Das Museum am Ostwall ist mein Zuhause !

Brief von Monika Drahtler

Sehr geehrte Mitglieder des Rates,

die für mein Interesse und meine große Liebe zur Kunst wichtigsten Schlüsselerfahrungen habe ich - Dank einer Kunstlehrerin zur Gymnasialzeit - im Museum am Ostwall sammeln können. Voller Begeisterung und Enthusiasmus besuchte sie mit uns dort Ausstellungen, die der damaligen Schulleitung gewiss nicht 'ins Konzept' passten (nähere Erläuterungen möchte ich mir an dieser Stelle ersparen).

Wir haben sie dafür geliebt und sind auch mit dem Gebäude immer emotional und physisch verbunden geblieben.

Meine eigenen drei Söhne haben während ihrer Schulferien oftmals Kurse im Museum am Ostwall belegt und die Atmosphäre dort geliebt. Gerne habe ich sie dafür über die Jahre verteilt mehrere Wochen quer durch Dortmund kutschiert - war es auch für mich eine Gelegenheit, wieder mal 'das Museum' und die Kommunikation mit Gleichgesinnten zu geniessen.

Während meiner aktiven Zeit als Lehrerin und als Mentorin war das Museum am Ostwall für uns eine hervorragende innerstädtische Adresse für Besuche mit Schulklassen im Rahmen des Kunstunterrichtes, von Projektwochen oder bei Examensvorbereitungen. Ein Klassensatz Arbeiten, die im Anschluss an die Alexej von Jawlensky Ausstellung: Reisen Freunde Wandlungen 1998 in einer dritten Grundschulklasse entstanden sind, haben u.a. erstaunte Besucher eines privaten Museums in Dortmund begeistert. Die 'Meditationen' erfreuen unsere Gäste, meine Familie und mich bis heute in meinem Arbeitsbereich. Und bei jedem Gespräch darüber fällt der Name des Museums am Ostwall und werden unterschiedlichste Erinnerungen ausgetauscht!

Ehemalige Schülerinnen und Schüler (die familiär niemals zu einem Museumsbesuch aufgebrochen wären) sprechen mich noch heute mit großer Freude auf die Besuche am Ostwall an und schreiben ihnen ihren wachen Blick für künstlerische Interventionen im Stadtbild und ihre Freude an Museumsbesuchen zu.

Was bleibt, weiß niemand - aber dass etwas bleibt, habe ich immer wieder erfahren!

Es bleiben die in der Kindheit und Jugend gemachten haptischen, visuellen, spirituellen, emotional positiv besetzten Erfahrungen und Inhalte. Sie binden Menschen an 'ihre Stadt', sie bilden Wurzeln aus, sie haben 'Erinnerungswert', sie knüpfen das 'unsichtbare Band der Zugehörigkeit zu einem Ort', sie lösen 'meine persönliche Stadt' aus dem Einheitsbrei aller Städte . . . - sie motivieren und befähigen mich, für 'meine Stadt' zu streiten und mich zu engagieren.

Ein Beispiel:
Der Abriss der Stadt- und Landesbibliothek am Alten Markt versetzte mir persönlich einen tiefen Stich ins Herz. Hatte ich doch als Kind (ich glaube, ich war 9 Jahre alt) bei einem Wettbewerb zum Thema 'Mein Lieblingsgebäude in Dortmund' das 'Mosaik des unbekannten Fliesenlegers' liebevoll gezeichnet und damit einen Buchpreis (Pinocchio) gewonnen. In der Zwischenzeit sind Jahrzehnte vergangen und doch erinnere ich mich an die Situation des Zeichnens bei meiner Großmutter, an die Bekanntgabe der Gewinner, das Aussehen des Buches - und an den Schmerz, den ich beim Einschlag der Abrissbirne 1998 verspürte. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass mit dem Fall des Gebäudes auch die beiden Arbeiten der Dortmunder Künstler Rutenhofer/Dreimann (die bei Rundgängen mit meinen Schülerinnen und Schülern zur Dortmunder Stadtgeschichte immer besprochen wurden) von der Bildfläche verschwanden und sang- und klanglos auf dem Müll landeten!!! Soweit zum Verhältnis Politik/Kommerz und Wertschätzung der Kunst . . .

