Regionalliga: Borbecker rüttelt an der Relegation

Gegen die Relegation in Liga 4! Die Aufstiegsrunde ist vielen Regionalliga-Fans ein Dorn im Auge: Über 2.500 Unterzeichner, darunter viele RWE-Anhänger, unterzeichneten die Online-Petition. Dieses Banner war im Heimspiel gegen Aachen zu sehen.Foto: Gohl
  • Gegen die Relegation in Liga 4! Die Aufstiegsrunde ist vielen Regionalliga-Fans ein Dorn im Auge: Über 2.500 Unterzeichner, darunter viele RWE-Anhänger, unterzeichneten die Online-Petition. Dieses Banner war im Heimspiel gegen Aachen zu sehen.Foto: Gohl
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Stell‘ dir vor, dein Verein wird überlegen Meister – und bleibt trotzdem sitzen. Schon im Vorfeld der Regionalliga-Reform für die Spielzeit 2012/2013 graute es Fans vor diesem Szenario. Für die Anhänger von Regionalligist Sportfreunde Lotte ist dieser Alptraum bekanntlich Realität geworden. Ausgerechnet ein glühender Rot-Weiss-Fan rüttelt nun an den noch frischen Grundfesten der vierthöchsten Spielklasse.

Natürlich schwingt bei Sebastian K. die Angst mit, „seinem“ RWE könnte irgendwann dasselbe Schicksal ereilen. Der Traditionsklub von der Hafenstraße tritt in dieser Saison mit dem Anspruch an, einen Platz unter den ersten Drei zu erobern. Ausschlaggebend sei aber tatsächlich der Nichtaufstieg der Truppe vom Tecklenburger Autobahnkreuz gewesen. In der Relegation scheiterten die Sportfreunde an RB Leipzig. Die Mannschaft unter dem mittlerweile nach Osnabrück abgewanderten Maik Walpurgis egalisierte vor heimischen Publikum die 0:2-Hinspielniederlage, bis in der Nachspielzeit der Traum von der 3. Liga zerplatzte.

86 Punkte reichen
nicht für den Aufstieg

Nun sind Essener Anhänger nicht besonders gut auf die Sportfreunde zu sprechen – man denke an die verbalen Scharmützel nach der rot-weißen „Wettaffäre“. Ein solches Ausscheiden wünscht man aber nicht mal seinem ärgsten Konkurrenten. „Ich habe Mitleid mit Lotte gehabt. Das gebe ich offen zu“, sagt Sebastian. Schließlich spielten die Blauen die perfekte Runde, die notwendig ist, um sich im ohnehin engen Hauen und Stechen in der Regionalliga-West durchzusetzen. 86 Punkte sind eine Hausnummer. Immerhin knackten die Sportfreunde (die freilich vier Partien mehr absolvierten) den Chemnitzer Rekord von 82 gesammelten Punkten aus der Saison 2010/11. Eine Marke ohne Wert.

Dabei meinte der DFB es mit seiner Regionalliga-Reform doch nur gut. Aus drei Staffeln (Nord, West und Süd) wurden fünf (Nord, Nordost, West, Süd-West und Bayern). Mehr Derbys und kürzere Anfahrtswege für klamme Klubs – mit diesen Argumenten redeten die Entscheider die Münder der Konsumenten wässrig. Im Falle der aktuellen West-Staffel darf man behaupten: Selten war eine Regionalliga attraktiver. Rot-Weiss Essen, Alemannia Aachen, Rot-Weiß Oberhausen, Fortuna Köln, SG Wattenscheid und der KFC Uerdingen tummeln sich im Sammelbecken der Traditionsvereine, mit Lotte und der Viktoria aus Köln plantschen zwei ambitionierte Vereine kräftig mit.

