Theater im Blickpunkt: Goodbye Ruhrgebiet - Meiers wagen's!

Wer kennt‘s nicht: Die Jugendlichen, die lieber Slang als Deutsch sprechen, die Situationen in denen man sich im eigenen Land ganz fremd vorkommt. Doch ist Auswandern des Rätsels Lösung? Sigi Domke hat‘s noch einmal gemacht: Er hat dem Theater Freudenhaus, Westfalenstraße 311, eine Gesellschaftskomödie geschrieben, die bestens unterhält, aber auch zum Nachdenken anregt.
Helmut Meiers ist es nun endgültig leid! Er wird als Polier beurlaubt, weil die Kollegen ihn nicht mehr verstehen - und er sie auch nicht. Er ist nämlich einer von genau zwei Deutschen, die auf einer Baustelle Hand in Hand arbeiten sollen. Als dann auch noch im heimischen Wohnzimmer, wo sich ohnehin die skurrilsten Typen regelmäßig versammeln, Teddy breit macht und seinem Töchterchen Vivian den Hof macht, ist für Helmut Meiers das Ende der Fahnenstange erreicht.
„Ist der anders?“, will Familienoberhaupt Helmut vom Töchterchen wissen. „Nee“, antwortet die. „Der spricht nur so. Das ist doch voll cool!“ Cool findet Meiers den türkischen Teddy-Style ganz und gar nicht - eher befremdlich. Und als dann noch Gattin Iris (Birgit Pacht) bei „Aldidl“ von jetzt auf gleich entlassen wird, steht sein Entschluss fest: „Familie, wir wandern aus!“. Schnell werden die Habseligkeiten gepackt, die Omma überzeugt und ab geht‘s nach Lappland, weil es da die wenigsten Ausländer gibt.
Den Einwand von Vivian, die eine bestens aufgelegte Stefanie Otten mimt und damit einmal mehr ihr komödiantisches Talent unter Beweis stellt, dass man unter Lappen doch auch fremd sei, lässt das Familienoberhaupt nicht gelten. Warum auch? Schließlich bekommt Vivian außer Schule schmeißen und Jungs aufreißen nicht allzuviel gebacken.
In Lappland angekommen, dreht Omma Hilde (Lore Duwe-Scherwat) so richtig auf. Baut sich ihre eigene Zeche und begeistert die Finnen mit ihrem Charme.
Im Gegensatz zu Iris und Helmut, hat sie schnell Kontakte geknüpft. Lore Duwe-Scherwat zeigt als tüddelige Omma, die in der Vergangenheit lebt und immer noch meint, mit ihrem Karl unter Tage zu fahren, wieder, warum sie für das Ensemble unverzichtbar ist: Sie ist einfach Steeles grande Dame und verzaubert das Publikum mit ihrer unverwechselbaren Gestik und Mimik.
Dass Helmut jetzt im dunklen Finnland der Ausländer ist, macht ihm, der sich weigert, auch nur ein Wort Finnisch zu lernen, mächtig zu schaffen und er erhört den Wunsch seiner Familie, das Unternehmen Auswandern als Heimkehrer zu beenden. Da hat Vivian sich aber schon einen Lappen geangelt und Omma fühlt sich pudelwohl. Wie gut, dass die alte Pütt-Kontakte in aller Herrenländer hat. Zwar gibt‘s ein Happy-End für die Meiers in der Fremde, das hat aber eher mit Glück und nicht mit der Änderung ihrer Ansichten zu tun. Ein glückliches Ende bleibt‘s trotzdem - und sensibilisiert fürs Thema des Aus- und Einwanderns. Eine tolle Komödie aus der Feder von Sigi Domke, die Regisseur Thos Renneberg mit viel Witz inszeniert hat. Unterhaltsam bis zum Schluss vor allem dank eines brillanten Simon Jakobi, der zunächst als Teddy Brötzmann eine absolute Punktlandung hinlegt und später in der Rolle des finnischen Lehrers das absolute Gegenteil des coolen Checkers zeigt. Und nicht zu vergessen Frank Schneider, der wieder einmal als Ruhrpott-Original nicht nur mit einwandfreiem Ruhrdeutsch punktet, sondern in seiner Rolle als Helmut Meiers voll aufgeht.
Dank des unverwechselbaren Ensembles ist „Unter Lappen“ ein echter Tipp für graue Herbstabende!

Autor:

Mareike Schulz aus Essen-Steele

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