Ein weiteres Beispiel:
Vor dem Abriss des Hotels Rombergpark und der Gebäude der Wirtschaftsschulen für Hotellerie und Gastronomie Dortmund WIHOGA am Rombergpark 2008 besorgte ich mir aus dem Antiquitätenhandel die Originalausgabe der 'Bauwelt', in der die hohe architektonische und konstruktiv innovative Qualität des Gebäudes in noch höheren Tönen gelobt wurde. Hat irgendjemand aus den 'Entscheidungsgremien' beim Einschlag der Abrissbirne auch diesen Schmerz in der Herzgegend verspürt . . . ? Soviel zum Thema 'Politik/Kommerz 'und erhaltenswerte Baukultur . . .

Um auf das ehemalige Museum für Moderne Kunst am Ostwall zurück zu kommen:

" . . Dieses intakte, funktionierende Haus , in dem Sie jetzt zu Gast sind, ist das älteste nichtsakrale Gebäude innerhalb des Wallrings und immer noch das zentrale Kunstmuseum der Stadt. Alle bedeutenden Künstler der Republik haben hier ausgestellt ...stellvertretend für alle anderen möchte ich nur zwei Künstler mit internationalem Renommé nennen , Joseph Beuys und Martin Kippenberger, übrigens ein Sohn dieser Stadt.
Dieses Haus ist das erste Nachkriegsmuseum für Moderne Kunst in Deutschland und das erste Museum, dass das Konzept der großflächigen Einzelhängung vor einer weißen Wand verfolgte.

Dieses Museum ist lange Zeit mein Zuhause gewesen, für all das, was ich sonst weder in meiner Familie noch in dieser Stadt gefunden habe. Mir ging es wie Benjamin Reding, der Sohn Joseph Redings und in Dortmund aufgewachsener Filmregisseur: Benjamin Reding schreibt . "In meiner Kindheit und Jugend war das Museum am Ostwall für mich so etwas wie eine blühende Insel der Kultur im aschgrauen Asphalt des Ruhrgebiets der Siebziger. Das stille Haus mit dem wundervollen Garten, seinem großzügigen Lichthof, den Kieselböden, der Gabel-Plastik von Wolf Vostell und den mechanischen Zähneputzern hat mich tief beeindruckt...". Hier konnte man Fluxus-Kunst kennen lernen, ohne überhaupt zu wissen, was das ist.
. . .
Auf dem aktuellen 2.Dortmunder Manifest gegen Gewalt und Hass, Nazismus und Faschismus, an 1.Stelle unterschrieben vom OB , steht zu lesen: Wir haben die richtigen Denkmäler, die unsere Kinder mahnen.
Was ist, wenn wir diese Denkmäler abreissen und ein weiteres , gesichts-und geschichtsloses Gebäude an seine Stelle setzen ?
Wer mahnt unsere Kinder und Enkelkinder ? Welche Bilder hinterlassen wir ihnen ?

Dieser Weitblick des Rates der Stadt der Dortmund im Jahre 1947 scheint der heutigen Politikergeneration abhanden gekommen zu sein." Zitat: Uta Rotermund am 26.01.2014 in ihrer Rede zur Erhaltung des ehemaligen Museums für Moderne Kunst am Ostwall in Dortmund

Besser kann ich es nicht in Worte fassen.

Ich hoffe, dass Dortmund nicht noch ein Gebäude verlieren wird, das für viele Menschen in vielen persönlichen Facetten prägend war.

Ein 'Zuhause' (s.o. Benjamin Reding), an dem zahllose Erinnerungen und Erwartungen hängen weil in den Räumen der Geist von Toleranz und Akzeptanz, von Widerspruch und Wagemut, von unbändiger Schaffenskraft und großer Freude am kulturellen Leben zu Hause waren, sollte auch in Zukunft ein Start- und Ankerpunkt sein dürfen!

Wer ein solches Zuhause aus trivialen Gründen aufgibt, verliert seine Wurzeln und kappt letztendlich die Lebensader für die Zukunft!!!

Monika Drahtler

Autor:

Uta Rotermund aus Dortmund-City

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