Kranzniederlegung und Gedenken
Unna-Massen - Feierstunde zum Volkstrauertag 2021

Foto  © Jürgen Thoms – Feierstunde   zum Volkstrauertag 2021 auf dem Friedhof Niedermassen - Jugenfeuerwehr Unna-West und vom  Schützenverein Massen 1830 e.V. Geschäftsführer Burkhard Rienhoff und Ortsvorsteher Dr. Peter Kracht
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  • Foto © Jürgen Thoms – Feierstunde zum Volkstrauertag 2021 auf dem Friedhof Niedermassen - Jugenfeuerwehr Unna-West und vom Schützenverein Massen 1830 e.V. Geschäftsführer Burkhard Rienhoff und Ortsvorsteher Dr. Peter Kracht
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Friedhof Niedermassen  59427 Unna - Sonntag, 14 . November 2021 - 11:30 Uhr
Ortsvorsteher Dr. Peter Kracht hatte in diesem Jahr persönlich zur Teilnahme an der Gedenkfeier eingeladen und viele waren zum Mahnmal auf den Friedhof in Niedermassen gekommen.
Dabei waren Abordnungen vom Schützenverein Massen 1830 e.V. mit ihrem Geschäftsführer Burkhard Rienhoff, die Freiwillige Feuerwehr der Löschgruppe Massen mit Löschgruppenführer Bernd Tepe und einer Jugendabordnung Unna-West. Der Vorsitzende des Bürgerhausvereins e.V. Helmut Tewes und Massener Bürger*innen.
Mit dem Stück „Über den Wolken“ der Musikfreunde Hellweg e.V. mit ihrer musikalischen Leiterin Charlotte Ortolf wurden die Besucher eingestimmt und die Feierstunde begleitet

Rede von Ortsvorsteher Dr. Peter Kracht

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ich freue mich sehr, dass wir uns heute am Volkstrauertag hier auf dem Friedhof Niedermassen zur Gedenkfeier zusammenfinden können, nachdem wir im letzten Jahr wegen Corona nur im kleinen Rahmen auf dem Friedhof Obermassen der Opfer von Krieg und Gewalt mit einer Kranzniederlegung gedenken konnten.
Noch ist das Corona-Virus nicht besiegt
Gerade die aktuellen Zahlen bereiten uns allen Sorgen. Unsere Hoffnungen ruhen auf den Corona-Impfungen, deren Zahlen in den letzten Tagen erfreulicherweise wieder deutlich zugelegt haben und ich bin optimistisch, dass wir den Kampf gegen das Virus gewinnen werden. So versammeln wir uns heute am Volkstrauertag, der traditionell alljährlich zwei Wochen vor dem 1. Advent begangen wird. Vor 99 Jahren, genau 1922, wurde er ins Leben gerufen, zunächst als Gedenktag der Toten des Ersten Weltkrieges. Die Nationalsozialisten benannten in ihrer verblendeten Propaganda den Tag um in „Heldengedenktag“. Heute wissen wir:
Im Krieg gibt es keine Helden, sondern nur Millionen Opfer

