Rassismus und Hass sind ein schleichendes Gift ...
Fördern soziale Medien Rassismus und Hetze?

2Bilder

Gedanken von Stephan Leifeld

Die Bluttat von Hanau hat große Bestürzung in unserer Gesellschaft ausgelöst. Zumindest für ein paar Tage ist es ein beherrschendes Thema in den Medien. Damit drängt sich dieses Thema auch erneut in die Herzen und Köpfe der Menschen in unserem Land. Ich schreibe in diesem Zusammenhang bewusst "erneut". Denn - so schlimm dieses Massaker in Hanau auch ist - und es ist in Deutschland passiert, ist es in diesem Jahr nicht die erste solcher Bluttaten...

13 Terroranschläge in diesem Jahr
- bis heute gerechnet

Am 03. Januar diesen Jahres ist ein Anschlag in Villejuif in Frankreich verübt worden. Zwei Verletzte, ein Toter. Tatwaffe ist ein Messer gewesen. Nur drei Tage später zündete jemand einen Sprengsatz auf dem Marktplatz in Gamboru, Nigeria. Achtunddreißig Tote und über Fünfunddreißig Verletzte. Hier soll das Tatmotiv ein Scharia-Konflikt gewesen sein. In Filingué in Niger griffen am 09. Januar 2020 mehrere Islamisten einen Militärstützpunkt an. Über 89 Tote und sechs Verletzte. Keine zehn Tage später ist es im Jemen zu einem antisemitischen Angriff durch Huthu gekommen, die mit Drohnen über 115 Menschen getötet und weitaus mehr Menschen verletzt haben. Am gleichen Tag noch zündete in Afgooye, Somalia, ein Attentäter eine Autobombe und riss vier türkische Ingenieure und einen Polizisten in den Tod. Mehr als 20 Menschen wurden dabei verletzt. Der Januar diesen Jahres endete mit einem Anschlag in Syrien, bei dem über 40 Menschen ums Leben kamen...

Am 01. Februar startete eine Anschlagsserie in der Demokratischen Republik Kongo, die bisher 62 Menschenleben forderte. Zumeist ist die Tatwaffe ein Messer. Mit einem Messer verübte auch in London am 02. Februar diesen Jahres - auch wenn es einem manchmal vorkommt, als sei es länger her - Sudesh Mamoor Faraz Amman einen gemeinen Messeranschlag, bei dem drei Zivilisten verletzt wurden. Nur das beherzte Eingreifen von Zivilisten hatte möglicherweise Schlimmeres verhindert. Einsatzkräfte erschossen den IS-Kämpfer vor Ort. Am 03. Februar versuchte in Metz, Frankreich, ein Salafist einen Messeranschlag auf einen Polizisten. Drei Tage später eskalierten Konflikte im Westjordanland, als Anschläge mit einem Fahrzeug und Schusswaffen auf Ordnungskräfte dort verübt wurden. Weitere drei Tage später gab es Brand- und Knüppelattacken an diversen Orten in Kasachstan - als Vergeltung für den Attentäter von London. Die Boko Haram töteten dann über 30 Menschen - erneut in Nigeria, bei einem Anschlag in Bomo. Möglicherweise als Antwort auf den Anschlag aus dem Vormonat...

Und nun - gestern - hier in Deutschland. Ein 43jähriger Deutscher, der noch bei seiner Mutter lebte, tötete 10 Menschen. Hintergrund sollen rassistische Motive sein, steht es überall zu lesen.
Dieselben Politiker, die soeben in Thüringen kein Paradebeispiel für die Demokratie abliefern, sind schnell mit Formulierungen dabei, "eine Brandmauer gegen die AfD" errichten zu wollen. 

Doch das greift meines Erachtens zu kurz - und deshalb auch nicht im Ansatz die Dimension der gesamten Lage. Auch wenn Rassismus eines der Motive ist, bei derartigen Gräueltaten. Solche Fakten nutzen Teile der AfD, um "ihre Leute" zu manipulieren. Computerspiele sind nämlich auch nicht Einzelursache für Schul-Amokläufer.

