Zusammenhalt unter einem Dach - Unnaer Beginen engagieren sich untereinander, politisch und sozial

Die Unnaer Beginen lieben das gemeinsame Leben unter Frauen, bekommen aber auch alle Rückzugsmöglichkeiten, die sie brauchen. Und trotz aller Gerüchte: Männer sind selbstverständlich erlaubt – nur einziehen dürfen sie nicht.
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  • Die Unnaer Beginen lieben das gemeinsame Leben unter Frauen, bekommen aber auch alle Rückzugsmöglichkeiten, die sie brauchen. Und trotz aller Gerüchte: Männer sind selbstverständlich erlaubt – nur einziehen dürfen sie nicht.
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„Viele Menschen denken doch heute nur noch an sich“, sagt Bewohnerin Christine Kleinwächter. „Es ist höchste Zeit gegen den Strom zu schwimmen und alternative Modelle zu schaffen“. Und genau diese Gedanken setzen die 18 Frauen im Beginenhof Unna seit nun sieben Jahren gemeinsam um. Ihr Ziel: Die Werte der historischen Beginen in der heutigen Zeit weiterleben zu lassen.

Unna. Die Beginen gehörten im Mittelalter zu den frühen autonomischen Frauen­bewegungen der Weltgeschichte. Sie widmeten sich der Armenpflege und den Waisen. Ihr Mittelpunkt war ein selbstbestimmtes Leben im Beginenhof und im Dienste der Mitmenschen.

Die Unnaer Beginen sind ausschließlich Frauen, die diesen Gedanken leben und sich zu einer generationenübergreifenden Wohngemeinschaft zusammengefunden haben.

Frauen im Alter von 44 bis 83 Jahren, mit und ohne Kinder, wohnen hier zusammen, leben aber in eigenen, voneinander getrennten Mietwohnungen. Jede der Wohneinheiten ist barrierefrei. Jede Frau ist in ihrem Glauben frei und kann den Beginenhof jederzeit wieder verlassen. Auch steht es jeder Frau frei, an den gemeinsamen Aktivitäten und Treffen teilzunehmen. Und davon gibt es viele. In Arbeitsgemeinschaften kümmern sich die Beginen um ihre Gemeinschaft, fühlen sich füreinander und für den Hof verantwortlich. Da gibt es eine Garten-AG, eine Bau-AG, eine Hausmeisterin, eine Presse- und eine EDV-Expertin. Malerarbeiten, kleinere Umbaumaßnahmen, Gartenpflege, technische und handwerkliche Arbeiten – die Beginen machen fast alles selber.

Die Bewohnerinnen haben seit Gründung des Beginenhofes mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Das Gerücht, die Frauen dürfen keine Partner haben, hält sich hartnäckig. „Selbstverständlich kann jede hier eine Beziehung führen und den Partner auch mitbringen und hier übernachten lassen“, sagt Sabine Schulze-Eyßing, Bewohnerin und zweite Vorsitzende des Fördervereins Beginen-Kultur. „Junge Frauen dürfen natürlich ihre Töchter und Söhne mitbringen!“ Und genau diese Kombination wünschen sich die Bewohnerinnen für die gerade freigewordene 72 Quadratmeter große Wohnung: „Eine junge Frau wäre eine Bereicherung für uns.“

Wichtig ist den Beginen, dass es sich um kein betreutes Wohnen handelt. Jede Bewohnerin ist für sich selbst verantwortlich. Aber natürlich hilft man sich gerne untereinander. „Bei uns gibt es ein sehr starkes Wir-Gefühl. Alles, was wir organisieren und machen, sehen wir nicht als Arbeit, sondern als etwas, dass wir für uns machen“, so Sibille Heimann, erste Vorsitzende des Fördervereins.

Auch das soziale und politische Engagement ist den Bewohnerinnen wichtig. Die Damen sind überall dort aktiv, wo Frauen unterstützt werden können. Sei es beim Internationalen Frauentag, im Frauen- und Mädchennetzwerk Unna, beim Equal-Pay-Day, der auf die Verdienstunterschiede von Frauen und Männern aufmerksam macht, oder in der „Blauen Bude“ auf dem Unnaer Weihnachtsmarkt.

Ideen haben die Damen viele – das neueste Projekt soll in naher Zukunft umgesetzt werden. Kinder der 5. und 6. Klasse vom Gymnasium können dreimal in der Woche für eine Stunde von den Beginen betreut werden. „Uns ist wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen nicht alleine zuhause sitzen, wenn die Eltern beispielsweise arbeiten“, sagt Sibille Heimann, „aber auch, dass sie hier soziale Kompetenzen lernen.“ Eine Sozialarbeiterin begleitet die Arbeit. Sponsoren und Ehrenamtliche werden für die Umsetzung des Projektes gesucht.

Auch der Bauherr des Beginenhofes ist von der Gemeinschaft und dem Zusammenhalt der Frauen beeindruckt und möchte mit den Damen einen zweiten Beginenhof in Königsborn bauen. „Gerade bei der Grundrissgestaltung möchten wir dann aber mehr Mitspracherecht haben“, so Heimann.

„Wir möchten uns zukünftig noch mehr nach außen hin öffnen“, sagt Sabine Schulze-Eyßing. Geplant ist ein kleines Café und regelmäßige Nachbarschafts­treffen. „Wir möchten mit den Menschen in unserer Umgebung mehr in Kontakt kommen und ihnen helfen und sie unterstützen.“

Autor:

Mareike Sehr aus Unna

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