2. Internationale Ballettgala in Gelsenkirchen

Die wohl beste Schau des Abends bot Sabrina Brazzo, ehemalige erste Solistin an der Mailänder Scala mit „Steel“. | Foto: Pedro Malinowski / MiR
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  • Die wohl beste Schau des Abends bot Sabrina Brazzo, ehemalige erste Solistin an der Mailänder Scala mit „Steel“.
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Viele Stars der internationalen Ballettszene gaben sich am Samstag die Ehre auf der Bühne des großen Hauses des Musiktheaters im Revier (MiR). Nie aus den Augen verloren wurde dabei der Grund für das Staraufgebot: die theaterpädagogische Arbeit mit Kindern aus der Stadt.

Dass es Kinder gibt, die noch nie ein Theater von innen gesehen haben, noch nie erlebt haben wie es ist, ein Orchester live zu hören, noch nie das Gefühl hatten, dass da auf der Bühne nur für sie eine Truppe ein Stück Kunst präsentiert, ist für viele regelmäßige Theaterbesucher kaum vorstellbar. Die traurige Wahrheit ist jedoch, dass (Hoch-)Kultur immer noch nicht für jeden zugänglich ist - und die Berührungsängste sind groß.

Die Arbeit der Stiftung Musiktheater im Revier

Genau an diesem Punkt setzt die Stiftung Musiktheater im Revier ein, die mit ihren theaterpädagogischen Projekten wie „Mission Possible“, Kita macht Theater“ oder „Oper aus dem Koffer“ junge Menschen spielerisch an die Welt des Theaters heranführt, ihrer Fantasie Raum gibt und Ihnen Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl vermittelt - schließlich findet Kultur nicht nur auf der Bühne, sondern vor allem in einer Gesellschaft statt.

Das Ballett im Revier (BiR) hat, nach dem großen Erfolg der letzten Ballettgala, zum zweiten Mal eine solche veranstaltet. Da alle Mitarbeiter - vom Künstler bis zum Kartenabreißer - an diesem Abend auf ihre Gage, beziehungsweise Vergütung, verzichteten, ging der Reinerlös des Abends an die Stiftung, damit laufende und zukünftige Projekte finanziert werden können.

Berührend, atemberaubend, spektakulär und traumhaft schön

Und was sich dem Publikum darbot, war nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes einmalig, sondern auch berührend, atemberaubend, spektakulär und traumhaft schön; ein Highlight für jeden Ballettfan und ein besonderes Erlebnis für alle Ballett-Neulinge. Charmant und mit viel Gespür für Komik führte Generalintendant Michael Schulz durch den Abend.

Die einzelnen Acts

Eröffnet wurde mit der wohl schwächsten Darbietung des Abends: Fünf Tänzer des Aalto-Balletts aus der Nachbarstadt Essen tanzten ein Pas de Cinq aus "Giselle" in einer Choreografie von David Dawson. Scheinbar unterscheiden sich die Bühnen der geografisch nahen Häuser jedoch sehr, denn neben einem Sturz sah das Publikum auch viele verpatzte Landungen und Hebefiguren. Einzig und allein Adeline Pastor, erste Solistin ihrer Kompanie, bewegte sich einwandfrei in der fremden Umgebung. In der nächsten Saison wird "Giselle" übrigens vom Ballett im Revier in derselben Choreografie auf die Bühne gebracht.

Schwedisches Ballett begeistert

Nadja Sellrup und Jens Rosén vom Royal Swedish Ballet durfte das Publikum gleich zweimal feiern: "Pointless Pastures" und "Altro Canto" waren zwei sehr moderne, viel umjubelte Choreografien, welche die beiden Schweden mit tadelloser Leichtigkeit und beispielhafter Körperbeherrschung auf die Bühne brachten. Besonders beeindruckt waren Besucher von "Altro Canto", ein Pas de deux fast ohne Körperkontakt. Die beiden Solisten stachen auch durch ihr punktgenaues Zusammenspiel hervor - da wurden die von Karl Lagerfeld designten Kostüme eher nebensächlich.

Emotionales Highlight: "Consequence"

Herzzerreißend schön tanzten Suzanna Kaic und Sebastién Galtier vom Niederländischen Nationalballett (Amsterdam) in Juanjo Arques' Choreografie "Consequence". Die beiden boten eine atemberaubende Ästhetik zweier Körper, die eins zu sein scheinen. Das Pas de deux, das aus viel Winden und Ringen bestand, wirkte durch eine minimalistische Beleuchtung noch kraftvoller, als es ohnehin schon war.