Aus meiner Sicht kommen immer viele Faktoren zusammen: 
Da ist zum Einen die fehlende Integration von Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund. Hier sehe ich nicht einmal die Italiener, Griechen und Türken, ordentlich integriert, die Deutschland nach dem II. Weltkrieg dringend als Arbeitskräfte angeworben hat. Deutschland hat Arbeitskräfte gerufen, ohne Bedenken, dass da Menschen kommen. Nicht nur Faktoren der Kalkulation und Planung von Unternehmen. In meinem Freundeskreis befinden sich Menschen der oben aufgezählten Herkunftsländer. Sie fallen im Straßenbild nicht unangenehm auf, zahlen Steuern und sprechen Deutsch - mit einem kaum hörbaren Dialekt. Aber diese Menschen fühlen sich nicht immer hier zu Hause, was ich oft verstehen kann. Deren Kindern geht es noch schlechter. Die sind in der früheren Heimat Deutsche, und in der neuen Heimat Ausländer. Wenn man auch aus politischer Korrektheit, dieses Wort "Ausländer" nicht mehr so oft hört und liest, ist es ganz subtil aber noch da.

Anschläge früherer Jahre haben sogar gezeigt, dass es Nazis genügt, wenn jemand nur aussieht, als sei er/sie Nicht-Deutsch. Das muss ein schlimmes Gefühl sein, denke ich. Mittendrin in der Gesellschaft, dennoch sich manchmal nicht dazugehörig zu fühlen. 

Und sicher gibt es Menschen mit Migrationshintergrund, die eine Karriere machen, im Unternehmen, im Showbusiness oder in der Politik. Bürgermeister mit türkischer Herkunft, mitten in Deutschland. Aber das sind aus meiner Sicht Ausnahmen. Weder haben viele Deutsche begriffen und akzeptiert, dass wir uns vom Herkunfts-Deutschen verabschieden sollten - noch sind alle Neu-Deutschen offen genug, sich auf "uns" einzulassen...

Genau hier kommen sogenannte
Soziale Medien ins Spiel

Es verstößt nicht unbedingt gegen die Gemeinschaftsstandards von Facebook und Co., wenn man online Rufmord begeht, rassistische oder hasserfüllte Nachrichten postet. Zum Teil unter falschen Namen. Das alleine genügt den Betreibern dieser Kommunikationsplattformen zumeist nicht. Die Algorithmen werden dann einfach so konfiguriert, dass manche "Kontrahenten" sich blockieren, ignorieren oder quasi abschalten können. Die Hetze und der schwelende Hass hingegen brodeln weiter... in diesen Medien, auf einschlägigen Seiten - ohne Kontrolle, ohne Ausgleich, ohne objektive Vermittlung von Fakten beispielsweise. Einzelne Posts oder Bilder werden auf diese Weise entfernt. Der potentiell Gewaltbereite bleibt unbeachtet weiter aktiv. Sucht sich andere Kreise...

Wenn wir Menschen uns unter diesem Aspekt an die Zeit der früheren Gesellschaften erinnern, denken wir beispielsweise an das Mittelalter. Hier haben wir doch - beispielsweise aus dem Geschichtsunterricht - ein Bild vom Pöbel. Der wütende Mob, der bei der Hexenverbrennung vor Freude gejohlt und gejubelt hat. Egal, ob den sogenannten Hexen Eingeweide auf dem Marktplatz herausgedreht oder Feuerprüfungen oder "Taufen" angetan wurden. Das Publikum war unterhalten -- und begeistert. Die Andersartigen wurden also gezielt heraus genommen, "überführt" und getötet. Hier nannte man auch sehr häufig religiöse Gründe, wobei ich hier keine Diskussion über die Inquisition starten will, sondern über Gewalt an sich, als Mittel zum Zweck. Überhaupt ist die Abschaffung von Todesstrafe in den sich selbst als zivilisierten Staaten bezeichnenden Ländern nicht so lange her, wie es gut wäre. Die Folter ist auch noch nicht gesellschaftlich wirklich geächtet. Und solche Realitäten nehmen gerade Menschen wahr, die ansonsten nicht den größten Durchblick haben. Oder es fehlt ihnen an Empathie.  

