Corona und Arbeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen in Dinslaken
Es ist wichtig, eine Aufgabe zu haben

Die Werkstatt der Albert-Schweitzer-Einrichtung an der Nikolaus-Groß-Straße ist, anders als im ersten Lockdown, weiterhin geöffnet. Wie die Beschäftigten mit der Situation "Corona und Arbeit" umgehen, lesen Sie hier. | Foto: JP
6Bilder
  • Die Werkstatt der Albert-Schweitzer-Einrichtung an der Nikolaus-Groß-Straße ist, anders als im ersten Lockdown, weiterhin geöffnet. Wie die Beschäftigten mit der Situation "Corona und Arbeit" umgehen, lesen Sie hier.
  • Foto: JP
  • hochgeladen von Janutschka Perdighe

Anders als während des ersten Lockdowns im Frühjahr, sind die Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) nicht geschlossen. Der Aufforderung der Bundesregierung, die Arbeitnehmer möglichst ins mobile Arbeiten zu schicken, sollen auch die Einrichtungen für Menschen mit Behinderung folgen. So auch in den Werkstätten der Albert-Schweitzer-Einrichtungen Dinslaken (ASE).

Die Beschäftigten der ASE haben die Möglichkeit, Arbeitspakete nach Hause oder in die Wohngruppen zu bekommen. In der Abteilung Verpackung und Montage I zum Beispiel, nehmen ca. 30 Prozent der Beschäftigten das Angebot an. Die Arbeiten sind dann, je nach Auftrag, das Zusammenbauen der ASE-Eigenprodukte wie die beliebten Männerhandtaschen oder Auftragsarbeiten wie das Verpacken von Schraubenbeuteln. Doch in der Praxis zeigt sich, dass 75 Prozent der Beschäftigten zur Arbeit in die Werkstatt kommen möchten.

Lidija Vlainic, Beschäftigte der ASE-Werkstatt, arbeitet an der Zentrale der Hauptwerkstatt. Sie kommt gerne zur Arbeit und fühlt sich aufgrund der Hygieneregeln sicher. | Foto: JP
  • Lidija Vlainic, Beschäftigte der ASE-Werkstatt, arbeitet an der Zentrale der Hauptwerkstatt. Sie kommt gerne zur Arbeit und fühlt sich aufgrund der Hygieneregeln sicher.
  • Foto: JP
  • hochgeladen von Janutschka Perdighe

Lidija Vlainic meistert die täglichen Herausforderungen in der ASE-Werkstatt. „Für mich und meine Psyche ist es wichtig, dass ich arbeiten kommen kann“, berichtet sie. In der Werkstatt habe sie gute Ansprechpartner, die sie schon lange kennt. „Ich werde ernst genommen.“ Denn Ängste und Gedanken sind auch bei ihr ein ständiger Begleiter. Frau Vlainic arbeitet in der Zentrale der Hauptwerkstatt, außerdem ist sie Vorsitzende des Werkstattrates. Sie hat ihr eigenes Büro und gehört zu den wichtigen Bausteinen im Unternehmen.
Die ASE passt ihr Hygiene- und Sicherheitskonzept immer wieder den Vorschriften an. Darüber hinaus können allen Mitarbeitenden und Beschäftigten seit Ende November Schnell-Tests wahrnehmen. In der Werkstatt gilt natürlich FFP2-Masken-Pflicht und die Abstandsregeln werden streng kontrolliert.

Soziale Kontakte und Ablenkung durch die Arbeit
„Im Rückblick auf das vergangene Jahr fühle ich mich in der Werkstatt gut aufgehoben und verstanden“, so Frau Vlainic weiter. Es ist wichtig für die Menschen, eine Aufgabe zu haben, sonst drehen sich die schlechten Gedanken im Kreis. „In manchen Momenten wünsche ich mir einen dicken Panzer, so dass nichts an mich dran kommt“, sagt sie und lächelt.
Ins mobile Arbeiten möchte Frau Vlainic nicht: „Ich komme gern zur Arbeit. Hier habe ich meine sozialen Kontakte und Ablenkung durch die Arbeit. Wir sprechen ja auch nicht nur über die Krise, wir lachen und machen Scherze – dass tut mir gut.“

