Der WASAG-Deal ,Altlasten wiegen schwer im Kreis

Haushaltsrede von Melanie Kern im Kreistag Recklinghausen

Herr Landrat,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
liebe Zuschauer,

was machen wir hier eigentlich? Meine Vorredner meinen, der Bund sei schuld, das Land sei schuld und der LWL sowieso…Längst ist der Haushalt im Hinterzimmer von der Finanzkommission besprochen worden.. Aber de facto gab es hier doch von vornherein nichts zu bereden.

Sie wissen genauso gut wie ich, dass Sie praktisch keine Entscheidungsgewalt mehr über den eigenen Haushalt haben. Seit Ihre Parteigenossen 2009 die sogenannte “Schuldenbremse” eingeführt haben, können Sie bei jedem Cent auf der Ausgabenseite nur noch beim Land “bitte bitte” machen und hoffen, dass ungewählte Bürokraten ihre Anträge abnicken.

Genau solche Pseudo-Debatten bestärken jeden Tag mehr Bürgerinnen und Bürger darin, dass etwas gewaltig falsch läuft in der Politik. Aber wenn dann bei Wahlen zweistellige Prozentzahlen für radikale Protestparteien herauskommen, dann ist das Gejammer groß und der böse Wähler ist schuld!

Und die größte Farce: als Grund für diese Entrechtung der Kommunen heißt es allen Ernstes “Generationengerechtigkeit”. Dass ich nicht lache!

Am besten zeigt das Programm mit dem wohlklingenden Namen „Gute Schule 2020“, worum es tatsächlich geht. Gute Schulen wollen wir doch alle. Aber in der Praxis nimmt uns die rot-grüne Landesregierung erst unsere Einnahmen weg, und wenn wir im Kreis die dann wenigstens anteilig wieder haben wollen, dürfen wir brav Anträge auf wohlklingende “Fördertöpfe” stellen. Herzlichen Dank auch. Und darüber entscheiden dann keine Volksvertreter, sondern die NRW-Bank. Nach rein monetären Gesichtspunkten. Ich sage nur “Stärkungspakt” – noch so eine Neusprech-Schönfärberei – während uns hier seit Jahren der Sanierungsbedarf über den Kopf wächst.

Aber wenn wir uns schon auf solche Spielchen einlassen, könnte man ja wenigstens versuchen, die geringen verbliebenen Spielräume auszunutzen. Wie verträgt sich „Gute Schule 2020“ eigentlich mit dem kommenden Projekt von Frau Wanka? Wäre es nicht clever, die Mittel erst noch ein Jahr zu schieben und abzuwarten, was tatsächlich noch vom Bund kommt? Schließlich beschränkt sich das Programm des Bundes ausschließlich auf IT, während man mit dem Landesgeld auch Gebäude sanieren könnte.

Genau solche hingeschluderten Details machen deutlich, dass es Ihnen in Wirklichkeit um was völlig anderes geht als hehre Konzepte wie “Generationengerechtigkeit”. Nein, SPD und CDU wollen kurz vor dem Wahljahr noch mal ordentlich Stimmung machen! Ohne mit der Wimper zu zucken, wird da ganz easy in die Kommunen hineinregiert. Das haben die Altparteien jahrelang eingestielt und ersetzen heute konkrete Projekte und echte Kommunalpolitik mit einem Federstrich durch – wie sagte Herr Portmann gerade so schön – Finanzstrukturen.

Perfider ist nur noch die Landesregierung, die mal eben das ganze Projekt über einen riesigen Schattenhaushalt abwickelt und uns zugleich ernsthaft verkaufen will, dass da noch Reste von Demokratie drin stecken. Tatsächlich hat sie die kommunale Selbstverwaltung faktisch abgeschafft und das alles hier ist reines Schmierentheater.

Zu dieser bewusst herbeigeführten Finanzentwicklung möchte ich mit dem Motto der Landesregierung von letzter Woche nur sagen: HUT AB!

Und der gleiche Wahnsinn spricht aus diesem merkwürdigen WASAG-Deal, den Sie da eingestielt haben. Da wird mal eben die heutige Eigentümerin aus der bodenschutzrechtlichen Haftung entlassen, nachdem sie die Filetstücke gewinnbringend veräußert hat. Für den Steuerzahler verbleiben kontaminierte 209 Hektar. Danke schön, meine Damen und Herren. Danke! Diese “Fahrlässigkeit” erinnert in fataler Weise an Jahrzehnte verfehlter Atompolitik.

Und beim Thema Fahrlässigkeit: Senkung der ÖPNV-Umlage. Unser Kreis gleicht mittlerweile einem Biotop für Stauforscher. Der Flaschenhals A52/A43 wird immer enger. Minister Groschek möchte Testgebiete für autonomes Fahren ausweisen – wir im Kreis Recklinghausen haben ein großes Testgebiet für autonomes Stehen.
Angebracht wäre, den ÖPNV komplett umzubauen. Sozial gerecht, diskriminierungsfrei, behindertengerecht, #fahrscheinfrei. Elektrobusse, bessere Taktung, ein wirklich städteübergreifendes Verkehrs-Konzept – all das streichen Sie mit Ihrer Umlagesenkung.

Und der autonome Stillstand geht beim Millionengrab „newPark“ weiter: Entgegen aller Trends reden Sie sich ein, dass wir hier wieder Massen von Arbeitsplätzen in der Fertigung kriegen. Mit Ihrem „newPark“ steigern Sie höchstens den Flächenverbrauch, werden aber international bald schon wieder nicht mehr konkurrenzfähig sein. Stattdessen sollten wir lieber echte Hightech-Ansiedlungen unterstützen. Die brauchen aber kein Ackerland, die brauchen Bandbreite. Glasfaser! Der Standard liegt 2018 weltweit bei 500 Megabit pro Sekunde. Nur nicht in Deutschland – und schon gar nicht im Kreis Recklinghausen!

www.piratenpartei-recklinghausen.de

Autor:

Uwe Fischer aus Marl

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