So stelle ich mir vor,
dass früher jedes Dorf seinen Deppen hatte

Heute haben wir die sozialen Medien. Das ist nicht nur ein Segen, sondern hat auch eine Kehrseite. Frei dem Motto "wer das liest, ist doof" steigert sich das Kommunikationsgebaren vieler Menschen in "wer das teilt, ist richtig doof, wenn er es nicht einmal gelesen hat". Es treffen sich im globalen Dorf des Internets mittlerweile also auch die Deppen aller Dörfer. Sie können einschlägige Seiten dort erstellen, virtuelle Gesprächsräume - oder sich auch verabreden, politische Gruppen zu gründen, mit dem geistigen Niveau vom berühmten Stammtisch. Ein Wort gibt das andere.

Der Eine ist vielleicht am Anfang auch nur verbal radikal bevor er verbal-radikal wird.

Schließlich ist der Schritt nicht mehr weit, tatsächlich angekündigte Dinge, mit denen man sich wichtig tun wollte, auch tatsächlich zu tun. Eine Art weightwatchers-Effekt in einem anderen Sinne: Die Gruppe ist schließlich auch gewollt gruppendynamisch. Schwache Geister stellen sich online schließlich hin, um andere Menschen - die einfach nur anders sind - erst Mal verbal zu ermorden. Denn - welche Beweggründe alle oben aufgezählten Attentäter gehabt haben wollen - sind sie in meinen Augen feige Mörder, die zu nichts anderem in ihrem Leben fähig gewesen sind. Denn sonst hätten sie Anderes vollbracht. 

Denke ich also heute an die Opfer sämtlicher Anschläge aller Jahre, die ich zumindest aus den Medien erfahren habe, packt mich die Wut. Ich will dann noch mehr politisch bewegen, dass die Menschen eine Alternative finden, wenn sie mit ihren Verhältnissen nicht zurecht kommen.

Diese Alternative ist aus meiner
Sicht ganz sicher nicht die AfD

Diese politische Organisation, die ich bewusst nicht Partei nenne, treibt ein böses Spiel mit ihren Anhängern. Diese Anhänger verdienen Aufmerksamkeit, Zuwendung und Respekt. Aber nicht, von den Höckes unserer Tage, vor den Karren gespannt zu werden, unser Land umzustürzen. Genau das aber hat Höcke im Sinn - und benutzt auch hier die sozialen Medien als Multiplikator. 

Sind wir also alle wachsam in dieser Zeit - hören genau hin, wenn aus sogenannten rassistischen Motiven, vorgeblichen religiösen Gründen, Menschen öffentlich zu Gewalt aufrufen, Gewalt ankündigen oder gegen andere Menschen öffentlich hetzen. Das muss dringend gemeldet werden, nicht nur an die Betreiber der entsprechenden Blogs, Seiten, Gruppen oder Plattformen. Sondern auch an die Ermittlungsbehörden. Wir müssen die Augen offen haben vor dem Feind unserer Gesellschaft - und dabei nicht Neuankömmlinge in unserer Mitte als Feinde betrachten, sondern die, die Hass und Hetze säen. Andernfalls fragen sich nachher wieder viele Menschen, wie das vorher geschehen konnte. Wir leben in der Zeit "vorher" - und können die Lehre ziehen, aus der Geschichte. 

Auch dazu taugen sogenannte Soziale Medien: die schweigende Mehrheit kann deutlich zeigen, dass sie wirklich mehr sind, als eine #Kampagne. Wenn soziale Medien aktuell tatsächlich Hass und Hetze fördern, kann man das auch umkehren. Wie in jedem Teil unserer Gesellschaft - unserer Kommunikation. Wir müssen das nur wollen. Wir sind mehr. Wir müssen heute auch mehr leisten, als nur rhetorische Brandmauern gegenüber einer sogenannten Partei zu errichten. Denn das würde in den sozialen Medien wieder Scharen in deren Arme treiben...

Bilder Copyright frei von Pixabay

Autor:

Stephan Leifeld aus Schermbeck

Webseite von Stephan Leifeld
following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

17 folgen diesem Profil

4 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.