250 Jahre Schützenbruderschaft St. Sebastianus Oeventrop 1766 e.V.

Ein solches Jubiläum ist auch immer wieder ein Anlass zurück zu schauen, auf das, was unsere Vorfahren vor 250 Jahren ins Leben gerufen haben.
Leider geben die Analen des Vereins nicht ganz viel über die Gründerzeit her; festgehalten sind nur einige Jahreszahlen und Personennamen.
Es ist nicht bekannt, warum, aus welchem Grund auch immer, die Schützengemeinschaft damals gegründet wurde.

Der bekannte und unvergessene Dorfchronist Carl Kessemeier hat im Jahre 1951 in einer heimatgeschichtlichen Erzählung niedergeschrieben, wie es evtl. zur Gründung des heutigen Jubelvereins gekommen sein könnte:

Die Gründung der Schützenbruderschaft

So waren sie sich einig geworden, die drei Dinscheder; Sonntag, wenn sie das Hochamt besuchten, sollte das Anliegen vorgebracht werden. Kirchlich gehörten die Dörfer zwar nach Arnsberg, diesmal aber schien ihnen das Kloster Rumbeck gelegener zu sein. Hier waren ihre Lehnsherren zu Hause; auch die örtliche Nähe war ihnen vertrauter. Ein herrlicher Morgen war angebrochen und die Sonne überflutete mit ihrem Glanz Berg und Tal, als sich die drei Kirchgänger in ihrem Sonntagsdress, der dunklen Hose, dem blauen Kittel und dem Seidenkäppchen, etwas früher als gewöhnlich trafen und sich auf den alten Pfaden über den Hasenacken und den Totenweg nach Rumbeck begaben.

Hachmann hing heute Morgen seinen eigenen Gedanken nach. Sonst war er derjenige, der den Ton angab, aber heute stand wohl keinem das Mundwerk zum Schwadronieren. Eben hatten sie die Ruhr überschritten und waren auf halber Höhe des letzten Anstieges, da läutete das Klosterglöckchen in dem kleinen Turm zum dritten Mal. Sie mussten sich daher beeilen, um noch rechtzeitig zum "Asperges" dabei zu sein. Die Kirche war knapp gefüllt. Hachmann schlich sich entlang der Säulen in das Halbdunkel des Turmes, wo auf den Grabplatten der Klosterpröpste sein Stehplatz war. Seine beiden Nachbarn knieten nicht weit von ihm in einer Bank und waren schon in Andacht versunken.

Ihm aber war heute so eigen zumute, ganz verwirrt war er, gar nicht der alte. Erst als der Priester mit seiner sonoren Stimme das "Gloria" anstimmte, überkam ihn langsam wieder das Gleichgewicht. Mit Andacht folgte er der Opferfeier, lauschte den prächtigen Gesängen der Nonnen und glaubte die Klänge der Orgel selten so feierlich vernommen zu haben, da die Sonne ihre goldenen Strahlen durch die bunten Fenster schickte.

Noch war die heilige Handlung am Altar nicht beendet, da griff Hachmann schon nervös nach seinem Käppchen. Eben am Weihwasserbecken vernahm er noch das "Ite missa est", um dann draußen am Propsteigebäude auf die beiden anderen Dinscheder zu warten, die ihm assistieren sollten. Sie läuteten an der Klosterpforte und wünschten den Klosterpropst zu sprechen. Dieser aber ließ sich anderer Amtshandlungen wegen entschuldigen und sandte als Vertreter den Beichtvater der Nonnen, Johannes von Hagel. Freundlich empfing er die bäuerlichen Abgesandten in einem schlichten, weiß getünchtem Raum, den nur ein Kruzifix schmückte, und fragte, nachdem alle auf einer Bank Platz genommen hatten, nach ihrem Begehr. Hachmann, zum Sprecher ausersehen, hüstelte verlegen. Etwas stotternd, da ihm hochdeutsch zu sprechen sauer wurde, begann er damit, dass sie als Abgesandte der Bauernschaft Dinschede den Auftrag hätten, hier Rat und Auskunft wegen Gründung einer Schützenbruderschaft zu holen. Im benachbarten Arnsberg bestehe eine solche schon seit 1608 und der Kurfürst führe laufend Schießveranstaltungen durch. Warum solle auch ihnen derartiges nicht vergönnt sein? "un de Friggenoilsken" flüsterte ihm Bause zu.