Magdalena Plesch arbeitet gerne im Betriebsbüro der ASE-Werkstatt. | Foto: JP
  • Magdalena Plesch arbeitet gerne im Betriebsbüro der ASE-Werkstatt.
  • Foto: JP
  • hochgeladen von Janutschka Perdighe

Magdalena Plesch arbeitet als Beschäftigte im Büro und ist Frauenbeauftragte in der ASE-Werkstatt. Frau Plesch arbeitet hauptsächlich am PC, sie nimmt Anrufe entgegen und kümmert sich um die Abarbeitung von Verwaltungsaufgaben im Betriebsbüro.
„Im Mai, als die Werkstatt wieder öffnete, war die Situation anders als gewohnt. Aber die Maßnahmen, die ergriffen wurden, waren gut umgesetzt“, erzählt sie. Angst sich mit dem Corona-Virus anzustecken hat sie nicht, denn: „Die Hygiene-Regeln sind sehr gut. Vor Weihnachten habe ich dann den Zugang fürs mobile Arbeiten bekommen. Zwei Tage in der Woche habe ich von zu Hause gearbeitet.“ Als Frauenbeauftragte ist sie auch Ansprechpartnerin für die Frauen in der Werkstatt. Zwar können die Sprechstunden im Moment nicht stattfinden, trotzdem haben die Frauen das Recht, von der Dienstleistung Gebrauch zu machen. „Die Beratung geht jetzt übers Telefon oder in kleinen Gruppen unter den geltenden Abstands- und Hygieneregelungen.“ Auch Frau Plesch nutzt die freiwillige Schnelltestung in der ASE-Werkstatt: „Wenn das Ergebnis negativ ist, freue ich mich. Ich vermeide trotzdem so gut es geht Kontakte.“
Die Arbeit in der Werkstatt, ob im Büro oder von zu Hause ist wichtig für Frau Plesch. „Es ist ein schönes Gefühl gebraucht zu werden und gute Ergebnisse zu erzielen.“

Salih Topcu am Pförtnerhäuschen der ASE-Werkstatt an der Nikolaus-Groß-Straße in Dinslaken. Er kontrolliert den Besucher- und Anlieferungsverkehr und freut sich, die Kollegen am Arbeitsplatz zu sehen. | Foto: JP
  • Salih Topcu am Pförtnerhäuschen der ASE-Werkstatt an der Nikolaus-Groß-Straße in Dinslaken. Er kontrolliert den Besucher- und Anlieferungsverkehr und freut sich, die Kollegen am Arbeitsplatz zu sehen.
  • Foto: JP
  • hochgeladen von Janutschka Perdighe

„Manchmal fühle ich mich allein“
Auch Salih Topcu arbeitet gern in der ASE-Werkstatt: „Für mich und meinen Alltag ist es wichtig, dass ich zur Arbeit kommen kann. Zwar vermisse ich es, meinen Kollegen die Hand zu geben und in den Arm zu nehmen und mir fehlen die Veranstaltungen hier in der Werkstatt.“ Denn sowohl der Advents-Zauber im letzten Jahr, als auch die beliebte Karnevalsfeier in diesem Jahr, mussten Corona-bedingt ausfallen. Doch Herr Topcu lässt sich nicht unter kriegen. „Ich mache jede Woche den Corona-Schnelltest. Das gibt mir ein besseres Gefühl. Die Arbeit in der Gruppe macht mir Spaß.“ Er erzählt auch, dass er viele Nachrichten schaut, um sich über das Corona-Virus zu informieren. „Ich mache mir schon Gedanken, wie die Krise die Menschen beeinflusst. Manchmal fühle ich mich allein und die vielen Corona-Toten auf der Welt machen mir Angst.“ Doch in der ASE-Werkstatt fühlt er sich gut aufgehoben. Herr Topcu macht mehrmals die Woche Pausendienst. Er kontrolliert die Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln auf den Fluren und im Außenbereich. Außerdem hilft Herr Topcu bei der Kontrolle des Besucherverkehrs in der Hauptwerkstatt an der Nikolaus-Groß-Straße. „Wenn ich Redebedarf habe, weiß ich, dass ich in der Werkstatt immer einen Ansprechpartner finde. Ein baldiges Ende der Pandemie wünsche ich mir sehr.“

