Hilfe zur Selbsthilfe - Angebot von Caritas & Co.: Austausch in Erfahrungsgruppen für depressive Menschen

(V.l.) Inge Günzel, diplomierte Sozialarbeiterin, Martina Kröber, Fachbereichsleitung psychiatrische Hilfen des Caritasverbandes für die Dekanate Dinslaken und Wesel, und Ines Leuchtenberg, Koordinatorin der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung im Kreis Wesel, setzen sich für die Belange psychisch erkrankter Erwachsener ein.Foto: Lisa Peltzer
  • (V.l.) Inge Günzel, diplomierte Sozialarbeiterin, Martina Kröber, Fachbereichsleitung psychiatrische Hilfen des Caritasverbandes für die Dekanate Dinslaken und Wesel, und Ines Leuchtenberg, Koordinatorin der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung im Kreis Wesel, setzen sich für die Belange psychisch erkrankter Erwachsener ein.Foto: Lisa Peltzer
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"Jetzt reiß dich aber mal zusammen!", "Stell dich doch nicht so an!", "Gönn dir doch einfach mal 'ne Auszeit!" - Ratschläge, die bestimmt gut gemeint sind. Einem Menschen, der psychisch erkrankt ist, aber nur wenig helfen - egal wie oft er sie zu hören bekommt. Im Gegenteil! Sie können bewirken, dass sich der Betroffene noch schlechter - regelrecht schuldig und beschämt - fühlt, sich weiter zurückzieht und in einer Depression verliert.

Jeder hat so seine Päckchen im Leben zu tragen. Wie viele ein Einzelner tragen kann, hängt von multifaktoralen Komponenten ab: dem Stoffwechsel der Botenstoffe im Hirn, erblichen Dispositionen, sozialen Umständen, der persönlichen Lebensgeschichte. Treffen kann es jeden, ob alt, ob jung, ob Mann, ob Frau, ob erfolgreich oder nicht. Zu erkennen, dass man krank ist, ist ein erster, wichtiger Schritt. Denn: Eine Depression ist für den Betroffenen selten direkt greifbar, für Familie und Freunde noch weniger. Der zweite Schritt: ein Besuch beim Hausarzt, besser noch beim Facharzt. Die allerdings sind rar gesät, obwohl die Zahl der an einer Depression erkrankten Menschen stetig zunimmt. Schon lange nicht mehr deckt die Zahl der Ärzte den Bedarf. Wartezeiten von bis zu einem Jahr sind keine Seltenheit.

Das im Jahr 2016 gegründete Bündnis gegen Depressionen hat die "Erfahrungsgruppen für Menschen mit Depressionen im Kreis Wesel" ins Leben gerufen

Um genau diese Zeit zu überbrücken und Betroffenen zu helfen, hat das im Jahr 2016 gegründete Bündnis gegen Depressionen gemeinsam mit dem Kreis Wesel und der Novitas BKK die "Erfahrungsgruppen für Menschen mit Depressionen im Kreis Wesel" ins Leben gerufen. Dort treffen Betroffene auf Menschen, denen es ähnlich geht. Zu erkennen, dass man mit seinem Problem nicht allein ist, ist oftmals schon ein Schritt in Richtung Besserung. Gleichzeitig lernen die Teilnehmer, ihre Krankheit immer besser zu verstehen - und zu verstehen, dass sie behandelbar ist. Vorausgesetzt natürlich, man lässt sich auf die Hilfe(n) ein.

Behandelt werden können die Betroffenen in den Erfahrungsgruppe nicht. Aber: Es kann ihnen geholfen werden.