Die "T-Shirt-Choreografie"

Unter dem Motto "It takes two to Tango" glänzten Francesca Berruto (Ballett im Revier) und Alexander Zaitsev (ehemaliger 1. Solist Stuttgarter Ballett) in der wohl interessantesten Choreografie ("Come neve al sole", Rolando D'Alesio) des Abends. In der von allen nur "T-Shirt-Choreografie" genannten Tanzeinlage zeigten die beiden Tänzer mit viel Humor und Eleganz, was ein T-Shirt (oder auch zwei) so alles kann.

Ballett im Revier springt ein

Da sich die Prima Ballerina des Ballets in Riga verletzt hatte, konnte ihre Truppe nicht wie geplant mit Bridget Breiners Choreografie "In Honour of" auftreten. Für sie sprangen kurzerhand Kusha Alexi, Joseph Bunn und Petar Djorcevski vom Ballett im Revier ein und begeisterten in der sehr komplexen Choreografie. Mit einem Spotlight sorgten die drei für interessante Schattenspiele und zeigten außerdem die perfekte Symbiose dreier Körper.

Klassisches Ballett par excellence

Aidan Gibson (Ballett im Revier) gab an diesem Abend die Diva unter den Ballerinas und überzeugte mit einem tadellosen Spitzentanz in Marius Pepitas Choroegrafie "Variation aus 'Raymonda', 3. Akt". Wie ein Volta auf Spitze wirkte der Ausschnitt aus dem 1898 uraufgeführten Ballett, dass Gibson in einem traumhaften klassischen Tutu tanzte. Ihre Technik und Ausführung waren dabei perfekt.

Das rote Höschen ist zurück!

Im letzten Jahr begeisterte Joseph Bunn die Damenwelt in einem knappen roten Höschen. In diesem Jahr übernahm Alexander Zaitsev diesen Part. Der Tänzer ist einer der wenigen, welche die Autorisation haben, Uwe Scholz' Choreografie "Notations" zu tanzen. Kraftvoll und bedacht präsentierte Zaitsev Tanzsport auf höchstem Niveau.

Mailänder Scala bietet aufregende Schau

Zu moderner Elektro-Musik mit Operngesang ging es für die ehemalige Solistin der Mailänder Scala, Sabrina Brazzo, an die Stange. Und was sie dort darbot, war beeindruckend und energiegeladen.

Ballettdirektorin Bridget Breiner tanzt ebenfalls

In David Dawsons "On the nature of daylight" glänzten Bridget Briner (Ballettdirektorin des BiR) und Raphael Coumes-Marquet ( 1. Solist des Semperoper Ballett Dresden) in einem wunderschönen, emotionalen Pas de deux, in welchem sie neue Maßstäbe für das synchrone Tanzen eines Paares setzten.

Zum Schluss ein Märchen...

Der Abend endete auf einer neoklassischen Note un einer Deutschen Erstaufführung: "La Valse" nach Musik von Maurice Ravel in einer Choreografie von Lynne Charles tanzte das BiR in langen Tutus ein traumhaft schönes Ensemblestück, dass den Zuschauer in ein Märchen versetzte und beschwingt in den Abend entließ.

Charmante und komödiantische Moderation

Michael Schulz, Generalintendant des MiR, zeigte an diesem Abend wieder einmal sein komödiantisches Können. Charmant führte er durch den Abend und sorgte für so manchen Lacher. Trotzdem überließ er jenen, um die es an diesem Abend eigentlich ging, die Bühne: den Kindern. Neben zwei Videos, die die Arbeit der Theaterpädagogik und die Rolle der Stiftung MiR dabei zeigten, interviewte er auch den achtjährigen Maurice, der bereits an zwei Projekten selbst teilgenommen hatte und selbstbewusst und diplomatisch ein guter Botschafter für die Wichtigkeit der kulturellen Bildung für Kinder war.

Fazit: Ein abwechslungsreicher Abend, der Highlight an Highlight reihte und einen wunderbaren Einblick in die Welt des Balletts, aber auch die Theaterpädagogik, ermöglichte.

Autor:

Deborrah Triantafyllidis aus Gelsenkirchen

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