Wohl 70 Millionen Menschen verloren durch den Zweiten Weltkrieg ihr Leben – eine schier unglaublich-unwirkliche Zahl: Das sind mehr Menschen als Großbritannien oder Frankreich Einwohner haben. Seit der Nachkriegszeit gedenken wir nicht mehr nur der Kriegstoten, sondern allen Opfern von Krieg und Gewalt bis in unsere Tage. Ein Frage, die sich heute noch so mancher stellt, lautet:
Wie konnte es zur Herrschaft der nationalsozialistischen Mörderbande in Deutschland kommen?
Wie konnte sich gleichsam aus dem Nichts ein menschenverachtendes System entwickeln und in den Köpfen festsetzen, das das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte schreiben sollte. Das Deutschland nicht nur in den Krieg ziehen sollte, sondern die Juden, die seit Jahrhunderten Teil unserer Geschichte waren, als Teil der Gesellschaft physisch eliminieren wollte, sprich: den Massenmord an den Juden schon früh propagierte. Besonders pervers in diesem Zusammenhang: Unter den jüdischen Opfern waren zahlreiche Weltkrieg-Eins-Soldaten, die wegen ihres Einsatzes für Kaiser und Vaterland seinerzeit mit höchsten militärischen Lorbeeren ausgezeichnet worden waren.
Das Thema „Nationalsozialismus“
war in den 1950er- und 60er-Jahren ein Thema, über das niemand gern sprach, der „dabei“ gewesen ist, der das Regime und die Auswirkungen dessen, was es hervorgerufen hatte, im Bombenhagel schließlich selbst erlebt hatte. Über die Zeit von 1933 bis zum Ende des Krieges und die nachfolgenden Jahre der Not sprach niemand freiwillig, auch mein Opa konnte sich nicht mehr erinnern, was einst so alles, auch in Unna, vorgefallen war…
Wir fliegen gedanklich über den „Großen Teich“ in die USA:
Geschichtslehrer Ron Jones aus Palo Alto in Kalifornien machte sich 1967 – also 22 Jahre nach Kriegsende – Gedanken, wie er seiner Klasse das Thema „Drittes Reich“ erklären könne. Ein schweres Thema, das man zwar mit historischen Quellen unterfüttern kann, mit Dokumenten und Bildern, aber das doch weit weg ist für die Schüler in Kalifornien. Also wagt er ein außergewöhnliches, man könnte sagen: gefährliches Experiment: Er will in einer „pädagogischen Woche“ Nazi-Deutschland sozusagen zum Anfassen und Erleben nachbauen, im Kleinen, im Klassenzimmer. Mit anderen Worten: Er will seine Schüler jene unselige Herrschaft hautnah erleben lassen. Den unvorstellbaren Horror, aber auch die gefährliche Faszination.
Dieses Experiment wurde 40 Jahre später in Deutschland als beklemmender Film mit dem Titel „Die Welle“ nachgezeichnet. Ein Film, der Gänsehaut hervorruft – bei denen, die die Nazi-Herrschaft selbst erlebt haben, aber auch und insbesondere bei denen, die die Gnade der späten Geburt für sich in Anspruch nehmen dürfen.
Ron Jones kommandiert seine Klasse militärisch, kontrolliert und führt gegenseitige Selbstkontrollen ein, er schikaniert, wenn er es für nötig erachtet, Schülerinnen und Schüler. Dadurch schafft er ein starkes Solidar- und elitäres Gemeinschaftsgefühl, einen eigenen Stolz der Klasse. So führte er auch einen eigenen Gruß ein, den er „The Third Wave“ – die dritte Welle nannte. Wellen kommen in Dreiergruppen, die letzte, die dritte ist die kräftigste...
Täglich schließen sich immer mehr Sympathisanten der Klasse an und folgen dem strengen, aber zugleich elitären und irgendwie faszinierenden Regiment. Jones etabliert sich selbst als Anführer einer neuen Bewegung, stärkt den Gemeinschaftsgeist, doch das Experiment läuft aus dem Ruder: Die Schülerinnen und Schüler zeigen überaus starkes Engagement, ohne ihr Tun kritisch zu hinterfragen, folgen ihrem Anführer mehr oder weniger blind und ohne Verstand.
Nach nur wenigen Tagen beendet Geschichtslehrer Jones das Experiment in der (rechtzeitigen) Erkenntnis, wie stark er selbst von seinem „Selbstversuch“ und seiner Rolle als „Diktator“ vereinnahmt wird. Er verliert zunehmend die Kontrolle über die Schüler, die mittlerweile auch vor Gewaltanwendung nicht zurück schrecken.
Dem Historiker kommt dabei der 6. Januar 2021 in den Sinn:
An jenem unseligen Tag der amerikanischen Geschichte machten sich etwa 800 zum Teil bewaffnete Anhänger des noch amtierenden, aber bereits abgewählten Präsidenten Donald Trump auf den Weg zum Kapitol in Washington D. C. Ihr irrsinniges Ziel war es, den Senat und das Repräsentantenhaus an der förmlichen Bestätigung des Sieges von Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl 2020 zu hindern und damit dem Republikaner Trump verfassungswidrig zur Fortsetzung seiner Präsidentschaft zu verhelfen. Ein in der Geschichte einmaliger Aufruhr des aufgestachelten Pöbels, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen.
Geschichtslehrer Jones zeigte nach dem heiklen Experiment
seinen Schülerinnen und Schülern einen Dokumentarfilm über das Dritte Reich mit der atemberaubenden, manipulativen Atmosphäre auf den Reichsparteitagen, mit allen offenen und versteckten Hinweisen auf Gemeinschaft, Disziplin, Gehorsam – und dann die Gräueltaten eines menschenverachtenden Regimes, das „tägliche Leben“ der Furie geistigen Irrwitzes und schwachsinnig-vernebelter Ideologie eingehüllt in strahlend-rühmenden Worten des Führers und seiner Handlanger.
Ron Jones sah in fassungslose Gesichter
Aber damit schloss sich der Kreis seines Experimentes auf dramatische Weise: Er wusste jetzt, warum er vergessen würde, warum alle aus der Klasse vergessen würden. Er sagte zu seinen Schülerinnen und Schülern: „Wie den Deutschen wird es euch schwer fallen zuzugeben, dass ihr so weit gegangen seid. Ihr werdet nicht zugeben wollen, manipuliert worden zu sein. Ihr werdet nicht zugeben, bei diesem Irrsinn mitgemacht zu haben."
„Die Welle“ ist ein markantes Beispiel dafür, dass die Demokratie jeden Tag neu verteidigt werden muss – gegen äußere wie innere Feinde. Und dass man sich immer wieder bewusst mit der Vergangenheit auseinanderzusetzten muss. Wir müssen aus unserer Geschichte die richtige Lehre ziehen und positiv für die Zukunft nutzen. Wir dürfen manipulativen und populistischen Mächten keine Bühne bieten!

So gedenken wir mit Trauer

am heutigen Tage aller Opfer von Krieg und Gewalt, denken an misshandelte und ermordete Kinder, Frauen und Männer aller Völker. Wir schauen heute aber auch in die Zukunft, denn unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Völkern und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen - hier zu Hause am Hellweg, in Deutschland und in der ganzen Welt!

Glück Auf!

Autor:

Jürgen Thoms aus Unna

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