Ja, auch in Freienohl feiere man Schützenfest seit 1702, darüber hinaus in vielen Orten des Sauerlandes und auf der Haar. Ja, groß feiern wollten sie eigentlich nicht! Nein, nur einmal im Jahr sich mit den Glösingern und Oeventropern zu einem Dorffest zusammen finden, so zwischen Saat und Ernte, um die Heuzeit herum. Der Confessarius hatte dem Vortrag aufmerksam zugehört. Die Schlichtheit der Sprache und die ehrliche Absicht, die sich dahinter verbarg, hatten ihn beeindruckt und überzeugt. Der geistliche Herr erhob sich. "Einen Augenblick" sagte er und begab sich in den angrenzenden Raum. "Propst" stand an der Tür. Propst Hermannus Claes ließ seinen Mitbruder kaum zu Worte kommen, denn er hatte es eilig. "Ich habe alles vernommen" sagte er kurz. Hachmann musste in seinem Eifer wohl so laut gesprochen haben, dass seine Worte nebenan zu hören gewesen waren. "Ich teile das Anliegen der Leute; sie sind redliche Bauern und Zehntzahler und auch als rechtschaffene Katholiken bekannt. Sie sollen unsere Gunst und Unterstützung erfahren. Tue ihnen unser Wohlwollen kund und alles, was du für notwendig erachtest". von Hagel verneigte sich, trat an ein Regal und entnahm diesem ein leeres Buch, das von den Nonnen angefertigt worden war. Am Nebentisch nahm er Platz, tauchte den bereitliegenden Federkiel in die dickflüssige Tinte und schrieb auf die erste Seite:
*)Verzeichnis der Schützenbruderschaft Dinschede aufgeführt im Jahre des Herrn 1766 unter dem Schutze der allerseligsten Jungfrau Maria und des heiligen Bischofs Nikolai. Joannes von Hagel, Confessarius in Rumbeck.

Dann schritt er zurück in das Vorzimmer und las das Geschriebene vor. "Veu danket·· entfuhr es dem Munde von Kraas, der vor lauter Euphorie platt sprach: "Nehmt nun dieses Buch", sagte der Mönch und lasset alle, die willens sind, der Bruderschaft anzugehören, hier namentlich unterschreiben oder tragt sie ein. Aber noch eine Erklärung bin ich euch schuldig und höret mir gut zu. Ihr vernahmet vorhin, unter welchem Schutze eure Gemeinschaft stehen soll. Wer sich der Kirche anvertraut, muss ihre Gesetze achten, Sitte und Anstand wahren! Darf ich euch in die Klosterkirche bitten?" Niemand sprach ein Wort. Und er führte dann ihren Blick zur Höhe des herrlichen Barockaltares. "Seht", sprach von Hagel, "dort oben thront die allerseligste Jungfrau, ein Kunstwerk von meisterlicher Hand, darunter das Bild des heiligen Nikolaus mit den Kindern im Fass, dem Patron unserer Klosterkirche und jetzt auch der Eure. Beide Bildnisse sollen als Zeugen allzeit über All eurem Tun und Handeln stehen und es bestimmen. Nehmt es ernst und seid euch dessen stets eingedenk.

Noch nie hatten die Drei die Weihe des sakralen Raumes so stark empfunden, wie in diesem Augenblick und während von Hagel kurz ein Gebet sprach und damit den Segen des Himmels auf das Werk herab flehte, leuchtete Ehrfurcht, Freude und Stolz aus ihren Augen.

Die Zeit war im Fluge vergangen; es läutete schon zum Angelus. Sie reichten einander die Hände, dankten und nahmen Abschied. "Halt", rief von Hagel den schon Davoneilenden nach, "ich vergaß mit euch über die Satzung zu reden, die ihr euch geben müsst und die eure Feste im Einzelnen regeln, darüber muss noch später gesprochen werden. Haltet es vorläufig so, wie ihr es anderswo gesehen und erlebt habt.

Und ein Zweites: Als Zeichen der Gemeinschaft soll euch eine Fahne geschenkt sein. Ich werde die Paramentenschwester darum bitten, eine solche zu sticken." Ein zustimmendes Nicken und eilends zogen die drei Dinscheder von dannen, froh gestimmt und beschwingt, weil sie eine schwere Aufgabe hinter sich gebracht hatten.

"Et is late wuorn, usere Frauluie wärt scheif koiken un schennen" meinte Bause. "Dat is nit schliem" entgegnete Hachmann, in dessen Kopf sich nochmals all das abspielte, was eben vor sich gegangen war. "Käls, Käls" murmelte er vor sich hin, "bat häffe do oanfangen, owwer veu wollnt jo soi hewwen!' Und sie überlegten, was weiter zu tun sei. "Lot us Sundag bonoin kummen", schlug Kraas vor. Op moiner Deerle is genauk Platz un do könntve alles nöger beküiern." Kraas als der Hofgrößte von Dinschede, ließ seine Hütejungen dran her laufen und alle - Groß und Klein - benachrichtigen, Sonntag nach dem Kaffee auf seine Deele zur Dorfversammlung zu erscheinen.

