Jannik Berbalk, Aktivist bei Fridays for Future: Brandbrief zum RE10 und Forderung an die Lokalpolitik und die Städte im Kreis Kleve

Jannik Berbalk, Aktivist bei Fridays for Future | Foto: GvM
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Es muss gehandelt werden!
Braucht es eigentlich noch einen Brandbrief zu den Zuständen des RE10? Diese Frage habe ich mir beim Erstellen dieses Briefes gestellt, die aktuellen verheerenden Zustände der letzten zwei Wochen und darüber hinaus beim RE10 und die lange Historie, die ich mit diesem Zug verbinde, nötigen mich aber die Politik und ALLE PARTEIEN nochmal einmal wachzurütteln. Zwar gab es bereits seitens der Politik dankenswerterweise schnelle berechtigte Brandbriefe an den Bahnchef, allerdings braucht es jetzt und hier Entscheidungen und Handlungen um die Menschen, welche auf diese Bahnstrecke angewiesen sind, nicht im Regen stehen zu lassen.

Seit 2008 bin ich fast täglich auf den Niersexpress angewiesen. Damals pendelte ich von Weeze nach Goch zur Schule und schon damals war diese Strecke für zwei Sachen berüchtigt: Unzuverlässigkeit und mangelnde Kompetenz der Betreiber. Züge fielen immer wieder aus, Schüler kamen häufig zu spät zum Unterricht und Klassenarbeiten/Veranstaltungen wurden gar nicht mehr in den ersten morgen Stunden geschrieben oder geplant– zu groß war die Sorge das die Weezer, welche in Goch zur Schule gingen, diese gar nicht pünktlich erreichten. Waggons wurden nur unzureichend auf Sparflamme eingesetzt, Sardienendose nannten wir diesen Zug scherzhaft, atmen war aber zwischenzeitlich kaum möglich bei überfüllten Zügen zu den Stoßzeiten. All diese Probleme häuften sich, Tag für Tag, Woche zu Woche, Monat für Monat. Sowohl meine Eltern als auch die viele anderer Kinder waren mittlerweile leid erprobt und fuhren in Fahrgemeinschaften uns Kinder zur Schule, sollte es notwendig sein. Viele Menschen, auch ich, hatten die Hoffnung auf eine baldige Lösung dieser Probleme schon aufgegeben. Wir schrieben dennoch immer wieder Protestbriefe, wir machten unseren Unmut auch online Luft. Man hoffte, dass sich doch irgendwann die Politik für die Probleme, Sorgen und Nöte der Zugfahrenden einsetzt. Auch als ich 2020 nach Kleve zog waren die Probleme aktueller denn je. Arbeits- und Studiumweg legte ich nach wie vor mit dem RE10 zurück.

2021 dann die Kommunikative Kehrtwende: Jetzt soll alles Gut werden. Nach Jahren der Hoffnungslosigkeit gab es endlich einen Lichtblick: Bis Dezember 2022 soll die gesamte Strecke kernsaniert werden. Innerlich habe ich gejubelt. Zu oft habe ich schweißgebadet manche Nächte wachgelegen, war innerlich angespannt als ich zum Bahnhof ging: Kommt der Zug heute und wenn ja: Wann?!. Viele der Pendler und Schüler haben Jahre auf eine Verbesserung gewartet und waren bereit die Kröte der Bauarbeiten zu schlucken, wenn es damit ein für alle Mal eine wirklich deutliche Verbesserung beim RE10 gibt. Der Schienenersatzverkehr brachte in einer gewissen Weise Ruhe in die Problematik: Man kam zuverlässig von A nach B, langsamer, aber dafür mit der Gewissheit, dass man ankommt. Dann war es endlich so weit. Im Dezember 2022 wurde die Strecke wieder freigegeben. Endlich, nach Jahren der Proteste, Bösen Briefe und leeren Worte waren handfeste Verbesserungen erbracht worden. Und dann? Dann ging es von vorne los. Schlimmer als zuvor funktionierte teilweise gar nichts mehr auf der Strecke. Züge fielen aus, „Notbusse“ mussten her. Parallel zur Bahnstrecke wurden mehrere Wochen auch Busse eingesetzt: Sicher ist sicher. Kinderkrankheiten wollte man uns diese Problematik verkaufen. Ich muss ehrlich sein: Ich war einfach nur entsetzt und stinksauer: Wozu bitte die Umbaumaßnahmen und Testbetriebe, wenn die Technik nach zwei Wochen den Geist aufgibt?