BBB-Teilnehmerin Sandra Tilgner und Bildungsbegleiter Daniel Sadowski beim Arbeiten am IPad.  | Foto: JP
  • BBB-Teilnehmerin Sandra Tilgner und Bildungsbegleiter Daniel Sadowski beim Arbeiten am IPad.
  • Foto: JP
  • hochgeladen von Janutschka Perdighe

Tablets stehen zur Verfügung
Pascal Buchholz ist 20 Jahre alt und Teilnehmer im Berufsbildungsbereich der ASE-Werkstatt. Wie er die Zeit während der Pandemie fühlt und wie das Lernen stattfindet, berichtet er so: „Nach der Ankunft in der Werkstatt schauen wir gemeinsam die aktuellen Nachrichten und sprechen mit unseren Bildungsbegleitern darüber.“ Der Berufsbildungsbereich ist die Zeit der beruflichen Orientierung und Qualifizierung, also was kann ich und wo möchte ich zukünftig arbeiten. Für das Lernen stehen in diesem Bereich iPads zur Verfügung. „Wir nutzen Google Classroom, nach dem Einloggen stehen verschiedene Bereiche zur Verfügung: Lern-, Arbeits- und Schulungsbereich und für die Bildungsnachweise. „Es macht viel Spaß mit den iPads zu arbeiten. Wir nutzen Classroom für Arbeitsblätter, Unterweisungen und zum Schreiben der Bildungsnachweise.“ Anfang März geht es dann für die Teilnehmer in die verschiedenen Arbeitsbereiche der ASE-Werkstatt. Pascal wird ein Praktikum im Garten – und Landschaftsbau antreten. Sein IPad steht ihm auch dann noch für Schulungszwecke zur Verfügung.

Aussichten machen Hoffnung
Wie in der Kalenderwoche 9 von der Regierung beschlossen, können schon bald die Corona-Schutz-Impfungen für die Beschäftigten und Mitarbeitenden von Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) beginnen. Die Aufklärungskampagne der Werkstatt läuft bereits auf Hochtouren. Für die Beschäftigten wurden Info-Broschüren und Aufklärungsbögen in Leichter Sprache erstellt und gedruckt, in Gruppengesprächen konnten offene Fragen gestellt werden, die von der Betriebsärztin der ASE und Lebenshilfe per Video beantwortet werden. „Die Bereitschaft, das Angebot der Schutzimpfungen gegen das Corona-Virus wahrzunehmen, ist gegeben. Im letzten Jahr wurden in der ASE-Werkstatt zahlreiche Arbeitsschutzmaßnahmen umgesetzt. Nun haben wir die Aussicht auf die baldige Impfung, dass macht uns allen große Hoffnung“, so Christiane Frerigmann, Werkstattleitung für Rehabilitation.

-------------------------------------------------------------------------------------------

Mehr über die ASE-Werkstatt
Über 40 Jahren gibt es die Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) in Dinslaken bereits. Die Werkstatt bietet Menschen mit Behinderung eine bunte Palette an interessanten Bildungsangeboten, Arbeitsfeldern und Möglichkeiten zur Teilhabe am Arbeitsleben. Auf fünf Standorte sind verschiedene Arbeits-Bereiche aufgeteilt. Zu den Bereichen zählen die Wäscherei, der Grüne Bereich, die Verpackung und Montage, die Schreinerei, der Bereich Metall und die Schneiderei. Die ASE-Werkstatt zählt mit 800 Mitarbeitern mit und ohne Behinderung, zu den größten Arbeitgebern in Dinslaken. Mehr Informationen unter www.ase-dinslaken.de.

Autor:

Janutschka Perdighe aus Dinslaken

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

3 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.