Noch nie hatte Kraas Hof so ein Volksspektakel gesehen. Oben in den Luken, wo Stroh und Heu abgeworfen werden, lagen die Halbwüchsigen. Die Alten hatten Platz auf Stühlen und den Gesindebänken genommen. Und als die Sitze immer noch nicht ausreichten, holte man die Melkschemel zur Hilfe und stülpte die Futtereimer als Sitzgelegenheit um. Einige junge Knechte, die das "Kalwern" noch in der Haut hatten, lagerten auf der Wannemühle oder saßen wie Hühner auf den Stiegeleitern. Dass Pferde und Kühe, die die Ställe in reicher Zahl füllten und die Versammlung rechts und links flankierten, hin und wieder durch wiehern oder blöken ihre Anwesenheit ob des ungewohnten Bildes anmeldeten, davon nahm die Gesellschaft keine besondere Notiz. Sie waren das gewohnt.

"Jo Luie" begann Wilhelmus Hachmann und sein Verhalten war beim Anblick der vielen Teilnehmer etwas nervös, "veu häwwet uggen Wünschken nogafft un sin amme Sundag no de Homisse in Rummecke wiärst und häwwen dat mit de Schüttenbroiersskop in de Reuge bracht. Nui feuerve selwes. Veu briuket nit mehr in de Nowerskop te gohn, un us anmuielen loten, dat fe früimert sint. Nui häwwe selves ne Veroin und wärt oik te foiern wierten." Seine Worte lösten ein großes Gejohle des Beifalls und der Zustimmung aus. Seine Ansprache war kurz und bündig. Es war nicht seine Art, große Worte zu machen. Und mit einem fast seherischen Blick schloss er seine Rede: "Dei Dörper wärt näourmol van us kuiern. Gloik goiht en Beiksken rümme, bo siek jeder indrägen kann, owwer bleurs dei, dei 18 Johre sind. Soi un dat annere mürt veu näu üwwerleggen." Op oinmal raip oiner: "Lot eus mol ennen kuomen, dai Sake matt begorten wärn." Man hatte auch hier vorgesorgt und in dem Gasthaus an der alten Dinscheder Holzbrücke ein Fass Altbier bereitstellen lassen. Schnell war es herbeigeschafft. Dann ging´s lebhaft zu. Man kam überein, um Johannistag herum zu feiern. "Un diärn silvernen Viuel stifte iek, erklärte Wilhelmus Hachmann. Es ist jenes fein ziselierte Mittelstück aus dem Jahre 1766, welches noch heute die Königskette ziert. Zwar wusste Hachmann noch nicht recht um die Ausführung und wie die Bezahlung erfolgen sollte. Aber im Laufe des Abends bot der Colon Raulff seine verwandtschaftlichen Beziehungen zu einem kurfürstlichen Goldschmied in Arnsberg an; damit war auch diese Schwierigkeit aus dem Wege geräumt. Mit der einbrechenden Dunkelheit gegen Schluss der Versammlung erhob sich Kraas. "Dei van Glüesen und Örntrop hätt siek bedanket". Et goiet us owwer niet ümme Dank. Wat we wällt, is eunik soin un tesammen hollen und schoin soll use Schüttengloog wärn und wennt ne Kauh kostet."

So klang das Gründungstreffen erwartungsvoll aus und nicht lange währte es, da stieg das erste Schützenfest der Ruhrdörfer: 1766. Es war kein großer Aufmarsch, aber die, die teilnahmen, kamen mit bereitem Herzen aus dörflicher Verpflichtung. Es musste sich auch wohl herumgesprochen haben, dass die Dörfer feierten. Aus Körbecke, Günne, Hirschberg, Oberfleckenberg, Menden, Belecke, Siegen, Westfeld und Holthausen waren Besucher gekommen, meist solche, die mit den Höfen irgendwie in Beziehung standen. 59 Eintragungen zeigt das alte Verzeichnis. Laut hallte in den Tälern der Ruhr der Schall der Büchsen wider und als Georgius Timmermann mit seinem alten Vorderlader den Vogel herunter holte, hatten die Dörfer ihren ersten König und damit war auch der Höhepunkt erreicht. Alle Sorge und Arbeit des Jahres waren vergessen. Man sonnte sich in der Freude des Festgeschehens. Fleißig spielten die Musikanten auf, man schwang das Tanzbein und aß und trank nach Herzenslust. Schorsch war zu seiner Lissebeth gekommen, die er lange still verehrte und Änneken hatte zu ihrem Käppe gefunden, in Stunden, da das Herz vor Freude überfloss. Einige Dinscheder tauschten ihre Wilddiebserlebnisse aus und zwei verfeindete Dickköppe hoben ihre Gläser und begruben ihren Streit. Ein ganzes Dorf hatte sich vereinigt, so wie es dem Willen der Gründer entsprach.

Schützenfest war vorüber, aber immer noch lag der Glanz froher Erinnerung auf den Dorfbewohnern, nicht ahnend, dass sie mit diesem ersten Fest für Jahrzehnte, ja Jahrhunderte, das Fest der Feste in den Ruhrdörfern begründet hatten.

Carl Kessemeier 20.01.1961

Erstellt von Franz-Josef Molitor August 2016

Autor:

Ronald Frank aus Arnsberg

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