Kein Wunder, bemängeln Kritiker. Nur ein Team darf den Sprungturm erklimmen. Und selbst dann kann ihm der Absprung in den Profifußball verwehrt bleiben. Fünf Regionalliga-Meister und der Vize der Staffel mit den meisten Vereinen balgen um drei Startplätze in Liga drei. Wenn sie denn wollen. In Bayern winkte das zwischenzeitliche Führungstrio aus Illertissen, TSV Buchbach und Seligenporten ab. Lediglich vier Teams der Freistaat-Staffel reichten Lizenzunterlagen ein: Es handelte sich um die Zweitvertretungen der Bundesligisten aus München, Nürnberg und Fürth. Eine Meldung wie Wasser auf die Mühlen der Kritiker, die die Reform für eine Totgeburt halten.

„Sportlich fair ist anders“, findet nicht nur der RWE-Fan. „Die Regionalliga ist die einzige Spielklasse in Deutschland, in der ein zum Saisonende erstplatzierter Verein nicht direkt aufsteigt.“ Kurz nach der Relegationsrunde startete der 24-Jährige eine Internetpetition, deren Ziel die Abschaffung der Aufstiegsrunde ist. Innerhalb kürzester Zeit fand die Petition 2.500 Unterzeichner. Zuletzt aber stagnierte die Zahl etwas.
Zusammen mit seinem Bruder Julian suchte der Borbecker, der eigenen Angaben nach „kein organisierter Fan“ ist, nach Möglichkeiten, seiner Forderung „Meister müssen aufsteigen“ mehr Nachdruck zu verleihen: „Kurz nach meiner Petition wurde im sozialen Netzwerk Facebook die Gruppe ‚Gegen die Relegation in Liga 4’ gegründet. Der ursprüngliche Administrator zog sich schnell zurück. Da haben wir die Gruppe übernommen.“ Gemeinsam mit Frank Schulz aus Köln, seines Zeichens Viktoria-Fan, reifte der Entschluss, die Petition aus den Tiefen des Netzes heraus in die Regionalliga-Stadien zu tragen.

Inzwischen sind die ersten Kontakte geknüpft. Ein Fanklub des KSV Hessen Kassel beispielsweise erkläre sich bereit, Unterschriften zu sammeln. Und auch in Essen steigen Fangruppierungen in den Tenor ein. Sogar RWE-Präsident Michael Welling habe Unterstützung zugesichert. „Wir dürfen unsere Unterschriftenlisten im Fanshop am Stadion Essen hinterlegen“, so Sebastian „Sobald die Listen der Initiative ausliegen, gibt es von RWE eine Info“, bestätigt Geschäftsstellenleiter Detlev Jaritz via Facebook.

Petition besitzt keinen amtlichen Charakter

10.000 Unterschriften wollen Sebastian und seine Mitstreiter sammeln, bevor sie an DFB-Präsident Wolfgang Niersbach und die Vorsitzenden der für die Regionalligen zuständigen Ligaverbände übergeben werden sollen. Wohl wissend, dass die Unterschriften nicht mehr als ein Meinungsbild auf den Rängen widerspiegeln. Die Petition besitzt keinen amtlichen Charakter, ist nicht ansatzweise mit einem Bürgerbegehren vergleichbar. Man ist auf die Einsicht der Sportfunktionäre angewiesen.

Was der Petition ebenfalls abgeht, ist eine schlüssige Alternative zur Relegationsregelung. Sollen es künftig fünf direkte Aufsteiger sein? Oder doch eine erneute Reduzierung der Staffeln bei gleichzeitiger Installation einer eigenen Liga für die Bundesliga-Zweitvertretungen? Bereits auf dem DFB-Bundestag 2010 in Essen diskutierten die Teilnehmer auf Vorschlag des Westdeutschen Fußball- und Leichtathletikverbandes die so genannte „2+1“-Reform, bevor sich der jetzige Modus durchsetzte. „Ich persönlich bin mir da nicht ganz schlüssig“, gesteht Sebastian. Noch ist die Initiative dabei, aus den Kinderschuhen herauszuwachsen.

Autor:

Patrick Torma aus Essen-Nord

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