Rheinischer Esel plattgefahren - Radwege in Bochum (2)

Endlich nutzbar: der Rheinische Esel
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Was vor ein paar Wochen schon einmal neugierig beäugt wurde, kann jetzt auch mit offizieller Absegnung genutzt werden. Nachdem die neue Radwandertrasse „Rheinischer Esel“ im Osten Bochums am 7. Juli 2012 mit einem Spendenlauf eröffnet wurde, war es an der Zeit, sie endlich einmal selber auszutesten.
Und tatsächlich: bis zum Umfallen kann fortan von der Oberstraße, Höhe Oesterheidestraße im Osten Langendreers auf der zum Radweg umgebauten Bahntrasse durch wunderschöne Landschaften und Siedlungsbereiche bis nach Dortmund gestrampelt werden. Ein Angebot, das viele Menschen dankbar nutzen. Am vergangenen Wochenende jedenfalls geriet der „Rheinische Esel“ bei endlich sommerlichem Wetter ziemlich heftig unter die Räder.

Der Beginn der Trasse an der Oberstraße zeichnet sich zunächst über knapp 3 km durch eine stetig leichte, jedoch moderate Steigung aus, die anschließend nach Witten Mitte wieder ebenso gemäßigt abfällt. Da der Radweg in diesem Abschnitt asphaltiert ist, macht sich die anhaltende Steigung in den Beinen kaum bemerkbar und ist dadurch ohne großen Kraftaufwand sehr gut zu bewältigen.

Leider erhält der neue Weg durch die tadellose Ausstattung, die gleichermaßen zum Skaten und zum Waveboard-fahren einlädt, dadurch aber auch den Touch einer Hochleistungsautobahn für Zweiradfahrer. Das butterweiche Fahren verleitet zum Training von Kondition und Muskeln, Beschaulichkeit geht anders.
Die gefahrenen Geschwindigkeiten sind vor lauter Begeisterung über die hemmungslos freie Fahrt für Radfahrer ganz ordentlich und wer hier zu Fuß spazierengehen möchte oder absteigt, um die Landschaft zu genießen oder zu fotografieren, kann bei Unachtsamkeit schnell unter die Räder kommen. Nicht wenige erleben sich als Hindernis für die, die gerne schneller fahren möchten.

Da eine Bahntrasse naturgemäß recht schmal ist, kann sie die Masse der fernab von öffentlichen Straßen bewegungswütigen Erholungssuchenden kaum bändigen, weil der Platzbedarf des Radlers trotz der nur zwei Räder hoch ist. Wer zu zweit nebeneinander fahren möchte, um sich zu unterhalten, wird für den Gegenverkehr schnell zur Gefahr, zumindest aber zur Behinderung.

Hinzu kommt, dass die Bankette, sei es aus technischen oder rein gestalterischen Gründen, aus dem typisch groben Schotterbett der Bahntrassen besteht und etwas tiefer liegt, als die Asphaltschicht.
Während die Bankette der Stahlwerkstrasse in Grumme mittlerweile mit dem feinem Splitt wassergebundener Wegedecken ausgestattet und dadurch sicher befestigt wurde, muss man auf dem Rheinischen Esel höllisch aufpassen, bei höheren Geschwindigkeiten nicht vom Asphalt auf den groben Schotter zu geraten.

Problematisch bleibt auch die unerwartete Notwendigkeit der Querung mancher Nebenstraßen, mit der man angesichts der ungehindert freien Fahrt nicht rechnet. Eine farbige Markierung auf der Trasse selber und auf der Straße, die gequert wird, wäre sinnvoll, denn die kleineren Verkehrsschilder allein kommen gegen den optischen Eindruck der Vorrangigkeit der unendlich geradeaus führenden „Radautobahn“ nicht so einfach an.

Insgesamt beschaulicher geht es ab Witten-Mitte zu. Ist die Stadtgrenze Witten nach schon knapp 2,5 km erreicht, ist nach 5,5 km an der Pferdebachstraße zunächst erst einmal Schluss. Nur der Ortskundige und der, der eine Karte hat, kann feststellen, dass der Radweg jenseits dieser Einfallstraße auf dem Gelände der Bosch Rexrodt AG weiterführt. Beschilderungen fehlen.

