In schweren Stunden

Ein Jahr lang werden die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Telefonseelsorge Wuppertal ausgebildet, dann sind sie bereit, in die Realität entlassen zu werden. Beziehungsprobleme, Trauer, Einsamkeit oder Armut sind nur einige der Probleme, die den Anrufern auf der Seele brennen.
Insgesamt 75 Mitarbeiter sind für die Telefonseelsorge Wuppertal tätig. Einer von ihnen ist Horst Langner (Name von der Redaktion geändert). Seit 16 Jahren widmet er sich dieser intensiven Aufgabe nun schon, um Menschen der Region in Krisensituationen kurzfristig zu helfen. Ans Aufhören will der ehemalige Pädagoge noch lange nicht denken, denn: „Auch wenn diese Tätigkeit viel von einem verlangt, ist sie dennoch erfüllend. Schon vor meinem offiziellen Ruhestand habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie ich mein Leben sinnvoll und mit einem Beitrag für die Gesellschaft weiter gestalten könnte“, so Langner. „Dabei war es mir wichtig, auf qualifizierter Ebene noch etwas lernen zu können.“ Über den Kontakt zu seiner Kirchengemeinde stieß der engagierte Pensionär auf das Beratungsangebot der Telefonseelsorge Wuppertal. Nach einem Jahr intensiver Ausbildung war es dann soweit. Horst Langner trat seinen ersten Telefonseelsorge-Dienst an.
„Bis dahin haben unsere ehrenamtlichen Mitarbeiter viel über sich selbst, über Gesprächsführung und darüber, wie man einen Menschen mittels Gespräch über eine Krise bringen kann, gelernt“, erklärt die Pfarrerin Annette Holzapfel, seit elf Jahren Leiterin der ökumenischen Telefonseelsorge Wuppertal. Pro Jahr sind es 20.000 Anrufe, die hier eingehen. 40 bis 60 am Tag. Wie groß der Beratungsbedarf der Menschen mit seelischer Not ist, weiß Holzapfel aus eigener Erfahrung, denn auch sie ist aktiv an den Diensten beteiligt.
Von psychischen Problemen über Beziehungskonflikte bis hin zu Arbeitslosigkeit, dem Verlust eines Menschen oder schweren Krankheiten - die Sorgen-Palette der Anrufer sei breit gefächert, so Holzapfel. Auch sei das Thema Einsamkeit immer häufiger ein Grund für viele Menschen, zum Hörer zu greifen.
Doch einen Ersatz für eine eventuelle Psychotherapie stelle das Gespräch mit dem Seelsorger auf keinen Fall dar, betont die 48-jährige Pfarrerin. Erste Prioritäte habe das Zuhören. So sieht es auch der aus Langenberg stammende Horst Langner. Mit Ratschlägen geht er ganz vorsichtig um: „Ratschläge können in manchen Situationen Schläge sein.Wir sind für den Moment da. Den Menschen in einer akuten Krise zu begleiten, ihn ein Stück weiter zu bringen und nicht allein zu lassen, ist unsere Hauptaufgabe“, so der 75-Jährige. Dabei spiele die Anonymität eine herausragende Rolle: „Anonymität erzeugt Offenheit. Auch die Optik des Menschen spielt am Telefon keine Rolle. Der Anrufer kann so sein wie er ist, ohne irgend jemandem genügen zu müssen.“
Namen spielen bei diesen Gesprächen ebenfalls keine Rolle. Das gilt für beide Seiten. Auch gelte absolute Verschwiegenheitspflicht über die Gesprächsinhalte. Kaum jemand wisse daher von seiner Tätigkeit, so Langner. Darüber hinaus sei auch die Tatsache, dass die Seelsorger so etwas wie professionelle Laien seien, von Vorteil. „Man spricht dann mehr auf Augenhöhe und die Hemmschwelle des Anrufers ist niedriger.“
Wer sich für die Aufgaben eines Telefonseelsorgers interessiert, sollte sich eines klar vor Augen führen, meint Annette Holzapfel: „Um diesen Job zu machen, muss man etwas übrig haben für die Menschen. Geduld und Herzensbildung, Lebenserfahrung und Offenheit sind ebenso erforderliche Qualitäten.“ Nach der einjährigen Ausbildung, in der einmal pro Woche eine Schulung stattfindet, sei eine Verpflichtung von mindestens drei Jahren sinnvoll, so die Pfarrerin. Auf den Monat verteilt rund 20 Stunden müsse man investieren, darunter auch Nachtschichten. Auch Fortbildungen und regelmäßige Aufarbeitung der geführten Gespräche innerhalb sogenannter Supervisionen seien Bestandteil der Tätigkeit. Doch der Aufwand lohne sich, ist Horst Langner sicher: „Am Ende steht das befriedigende Gefühl, jemandem geholfen zu haben. Und das tut einfach gut.“
Interessierte können sich beim Evangelischen Kirchenkreis Wuppertal unter 0202/974400 melden.

Autor:

Janina aus dem Siepen aus Hattingen

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