DAS HANDY (Monolog eines alten Schauspielers)

Wenn ich die Figuren, die ich darstellen soll, nicht aus ihrem Theater-Schlaf erwecke, rächen sie sich an mir wie ein Alptraum rätselhafter Bilder.
Dann werfen mich diese Figuren einfach auf die Bühne wie in ein leeres Zimmer, in dem sie mich einschliessen.
Aber selbst, wenn ich diese Figuren nicht sehe, weiß ich trotzdem, dass sie hier auf mich warten, so wie die Bühnenbretter, die unter meinen Schritten knarren. Aber so dunkel wie es ist, vermute ich, dass diese Schlafwandler hier auch noch die Sicherung herausgedreht haben.
Wie soll ich also mit dieser künstlichen Nacht, die mich mit ihrer Schwärze provoziert, umgehen?
Ich sehe keine Orientierungspunkte, nach denen ich mich richten könnte. Und es gibt kein Kruzifix, das über mein Glück wacht.
Meine Augen jedenfalls können die Dunkelheit nicht durchdringen und Sie, ja Sie, da unten im Saal sehe ich ohnehin nicht. Selbst dann nicht, wenn ich meine Augen reibe, als sei ich gerade erst erwacht.
Wenn ich mich aber an das letzte Mal erinnere, als ich hier auf der Bühne stand, dann müssen noch irgendwo Kerzenstummel herumliegen.
Wissen Sie, ich vermute beim Sterben ist die Dunkelheit ohnehin am schwersten zu ertragen.
Was meinen Sie?
Obwohl, selbst wenn es irgendwann so weit kommen sollte, verschliesse ich nicht meine Augen. Ich bleibe einfach wach. Das habe ich mir vorgenommen. Und vielleicht klingelt gerade in diesem Augenblick mein Handy.
Natürlich werde ich dann zu schwach sein den Anruf anzunehmen. Denn warum sollte ich sonst sterben?
Und so klingelt mein Handy unaufhörlich weiter, während meine einprogrammierte Stimme stereotyp den Klingel-Ton unterbricht:
“Mehr Licht! Mehr Licht!“
Warum sagen Sie, ja Sie da unten nichts im Saal? Dann könnte ich wenigstens erahnen wo diese Bühne endet.
Oder hüsteln sie doch wenigstens, bevor mein Handy klingelt.

Autor:

Dr. Mathias Knoll aus Arnsberg

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