Der Maulwurf-Krieg

Der unterirdische Gegner: Erdmann Grabolinski-Maulwurf ist ein Tupamaro, der Naturschutz genießt.
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Der Maulwurf-Krieg

Die neuen Leiden der Gärtner im Sommer, der bereits ein Herbst ist

Dorsten. Regenschauer, kalter Wind und im Garten ein Mann, der mit schwerem Ölzeug bekleidet einen Stab, ähnlich einer Harpune in der Hand hält und auf seinem Rasen verharrt: Der Maulwurfjäger ist auf der Pirsch. Als ich ihn befrage, was er dort tut, wollte ich mehr über den Sommer-Feldzug gegen den Maulwurf erfahren. Eigentlich sollte es eine Gartengeschichte vom Sommer, der schon jetzt ein Herbst ist werden, doch es wurde ein Kriegsbericht. Das Schlachtfeld? Der Garten, genauer der Rasen. Nein, es ist kein linearer Krieg, es ist Konflikt, der seit Jahrzehnten herrscht und der ohne Gnade und ohne jede Konvention geführt wird. Pardon wird nicht gegeben und zwar von beiden Parteien nicht.
„Talpa“, so lautet die lateinische Bezeichnung der einen Kriegspartei. Seidiges Fell, schlechte Augen aber ein Tupamaro, der im Untergrund mit größter List und ohne jeden Respekt vor edlen Rasenmischungen gnadenlos den Gärtnerstolz unterminiert und den Mann oder die Frau in grüner Tracht zu einer gefährlichen Kriegsmaschine geraten lässt. Was sich entwickelt ist ein ungleicher Kampf, den keine der Parteien gewinnen kann. Der Maulwurf geht seinen Instinkten nach, der Gärtner ebenfalls und zwar seinen ganz niedrigen. Was das für eine Harpune sei, frage ich den Nachbarn, der im Zivilleben durch Mildtätigkeit und Ehrenamt in der Kirchengemeinde auffällt. „Das ist der Maulwurfspieß von meinem Vater“, erklärt er mit jener Entschlossenheit in der Stimme, die an John Wayne in „Der längste Tag“ erinnert. Weil ein Mann seinen Weg gehen muss..... Mit diesem Spieß, der mit Geschick und einer ordentlichen Portion Wut im Bauch aus einem Baustahl geschmiedet wurde, wartet er nun im Regen auf seine Gelegenheit. Lässt sich der Maulwurf in seinem Haufen blicken wird zugeschlagen. Rasch und ohne Gnade. Allerdings mit sehr mäßigen Erfolg, wie der Jäger des verwüsteten Rasens eingesteht. Ich wage mich weiter vor und betrete eine Parzelle weiter das Garten-Schlachtfeld der Zukunft. Man setzt auf High-Tech im Frühling. „In dieser Edelstahlhülle ist ein Frequenzerreger, der den Maulwurf vertreibt. Hat 80 Euro gekostet“, erklärt mir der elektronische Feldherr voller Stolz sein Aufrüstungsprogramm. Ein gutes Dutzend kleiner Erdhaufen auf dem cirka 50 Quadratmeter großen Rasen lässt allerdings Zweifel an der Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen aufkommen. Der nächste Nachbar bevorzugt mittelalterliche Strategien. „Kochendes Salzwasser mit einer Prise Kümmel und weg sind die Viecher“, raunt er mir zu und gesteht ein, dass diese heiße Dusche für den possierlichen Bergbau-Terroristen nicht tödlich ist sondern, die Stimmer wird noch leiser, ihn lediglich zum Nachbarn vertreibt. Konfliktbewältigung nach dem Sankt Florians-Prinzip: Verschon meinen Rasen, ruiniere den des Nachbarn. Dort setzt man auf Chemie. Gastabletten, vergiftetes Futter und ähnliches aus dem Gruselkabinett des Arsenals des Schreckens. Allerdings auch ohne Erfolg. Im nächsten Garten streifen süße, ahnungsvolle Düfte übers Land. Nein, nicht die, die Herr Möricke beschreibt, sondern es ist der Geruch von gegrillten Würstchen. Etappe einer versprengten Maulwurfjäger-Einheit? Nein, es ist der etwas alternative Nachbar, der nicht in den Krieg zieht und dessen Garten nicht den Vorstellungen eines bürgerlichen Ziergartens entspricht. Auf die Frage, wie er den Maulwurf bekämpft, schüttelt er den Kopf. „Überhaupt nicht. Zu mir kommen keine. Zu viele Wurzeln im Boden“, lautet seine lapidare Erklärung und dabei reicht er mir eine Wurst. Frieden, Sommer – auch im Regen und die Erkenntnis, dass die Jahreszeit nicht nur ihre biologischen Besonderheiten hat.

Autor:

Jo Gernoth aus Dorsten

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