Buchkompass: Rezension "Kann ich gleich zurückrufen?" von Barbara Streidl

Foto: Blanvalet

Da ich selbst berufstätige Mutter – wenn auch alleinerziehend- und Hausfrau bin, war ich sehr gespannt auf das Buch.

Erzählt und geschildert wird rund eine Woche im hektischen Leben der Ich-Erzählerin, die Mutter eines dreijährigen Kindergartenkindes, halbstags berufstätig in verantwortlicher Leitungsposition und darüber hinaus auch noch Ehefrau, Hausfrau und Tochter einer bislang rüstigen Seniorin ist. Gespickt mit allerlei politischen Hintergründen wird der alltägliche Tagesablauf gezeigt zwischen dem stressigen Tagesstart mit einem Kind, den terminlichen Zwängen des Berufslebens sowie der Kita-Abholzeiten sowie des häuslichen Alltags mit all seinen Anforderungen bis hin zum Eheleben mit einem aufwärtsstrebenden Mann, der jedoch auch im Haushalt mit anpackt.
Welche Mutter mit Termindruck kennt die aufkommende Panik nicht, wenn das Kind auf dem Weg zur Kita sich quengelig in den Kopf setzt, einen ganz bestimmten Stock oder Stein zu suchen, durch nichts aus seiner eigenen Ruhe zu bringen ist, der „Kinderabgabe-Zeitpunkt der Kita“ bis zur letzten Sekunde ausgereizt werden muß und einem selbst aber die Zeit bis zum ersten beruflichen Termin wegläuft. Oder wenn das Kind morgens krank aufwacht, der gewohnte Tagesablauf ad hoc umgestaltet werden muß und man sich quasi noch im Job entschuldigen muß, dass man das kranke Kind ja auch umsorgen muß – was eine anstrengende Arbeit ist und schlaflose Nächte bedeutet, und nicht etwa eine Art „Blaumachen“ bedeutet, bei der frau sich auf die Bärenhaut legen kann. Leider ist nicht jeder Chef und jeder/ jede Mitarbeiter/in oder Kolleg/in da gleich verständnisvoll.

Sehr anschaulich wird das rasante Tempo geschildert, in der der vollgepackte Tagesplan von morgens bis abends abläuft und kaum mal Zeit zum Luftholen und „Ich-selbst-Sein“ bleibt. Ständig kommt irgendein Aspekt zu kurz, sei es die Zeit für den Haushalt, die Zeit, sich um die kränkelnde Mutter zu sorgen, die Zeit, mit eine Freundin zu quatschen, oder die Zeit, sich um die Partnerschaft zu kümmern. Komplettiert wird das Bild noch vom oft nach dem eigentlichen Feierabend klingenden Handy, weil aufgrund der Teilzeittätigkeit noch Entscheidungsprozesse erst nach Feierabend vollendet werden können. Passiert so etwas während der Zeit, die die Erzählerin mit ihrem Kind auf dem Spielplatz verbringt, muß sie dann oft fragen: "Kann ich gleich zurückrufen?" und wird trotzdem von anderen Vollzeitmüttern noch als "Rabenmutter" angesehen, da sie während der Spielzeit noch mit ihrem Handy und Job beschäftigt ist. Die Zerrissenheit, die die Ich-Erzählerin dabei empfindet, wird sehr deutlich, auch die Verzweiflung und Selbstvorwürfe, wenn man einigen wichtigen Ansprüchen nicht gerecht werden kann. Ein Buch, das am Ende die Stärken und Vorteile einer guten Partnerschaft betont, ohne die eine solche Mehrfachbelastung noch schwieriger zu stemmen ist. Dennoch gerät der gut geplante Tagesablauf manchmal durch nur scheinbare Kleinigkeiten – kurzfristige Terminsachen vom Chef, Krankheiten von Angehörigen, Dienstreisen des Partners- völlig aus den Fugen, so dass Notlösungen geschaffen werden müssen, die mal gut und mal weniger gut klappen können.

Diese Buch werden Frauen und Mütter in ähnlicher Situation lesen und sich darin selbst wiedererkennen – sofern sie noch Zeit zum Lesen finden können. Kinderlose Frauen können sich wahrscheinlich nur schwer hininversetzen und werden vieles überzogen finden, aber der alltägliche Wahnsinn zwischen Kind, Haushalt und Büro ist wirklich ein z.T. unglaublicher Kraftakt, trotz aller bereits möglicher Hilfen.

Autor:

Kerstin Winterberg aus Castrop-Rauxel

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