Der Lippeberg: Heute Biotop und früher ein Motodrom

Ein Spaß für Fahrer und Zuschauer: Hill-Down-Section am Hammerweg. Zu erkennen: Der Bottroper Merkel des Kanalaushubes macht der DKW schwer zu schaffen.
  • Ein Spaß für Fahrer und Zuschauer: Hill-Down-Section am Hammerweg. Zu erkennen: Der Bottroper Merkel des Kanalaushubes macht der DKW schwer zu schaffen.
  • hochgeladen von Jo Gernoth

Dorsten. Wer heute seinen Spaziergang vom Hervester Ellerbruch in Richtung Dorstener Segelflugplatz plant, der durchschreitet bei diesem Marsch nicht nur Stationen der Bergbaugeschichte, sondern betritt dabei zwangsläufig ein Biotop, das einstmals so etwas wie ein Mekka für Amateur-Rennfahrer auf zwei Rädern war: Der im Volksmund so genannte Lippeberg.

Eigentlich ist dieser Berg kein Berg, sondern er ist entstanden, als der Dorstener Kanal gebaut wurde. Heinz Kleine-Vossbeck, Hobby-Heimatforscher aus Dorsten, hat den Bau des Kanals besonders unter die Lupe genommen und weiß daher zu berichten, dass diese Hügelchen, die da Ende des Hammer Wegs zwischen Lippe und Kanal mittlerweile dicht bewachsen im Gelände liegen, eigentlich nichts anderes als Bodenaushub des heutigen Schleusenbeckens sind. Beim Bau des Kanals in den frühen 1920er Jahren hat man mittels Feldbahn den Aushub dort "zwischen gelagert". Im Laufe der Zeit fand dieser Haufen Bauschutt allerdings eine völlig neue Verwendung und seit den frühen 1950er Jahren war er Schauplatz von Motorsportspektakeln, die den Naturschützer von heute wohl in ihrer Art und Ausführung in eine mehrtägige Ohnmacht befördern würde.

Im Spätsommer fand dort traditionell eine so genannte Trial-Sektion statt, die sogar bei der Gau-Wertung des ADAC berücksichtigt wurde. Vielleicht muss einen Blick auf die Geschichte der damaligen Motorisierung der Bevölkerung werfen. Die Mehrheit träumte nämlich von Motorisierung und besaß im günstigsten Falle ein Fahrrad, denn schon so ein Drahtesel war bei einem Stundenlohn eines Arbeiters von durchschnittlich 1,20 D-Mark ziemlich wertvoll. Dennoch gab es eine Unmenge von Zweirädern, bei denen die Ratenkauf-Wechsel oft schneller liefen, als die Vehikel selbst. Willi Romswinkel, Sammler und erklärter Experte von historischen Zweirädern weiß viele Anekdoten aus dieser Zeit zu berichten. "Wer eine 98er besaß war ganz weit vorne. Wer mit einer so genannten schweren Maschine unterwegs war, der war so etwas wie ein Held. Das lässt sich mit einem heutigen Ferrari-Fahrer vergleichen, nur dass der Motorradfahrer von einst nicht belächelt wurde", weiß Romswinkel zu berichten, der in seiner Garage Mopeds wie dicke Brummer liebevoll restauriert aufbewahrt. Klar, dass mit diesen Zweirädern nicht nur zur Arbeit gefahren wurde, sondern dass an den Wochenenden, die damals erst am Samstagnachmittag begannen, auch Sport getrieben wurde. Der Lippeberg bot sich als Trialstrecke an. Dabei geht es darum, geschickt mit dem Motorrad durch unwegsames Gelände zu fahren. Wer den Fuß benutzt kassiert Strafzeiten.
Rommeswinkel: "Den Ursprung hat diese waghalsige Nummer in Großbritannien, allerdings war dieser Sport im Nachkriegsdeutschland ebenfalls sehr populär." Nicht wenige hatten im Krieg zwangsläufig die Kunst des Geländefahrens erlernt. So knatterten die Mopeds ohne Rücksicht auf Verluste durch die Natur und tausende von Zuschauern säumten die Strecke. Hin- und wieder gab es mal einen spektakulären Sturz, ein paar geprellte Rippen, aber vor allem Spaß zum Nulltarif. Mit wachsendem Wohlstand schrumpfte die Zahl der Motorräder und Vati wusch am Samstag lieber den Käfer auf der Straße oder irgendwo im Grünen, als sich im Dreck einer Motorradpiste zu rollen. Das brave Zweirad war entweder verschrottet oder rostete im Keller einer ungewissen Zukunft entgegen.
Am Lippeberg war dann Ende der 1970er Jahre endgültig Schluss. Mit dem Bau der Fußgängerbrücke über den Kanal wurde das gesamte Areal quasi über Nacht zum Feuchtbiotop und es wuchs im wahrsten Sinne des Wortes Gras über diese improvisierte Rennstrecke, die einmal vielen Dorstenern viel Spaß bereitet hat.

Autor:

Jo Gernoth aus Dorsten

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