"Narrenschiff" Kapitel IV - Professionalität prägte den Erfolg des Theaters
"Stumme Jule" und "King of Stage" gemeinsam auf der Bühne

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Ein Total-Sanierungsfall wie heute die „Gorch Fock“ wurde das Theater „Narrenschiff“ in über 30 Jahren nie, obgleich die Finanzdecke immer dünn war. Aufführungen waren meist gut besucht, häufig ausverkauft. Nicht zuletzt die professionelle Leitung und ständige Schauspiel- und Sprechausbildungen der Darsteller sowie ein glückliches Händchen bei der Auswahl der Stücke prägten den guten Ruf, weit über Unna hinaus.

Die erste Produktion war die dunkle Satire „Auf hoher See“ von Slawomir Mrozek , die am 15. Februar 1985 Premiere feierte. Auf der Bühne stand Armin Schumacher mit Gerd Heitkemper, einem semiprofessionellen Laiendarsteller gewesen und Thomas Gawronski. Der ging später zum Westfälischen Landestheater, dann ans Theater in Nürnberg. In der hintergründigen Farce auf den Faschismus müssen drei in Seenot geratene Männer entscheiden, wer als erstes geopfert wird und betreiben quasi einen Anti-Wahlkampf auf Leben und Tod. Das Publikum war begeistert.
Wochenendkurse
Für die erste Saison wurden drei Premieren ins Auge gefasst. Die Mitglieder konnten sich entscheiden, welche Rolle sie nehmen. Sie unterzogen sich internen Weiterbildungen, nahmen an Wochenenden Schauspielunterricht mit Sprech- und Bewegungsübungen, unterzogen sich einem Casting. Der künstlerische Leiter war auch Teamchef für die Anleitung.
Achim Schumacher besuchte als Jugendlicher in Duisburg ein renommiertes Theater besucht. Es stand unter Leitung von Karl Heinz Stroux (1908 - 1985), einem Schauspielkollegen von Bernhard Minetti. Der erfolgreiche Regisseur besuchte junge Leute, u.a. in einem Jugendheim, in dem Schumachers Mutter arbeitete. Nach einer Vorstellung sprach Stroux ihn an: „Wenn du Lust hast komm Samstag zum Casting.“ Von da an nahm Schumacher Sprechunterricht bei Stroux. „Er war ein großer Regisseur, der in der letzten Reihe rumbrüllte.“
Probebühne für Schüler
Auf die Qualifikation der Darsteller legte das Narrenschiff viel Wert, schließlich wollte man nicht wegen Unfähigkeit eine Havarie riskieren. Besonders Schüler waren mit Herz und Seele beim Theater. Von der Idee über die Textvorlage bis zu ersten Proben wurde über drei Monate etwas zu entwickeln war eine besondere Erfahrung. Nach den Vorstellungen erlebte Armin Schumacher, Pädagoge an der Gesamtschule Fröndenberg: „Das sind die Könige an der Schule.“ Was auch daran lag, dass die GSF lange Jahre der einzige „Kulturproduzent“ in der Nachbarstadt war.
„Stumme Jule“
Nicht jeder Schüler trat in die großen Fußstapfen, manche spielten die „stumme Jule“, waren aber glücklich damit. Ein spezielles Erlebnis blieb bei Armin Schumacher hängen: Er organisierte ein Kabarett an der Schule und wurde nach dem Unterricht von der Mutter einer Schülerin angesprochen: „Was habt ihr gemacht, wissen Sie denn nicht, das meine Tochter authistisch ist.“ In der Tat war die Schülerin im Unterricht und Schulalltag auffallend zurückhaltend. In der Klasse sagte sie keinen Ton. Bei den Theaterproben aber war sie voll dabei und kommunizierte problemlos. Von da an engagierte sich das Mädchen im Jugendclub, absolvierte das Abitur und bewarb sich an der Folkwang-Hochschule für Schauspiel in Essen. Da von 400 Bewerber pro Jahr nur 20 angenommen wurden, bewarb sie sich geduldig weiter und erhielt schließlich die Zulassung. „Jetzt hat sie einen festen Platz beim Otto-Theater in Potsdam.“
Hollywood-Erfolge
Mit Humor und Professionalität spielte sich das „Narrenschiff“ in die Herzen der Zuschauer.
Das verdankte das Theater auch dem Blick nach Hollywood. Als sich die Psycho-Satire „Einer flog über das Kuckucksnest“ im Kino als Kassenknüller herausstellte, nahm man die Handlung im Jahr 1988 ins eigene Programm. Ein Volltreffer: Zwar hielt man sich an den Roman, erzählte aber aus der Sicht des wortkargen Häuptlings. Es sollte die erste größere Neuinszenierung werden und alle 50 Vorstellungen waren ausverkauft.
Ein Gastspiel des „Kuckucksnest“ gab das Theater mit einer Komplettveranstaltung in der Ruhrtalklinik Schwerte. Menschen mit psychischen Behinderungen erlebten die Komödie um die Frage: „Wer ist bekloppt, die drinnen oder draussen.“ Und das „Narrenschiff“ setzte noch etwas drauf. Von „unglaublich intensiven Begegnungen“ spricht Armin Schumacher mit Blick auf eine Vorstellung in der Justizvollzugsanstalt in Schwerte-Ergste. Nicht nur für die „Lebenslänglichen“ sei es ein Erlebnis gewesen, die Diskussion danach war „der Wahnsinn“.

Sicherheitsschleuse an der Justizvollzugsanstalt in Ergste: Im Gefängnis führte das "Narrenschiff" den Kino-Megaerfolg "Einer flog über das Kuckucksnest" auf.
Autor:

Stefan Reimet aus Holzwickede

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