Hedwig - und als Nebenwirkungen ein Vollmondgesicht

Hedwig in der Mittagspause – vor der Besichtigung ihrer neuen Tag und Nacht geöffneten Muckibude – erlaubte sich, im Sonnenschein vor dem Club Portugies ein Mittagsmenü zu sich zu nehmen.

Eine Medikamentenvergabe über einen Zeitraum von zwei Wochen macht sie träge und hungrig – und so ist ihr dieses Restaurant gerade recht als Wellneßintervention zu ihrer Genesung.

Auf dem Beipackzettel steht geschrieben, als Nebenwirkung könne man ein Vollmondgesicht bekommen. Hedwig glaubte es zwar nicht, aber als sie sich heute mittag vor dem Verlassen des Hauses vor dem Spiegel nochmal richtete, sah sie, das der Beipackzettel recht hatte. Ein wunderschönes rundes Vollmondgesicht mit Kraterlandschaften in bleichen Gelbtönen leuchtete ihr aus dem Spiegel entgegen und machte sich mit ihr bekannt.

So recht war ihr nicht klar, ob die Portugiesen auch Menschen mit einem Vollmondgesicht bedienen – deshalb fragte sie die junge Bedienung „Bedienen Sie denn auch Menschen mit Vollmondgesichtern ?“ Die junge Frau schaute Hedwig ernsthaft an und meinte „Natürlich tun wir das ! Wir bedienen auch Menschen mit Halbmondgesichtern, wenn es sein muß. Wir sind ein internationaler Club und da ist jeder herzlich willkommen.“
Zufrieden bestellte sich die Hedwig Kabeljau in einer Senfsoße mit gebackenen Rosmarienkartoffeln und Spinat und schnurrte beim Anblick des Menüs wie eine Katze. Ein vorbildliches Essen duftete still vor sich hin und wartete auf seine Bestimmung.

Am Tisch gegenüber saß ein Herr mit einem Halbmondgesicht und blinzelte immer mal so ein wenig zu Hedwig herüber. Nach dem Essen kam er an ihren Tisch und fragte, ob er ihr gegenüber Platz nehmen dürfe. „Ja klar, wenn Sie einen ausgeben, gerne !“, entfuhr es Hedwig frech und sie erschrak mich über ihre Courage. Normalerweise ist sie nicht so naseweis – es muß an den Tabletten liegen.

Der Herr bestellte einen Krug Sangria, den die Beiden genüßlich mit Strohhalmen entleerten. Als sie ordentlich beschwipst sich gegenseitig Blondinenwitze erzählten, wurde der Herr plötzlich ernst, erfaßte Hedwigs Hand und fragte sie, ob sie mit ihm ins Bett gehen wolle. Er habe neue Hüftgelenke und wolle das Kamasutra für Hüftoperierte ausprobieren.

Hedwig wollte das nicht. Nein, auf keinen Fall. Ihr war mehr nach einem von diesen herrlichen Karamellcremetörtchen, die sie dort servieren. Das sind Törtchen, die jedes Kamasutra ad absurdum führen. Zwischen dünnen Mandel-Schoko-Biskuit-Teiglagen ist da eine Karamellcreme eingebaut, die einen die Zeit und sein Mondgesicht vergessen läßt.

Die Zeit vergessen – ja, das tut Hedwig manchmal gut. Wenn sich alles um sie herum auflöst und es gibt nur noch diesen einen einzigen Punkt – das Karamelltörtchenstück im Mund, Das sind Momente, in denen sie vergißt, das sie z.B. Tabletten nimmt und das als Nebenwirkung das Gesicht sich in einen Vollmond verwandelt - und ihr Gehirn anfangen kann zu spinnen.

Autor:

Karin Michaeli aus Düsseldorf

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