicht fest. Wahrscheinlich ist jedoch, dass die Arbeit, die Marius und Robin derzeit leisten, von Freiwilligen übernommen wird.

Autor:

Daniela Schlutz aus Rees

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