"Es kann passieren, dass jemand zu uns kommt, der seit Wochen krank geschrieben ist", sagt Martina Kröber, Fachbereichsleitung psychiatrische Hilfen des Caritasverbandes für die Dekanate Dinslaken und Wesel. "Eine Diagnostik hat bisher allerdings nicht stattgefunden." Behandelt werden können die Betroffenen in den Erfahrungsgruppe nicht. Aber: Es kann ihnen geholfen werden. Und die Hilfe zur Selbsthilfe funktioniert meist so gut, dass Betroffenen im Anschluss an die zehn Treffen gar nicht erst in das "System" rutschen und auf den Besuch beim Psychologen beziehungsweise Psychiater verzichten können. Inge Günzel, diplomierte Sozialarbeiterin und Leiterin der Erfahrungsgruppen: "Oft halten die Teilnehmer auch über die Treffen hinaus noch Kontakt, schließen sich Selbsthilfegruppen an oder nutzen offene Angebote zum Beispiel der Caritas." Dass das als Überbrückung der Wartezeit angedachte Angebot durchaus hilft, beweist auch eine Studie der Universität Rhein-Waal. Betroffene haben sowohl vorher als auch nach Ende der Gruppentreffen einen Fragebogen ausgefüllt. In nur einem Fall fühlte sich ein depressiver Mensch tatsächlich schlechter, allen anderen ging es deutlich besser.

Warum Menschen daran erkranken, kann die verschiedensten Gründe haben.

Depressionen treten in unterschiedlichen Formen - von leicht bis sehr schwer - auf. Warum Menschen daran erkranken, kann die verschiedensten Gründe haben. Dass immer mehr Menschen an Depressionen erkranken, sagt Ines Leuchtenberg, Koordinatorin der psychiatrischen und psychosozialen Versorgung im Kreis Wesel, könnte auch daran liegen, dass sich soziale Umstände verändert hätten. "Familien sind lange nicht mehr so eng. Dadurch fehlt ein stabiles Gefüge, das den Menschen Sicherheit bietet." Kommt dann noch die viele Arbeit dazu, fühlen sich die Menschen oft überfordert und allein. Die "Life-Work-Balance", wie es neudeutsch so schön heißt, kommt aus dem Gleichgewicht. Ist dem so, sollten sich die Menschen jederzeit zunächst an ihren Haus- oder Facharzt wenden. Denn: "Je früher Betroffene in Behandlung sind, desto besser stehen die Chancen, vollkommen zu gesunden", sagt Martina Kröber.

Kontakt
- Caritasverband Dinslaken/Wesel: Sozialpsychiatrisches Zentrum, Duisburger Straße 98 in Dinslaken, Tel. 02064-449350/-51/-52, edith-stein-haus@caritas-dinslaken.de
- Spix e.V. für Wesel, Xanten, Hamminkeln, Friedrichsfeld, Sonsbeck, Schermbeck: Kaiserring 16 in Wesel, Tel. 0281-163330, info@spix-ev.de
- Caritasverband Moers/Xanten: Sozialpsychiatrisches Zentrum, Haagstraße 26 in Moers, Tel. 02841-901040, kbs@caritas-moers-xanten.de
- Kreis Wesel - Fachdienst Gesundheitswesen: Mühlenstraße 9-11 in Moers, Tel. 02841-202-1512, gesundheitswesen@kreis-wesel.de

Die Erfahrungsgruppen
- Die insgesamt zehn Gruppentreffen finden in der Regel alle zwei Wochen zwischen 17 und 19 Uhr in den jeweiligen Sozialpsychiatrischen Zentren statt.
- Eine Gruppe besteht aus jeweils maximal zehn Teilnehmern.
- Pro Jahr werden zwei Gruppendurchläufe angeboten.
- Der Zugang zum kostenneutralen Angebot ist bewusst niedrigschwellig gehalten: Eine Bescheinigung ist nicht vonnöten, zunächst reicht ein Beratungsgespräch, in dem zusätzlich ein Fragebogen ausgefüllt wird, um die Schwere der Depression zu erfassen und zu prüfen, ob der Betroffene für die Erfahrungsgruppen geeignet ist.
- Menschen mit einer (sehr) schweren Depression sowie mit Persönlichkeitsstörungen oder Suchtproblemen können an den Gruppenabenden nicht teilnehmen. Ihnen wird intern anderweitig weitergeholfen, zum Beispiel mit Einzelgesprächen.

Autor:

Lisa Peltzer aus Oberhausen

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