Fachleute der Werkstatt sorgen an Schulen für Orientierung und Bodenhaftung

Persönliche und gesundheitliche Probleme, kein Rückhalt in einer zerbrochenen Familie, miserable Noten oder schlichtweg Flucht vor dem Leistungsdruck – es gibt viele Hürden, die Jugendliche und junge Erwachsene beim Übergang von der Schule in den Beruf straucheln und scheitern lassen. Mit zehn Fachkräften bietet die Werkstatt im Kreis Unna an den fünf Berufskollegs des Kreises und an den Real- und Gesamtschulen der Kreisstadt Unna zusätzliche Hilfen an. In den Abgangsklassen und Berufsgrundschuljahren verstärken die erfahrenen Pädagogen gerade in der Übergangsphase die Schulsozialarbeit.
Der Zehnt-Klässler der Gesamtschule war still und zurückhaltend, die Eltern hatten wenig Zeit für den Jungen. Beide beziehen trotz der Arbeit im Lager und in einer Reinigungsfirma ergänzende Leistungen nach Hartz IV, weil der Lohn nicht reicht. Regina Torka-Janeczek kümmerte sich erfolgreich um den jungen Mann: „Er fängt jetzt eine Lehre zum Zerspanungsmechaniker an“, sagt die Diplom-Sozialarbeiterin. Ein Erfolg der „individuellen Begleitung“, die immer mehr Jugendliche nötig hätten, sagt die Fachfrau der Werkstatt. Sie kann auf jahrelange Vorerfahrung in der Jugendberufshilfe bauen und konnte so auch der 16jährigen Schülerin helfen, die sich monatelang vor der schriftlichen Bewerbung um eine Lehrstelle drückte. Die Angst vor dem Scheitern, das fehlende Selbstbewusstsein ist überwunden. Die junge Frau startet in diesem Jahr als zahnmedizinische Fachangestellte. Gesamtschulleiter Hans Ruthmann lobt die Verstärkung des eigenen Berufsorientierungs-Teams: „Ich würde die am liebsten auf ewig verpflichten.“
Die gleiche Kunde kommt von der Leiterin des Hansa-Berufskollegs Jutta Zierow: „Wir könnten viel mehr von solchen Kräften brauchen.“ Bei vielen Jugendlichen fehle zuhause eine „lernfördernde Umgebung“, sie hätten große Schwierigkeiten im Unterricht. Eine Aufgabe für Christina Trampe von der Werkstatt, die im Team des Berufskollegs arbeitet. Vielen Jugendlichen falle schon die Klärung des weiteren Ausbildungs- und Lebensweges schwer. „Was will ich werden?“ Die Frage klärt die 25jährige Erziehungswissenschaftlerin der Werkstatt mit Jugendlichen, die mangels eigener Perspektive erstmal im Berufsgrundschuljahr sitzen. Eine der Hauptaufgaben: Die Illusion, dass selbst mit „einer 5 in Mathe“ noch der Traumjob als Banker oder Immobilienmakler möglich ist. Das suggerieren Fernsehserien, Christina Trampe sorgt da für Bodenhaftung. Zum Vorstellungsgespräch für die Lehre als Einzelhandelskauffrau bei einer Telekom-Niederlassung in Beckum hat sie gerade drei Mädchen motiviert, die zuvor in Telenova-Träumen schwelgten. Fred Steinberg (53) bringt für das Engagement am Hellweg-Berufskolleg nicht nur die Ausbildung als Lehrer mit, sondern zudem die jahrelange Erfahrung in der außerbetrieblichen Ausbildung und Berufsvorbereitung der Werkstatt. Sein Schwerpunkt: Für das Modellprojekt des Kollegs, Auszubildende gezielt für das heimischen Handwerk zu finden und dafür die richtigen Talente in den Vollzeitschulklassen für eine betriebliche Ausbildung zu gewinnen. Die müssten gezielt auf den betrieblichen Alltag vorbereitet werden – bis hin zu der Frage, was sich mit einer möglichen Ausbildung alles an persönlichen Sozialversicherungs- und Finanzierungsfragen ändert, sagt Steinberg. Dass er sich dabei auch um einen 21jährigen kümmert, der im Streit zuhause flüchtete und seit Tagen provisorisch bei Freunden wohnte, gehört dazu: „Das können die Lehrer am Kolleg bei bestem Willen nicht leisten.“
Die Schulsozialarbeit ist für die Werkstatt ein Baustein im Konzeptansatz, „keinen Jugendlichen zurück zu lassen, Bildungsabbrüche zu vermeiden und Chancen auch für Benachteiligte zu schaffen“, erklärt Uschi Böger-Zude, Abteilungsleiterin der Werkstatt. Ihr Team ist in vielen Schulen im Einsatz und dort Teil des Kollegiums. Gemeinsam wertet es Erfahrungen aus, bildet sich fort, nutzt die Erfahrungen aus anderen Bereichen der Werkstatt und bringt diese in die Arbeit ein.

Mehr Budget und dauerhafte Stellen für die Schulsozialarbeit gerade im Bereich des Übergangs von Schule in den Beruf wären dringend nötig. Das sagen nicht nur die Fachleute der Werkstatt, das erklären alle Schulleiter. Allerdings ist der Einsatz der Werkstatt-Pädagogen an den Schulen befristet: Die zusätzlichen Stellen in der Schulsozialarbeit sind über das Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes seit September 2011 finanziert und damit zeitlich bis 2013/2014 begrenzt.

Autor:

Günther Klumpp aus Unna

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