Nach weiteren ca. zwei Kilometern geht dann der Asphaltbelag in eine wassergebundene Wegedecke über, die sofort mehr Kraft beansprucht und die gefahrenen Geschwindigkeiten reduziert. Dass dieser Teil der Trasse, der hinter Annen in dünner besiedelten Gebiete führt, was auch den Nutzungsdruck verringert, schon ein paar Jahre alt ist, zeigt der Zustand wie auch der Blick in die Radwanderkarte, in der der Weg bereits als Weg und nicht als Bahntrasse verzeichnet ist.

Die Tatsache, dass auf diesem Weg auch die Autobahn erreichbar ist, weckt trotz mittlerweile anklopfendem Gedanken an die Bewäligung des Heimwegs dann doch nochmal den Ehrgeiz, der in einem kleinen Jubelschrei über den persönlichen Erfolg der Fortbewegung per eigener Körperkraft auf der Brücke der A 45 mündet.
Und natürlich will man jetzt auch noch das Ende sehen, das von Dortmund-Löttringhausen aus den Anfang dieser langen, hier schon in die ehrwürdig eingewachsenen Jahre gekommenen Trasse darstellt. Und da, am Anfang – oder Ende, heißt die Trasse auf dem Radweg-Schild auch, wie sie heißt.

Leider aber muss man am Ende dieser schönen Strecke auch zurück nach Hause, was auf dem Rücken dieses Esels nicht das Allerschlimmste ist. Die Wegstrecke ab Langendreer in Richtung Grumme aber lässt aus den tatsächlich nur zurückgelegten 42 km am Ende schnell gefühlte 60 km werden.

Mit Brombeeren und Brennnesseln zugewachsene Wege, für Radfahrer gesperrte Holzbrücken, marode Wegedecken mit spitzen Steinen oder rissigem, zerlöchertem Asphalt bei gleichzeitig zu bewältigenden Steigungen und undurchschaubar kombiniert oder getrennt geführte Rad-und Fußwege vermiesen das positive Raderlebnis erst einmal erheblich. Am liebsten würde man auf Knopfdruck gleich sofort zu Hause sein.
Denn der schlechte Wegezustand kostet Kraft, die dann nicht mehr aus dem Körper kommen kann, wenn sich das Erleben einer schlechten Strecke erschöpfend auf die Beine auswirkt.

Ach ja, beim kräftezehrenden Strampeln über diese Holperstrecken fällt auch wieder dieser Kommentar neulich in der Zeitung ein, wonach man das Gejammer der armen Radfahrer ja nicht mehr lesen könne.
Beim Schimpfen über Radfahrer, die auch noch Forderungen an sichere Wege stellen, wird gerne übersehen, dass es sich bei Radfahrern in der Regel um steuerzahlende Autofahrer handelt, die ihren Wagen stehen lassen, um der Umwelt und der Gesundheit zuliebe Kopf und Kragen auf zerlöcherten Straßen und Wegen zu riskieren.
Wen das Auto gemütlich kräftesparend über diese Holperstrecken trägt, dem fehlt natürlich das Empfinden für den Kraftaufwand der Zweiradfahrer bei der Bewältigung des Flickwerks.

Dem Rheinischen Esel, der sogar mit reichlich Sitzgelegenheiten und Fahrradabstellpätzen ausgestattet ist, der Stahlwerkstrasse, dem künftigen Springorum-Radweg und der Erzbahntrasse sei Dank ändert sich nun langsam aber sicher einiges. Der Nutzungs- und Erwartungsdruck ist unverkennbar hoch. Die Bürger möchten sich bewegen und zwar fernab der Straßen.
Das einzige Problem dabei: Man muss die wunderbaren Strecken auch erreichen können, ohne vorher in den Schlaglöchern der Zubringer zu straucheln. Was nutzt schließlich dem Porschefahrer die beste Autobahn, wenn er sie nur auf holperigen Feldwegen erreichen kann?

Autor:

Sabine Schemmann aus Bochum

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