„Unsere Rufe sind erhört worden“

Im Mülheimer Rathaus wird nun über den Haushaltsentwurf für 2017 diskutiert.
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Stadtkämmerer Uwe Bonan stellt Haushaltsentwurf für 2017 vor und hofft auf Stärkungspakt

Stadtkämmerer Uwe Bonan präsentierte den Haushaltsentwurf für 2017 und hielt fest: „Unser vorgegebenes Ziel des ausgeglichenen Haushaltes für 2021 ist so nicht darstellbar. Das Defizit läge weiterhin bei 10 Millionen. Es müssen Alternativen her.“

Die Eckdaten des umfangreichen Zahlenwerkes: Die Gesamterträge werden sich erhöhen, mit rund 732,4 Millionen Euro rechnet die Stadt, aber auch die Ausgaben werden deutlich höher liegen, hier dürften 801,38 Millionen Euro zu erwarten sein. Das Haushaltdefizit von 68,98 Millionen Euro ist schnell errechnet. Ein Minus, an das man sich in Mülheim längst gewöhnt hat. Um den Etat wieder auszugleichen, müssen Schulden gemacht werden. Die Kassenkredite beläuft sich aber bereits jetzt schon auf über eine Milliarde Euro: Eine enorme Hypothek, die da den zukünftigen Generationen überlassen wird.

Notmaßnahmen?

Positiv zur Entwicklung beigetragen haben die steigenden Schlüsselzuweisen von Bund und Land, doch hart ins Kontor schlug der völlige Ausfall der RWE-Dividende, die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst. Auch werde die Stadt rund 130 neue Stellen schaffen, davon um die 70, die in den Ämtern für Soziales, Sicherheit und Ordnung in direktem Bezug zur Flüchtlingsfrage stehen. Das Haushaltssicherungskonzept greife, das Einsparvolumen 66,8 Millionen werde 2016 erreicht. Uwe Bonan betont: „Da sind wir auf dem richtigen Weg.“ Eine weitere Option der Haushaltsicherung könnte eine Erhöhung der Elternbeiträge für Kitas und Offenen Ganztag sein: „Die Beiträge wurden viele Jahre nicht erhöht, eine gesetzliche Orientierungsgröße sind 19 Prozent Deckung der Kosten, Mülheim liegt da unter zehn Prozent.“ Als Notmaßnahme sei auch eine temporäre Erhöhung der Grundsteuer um 150 Prozent denkbar, die 2023 wieder zurück genommen würde. Der Haushalt 2021 wäre ausgeglichen, eventuell sogar mit einem schmalen Plus von 300.000 Euro. Doch beides wären höchst unpopuläre Lösungen.

Stärkungspakt

Aber Bonan schwebt anderes vor: „Es gibt noch eine Alternative. Die Teilnahme am Stärkungspakt Stufe 3.“ Verbunden an Auflagen, würde die Konsolidierungshilfe des Landes bis 2020 pro Jahr rund 32 Millionen Euro in die Kassen spülen, danach würde diese Hilfe sukzessive reduziert. Ein Gesamtvolumen von 160 Millionen Euro. Bonan sieht Hoffnung für Mülheim, warnt aber zugleich: „Das ist kein Geschenk, wir müssen hart dafür arbeiten. Denn die Vorgaben des Haushaltssanierungsplans müssen 1 zu 1 umgesetzt werden. Nur wenn wir alle Voraussetzungen erfüllen, fließt das Geld.“ Sein Oberbürgermeister verdeutlicht: „Das ist die Botschaft. Es geht um richtig viel, natürlich gibt es Bedingungen, aber es ist für Mülheim die Chance, Gas zu geben!“ Für die ersten Pakete hätte die Stadt die Bedingungen nicht erfüllt, nun aber sage ein Gutachten: „Mülheim muss da rein!“ Scholten ist Optimist: „Unsere Rufe sind erhört worden. Es wäre völlig unverständlich, wenn Mülheim diese Möglichkeit liegen lassen würde. Allerdings ist hohe Umsetzungsdisziplin nötig.“

Kein Sparwahn

In seiner Haushaltsrede mahnte Oberbürgermeister Ulrich Scholten, die ständige Finanzkrise habe dazu geführt, dass in sehr kleinteiligen Diskussionen um minimale Summen gerungen werde. Der Sparwahn drohe wichtige Dinge zu zerstören, etwa ehrenamtliche Projekte, die Menschen mit Herzblut umsetzen: „Mit mir nicht zu machen!“
Scholten: „Lasst uns in den nächsten Jahren vor allem mit den wirklich wichtigen, mit den strategischen Dingen auseinandersetzen.“ Die Fusion der Mülheimer und Essener Verkehrsgesellschaften sei solch ein strategisches Ziel mit der Perspektive, gemeinsam wirtschaftlicher und schlanker aufgestellt zu sein: „Da steckt Musik drin!“ Die öffentliche Personaldecke sei schon gefährlich dünn: „In den nächsten 15 Jahren verlieren wir fast die Hälfte der Kolleginnen und Kollegen!“ Ulrich Scholten endete mit: „Lasst uns zusammen darauf achten, dass wir uns nicht im Kleinklein verlieren.“
Nun ist der Entwurf eingebracht und setzt in den nächsten Wochen eifrige Diskussionen in Gang. Uwe Bonan machte aber auch deutlich, worauf man sich nicht mehr einlassen wolle: „Reflexartige Ablehnung etwa von Sparvorschlägen oder Erhöhung von Hebesätzen geht zukünftig nicht mehr.“

„Wer bestellt, zahlt“

Mülheim nimmt am Bündnis „Raus aus den Schulden - Für die Würde unserer Städte“ teil, Uwe Bonan ist einer der Sprecher. 68 Kommunen pochen beim Bund auf das Konnexitätsprinzip, ein Grundsatz im Staatsrecht, vereinfacht ausgedrückt: „Wer bestellt, bezahlt“. Auch soll ein Sondertilgungsprogramm zum Abbau überproportionaler Verschuldung die Kommunen entlasten. Ab 2020 könnte auch der ungeliebte Soli-Beitrag wegfallen, jährlich 8,9 Millionen Euro. Eventuell fließe dann umgekehrt Geld nach Mülheim. Zur besseren Streuung der Gläubiger, immer mehr Banken ziehen sich aus der Finanzierung von Kommunen zurück, können Kommunal-Anleihen verhelfen. Andere Städte wie Bochum, Dortmund, Essen hätten gute Erfahrungen gemacht: „Auch wir wollen dieses Instrument nutzen.“

Autor:

Daniel Henschke aus Essen-Werden

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