Im Frühjahr und Sommer dann eine leichte Entspannung: Langsam lief es, Verspätungen von mehr als 10 Minuten waren sehr viel seltener geworden. Ein Aufatmen nach langer Zeit. Die Hoffnung war wieder da: Vielleicht hat es doch endlich geklappt. Doch diese Rechnung habe ich ohne die Deutsche Bahn gemacht. Bereits im September ging es mit den Problemen wieder los, diesmal allerdings unverschuldet was die Strecke Kleve- Krefeld anging, denn die Technik zwischen Düsseldorf und Krefeld streikte. Züge mussten nach Neuss umgeleitet werden oder kamen gar nicht erst in Krefeld an. Chaos brach wieder aus. Wochenlang hatte die Bahn mit Problemen im Raum Düsseldorf-Krefeld zu kämpfen, ausbaden mussten das die Pendler auch zwischen Kleve und Krefeld. Schnell sah man, wie unflexibel sowohl die Nordwestbahn als auch die Deutsche Bahn mit dieser Situation umgingen. Schlimmer noch: Die ganzen Investitionen zur Verringerung der Verspätungen waren eine Farce. Wir waren wieder da, wo wir vor Corona auch waren: Auf der Strecke. Aber hey, jetzt haben wir ja die „Reinruhrbahn“.
Die letzten beiden Wochen brachten dann das Fass zum Überlaufen. Ich denke nicht, dass ich hier ins Detail gehen muss, aber die Masse der Ausfälle, Verspätungen und defekten Stellwerke und technischen Mängel haben für viele auch den letzten Rest Geduld aufgebraucht. Und auch für mich habe ich Abschied vom RE10 genommen. Nach 15 Jahren des Pendelns habe ich, wie viele andere auch, eine Konsequenz ziehen müssen: Der RE10 ist erledigt. Man bleibt sprachlos zurück, aber es ist mehr als logisch, dass man vor dieser Katastrophen-Bahn kapituliert. Und die Politik? Die muss jetzt die Handbremse ziehen! Ich bin ein großer Verfechter einer Verkehrswende und plädiere für den Zug, für den öffentlichen Nahverkehr und ich bin auch zuversichtlich, dass dies auf dem Land mit klugen Innovationen und Investitionen gelingen kann. In anderen Ländern funktioniert es doch auch. Und dennoch: Die Verkehrswende im Kreis Kleve steht und fällt mit dem RE10. Sie steht und fällt mit einem attraktiven Angebot seitens der Bahn und aktuell ist diese zum Scheitern verurteilt. Das muss jetzt auch die lokale Politik begreifen. Die Städte hier im Kreis haben zigtausende von Euro in die Attraktivierung der Bahnhofsumfelder investiert. Es wurden „Park and Ride“ Plätze, überdachte Fahrradabstellflächen oder sogar ganze Bahnhofsplätze aufwendig saniert und errichtet. Millionenbeträge um die Menschen für den Umstieg auf Bus und Bahn zu motivieren. Aber solange die DB die Probleme dieser Strecke nicht in den Griff bekommt, solange wird kein Cent von einer dieser Städte eine lohnende Investition sein. Viele Pendler steigen aktuell wieder aufs Auto um und dies wird sich kaum noch umkehren lassen können. Versprechen helfen da nicht mehr, es müssen handfeste Taten folgen damit die Politik als auch die Deutsche Bahn das Vertrauen der Menschen für die Zugstrecke zurückgewinnt.
Eine erste Maßnahme könnte die Errichtung eines dauerhaften Schnellbusses zwischen Kleve und Krefeld sein. Das kostet Geld, keine Frage, aber es wäre nur eine gerechte Entschädigung für alle Pendler und Schüler, welche auf diese Strecke angewiesen sind. Keiner von uns möchte mehr mit der permanenten Angst und Unsicherheit dieser Katastrophenbahn leben. Es reicht! Hier stehen Arbeitsplätze und Schicksale auf dem Spiel. Wir reden hier von einem wirtschaftlichen Totalschaden, welcher die Politik jetzt verhindern muss. Auch für die Schüler der verschiedenen Städte braucht es eine Zuverlässige Busverbindung. Nicht jeder Ort an der Bahnstrecke besitzt eine weiterführende Schule (Weeze exemplarisch genannt) und es kann nicht sein, dass Eltern ständig diese Ausfälle ausbaden müssen. Es reicht! Diese Strecke braucht eine Zuverlässige Alternative, bis die Probleme behoben sind. Die amateurhaften Einrichtungen von Schienenersatzverkehren muss Pardo geboten werden. Wir wollen endlich mit Gewissheit diese Strecke benutzten, dass wir auch ankommen und zwar noch in der Tageszeit, in der wir losgefahren sind. Es reicht!
Ich hätte nie gedacht, dass ich als Klimaaktivist, Bahnliebhaber und Mensch der ich bin das sage, aber dieser Zug ist keinen Cent mehr Wert und das 49€ Euro Ticket ist für uns hier im Kreis Kleve so gut wie unbrauchbar geworden. Kauft euch ein Auto für die , die es können. Bildet Fahrgemeinschaften für die, die es können. Für alle anderen: Lasset alle Hoffnung fahren, der Zug tut es jedenfalls nicht.
Kleve, den 15.11.2023 Jannik Berbalk

Autor:

Günter van Meegen aus Bedburg-Hau

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