ein Landei unterwegs - wie meistens mit dem Travel-Chaos

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Ein Landei unterwegs – wie immer mit dem Travel-Chaos

ich bin ein Landei. Zugegeben.
Trotzdem habe ich keine Berührungsängste in fernen Ländern. Ich komme eigentlich immer gut zurecht. Obwohl - ich ein Landei bin.
An Probleme unterwegs bin ich auch gewöhnt. Dank Travel-Chaos (siehe mein Buch: Emmerich in Übersee – unterwegs mit dem Travel-Chaos)
Eigentlich dachte ich ja, wir hätten ihn längst irgendwo abgehängt, verbannt, vergraben, verschenkt...
Aber offensichtlich hängt er sehr an uns. Leider.
Diesmal hatte er sich einen neuen Gag für mich ausgedacht:

Ich wollte nach Hessen zu den Kindern.
Schon frühzeitig durchsuchte ich die Seiten der Bahn nach Angeboten. Ich habe zwar eine Bahncard 50, aber manchmal gibt es ein Highlight erster Klasse, das günstiger ist als eine Fahrkarte zweiter Klasse mit Bahncard .
Und ich fand mein Angebot! Für schlappe 88,--€ hin und zurück erster Klasse. Und das auf der schnellen ICE-Strecke! Und alles ganz ohne Bahncard!

Ich fuhr super bequem mit dem RE 5 bis Düsseldorf, von dort bis Frankfurt Hauptbahnhof und dann noch ein bisschen S-Bahn. Und das alles für die Hälfte von 88,-Euro!
Ein Landei muss ja auch mal Glück haben in der großen, weiten Welt!

Aber dann kam die Rückfahrt.
Und mit ihr erwachte Travel-Chaos.
Das Landei war in Nöten.

Um 9.36 Uhr sollte ich laut Fahrkarte mit der S-Bahn nach Frankfurt fahren. Und acht Minuten später weiter mit dem ICE. Den Zug musste ich kriegen, denn aufgrund meiner Super-Angebots-Fahrkarte für 88,-€ hatte ich Zugbindung.

„Fahr lieber eine S-Bahn früher“, sagte meine Tochter, „könnte doch ein bisschen eng werden mit nur acht Minuten. Wenn irgendwas dazwischen kommt....“

Das leuchtete mir ein, und ich fuhr früher.
Im Hauptbahnhof kaufte ich mir in aller Ruhe eine Zeitung und schlenderte Richtung Gleis 7, wo um 10.10Uhr mein ICE abfahren sollte. Aber ich staunte nicht schlecht, hier war alles verbarrikadiert, Arbeiter wuselten und hämmerten auf den Gleisen herum, auf denen eigentlich gleich in Kürze mein ICE abfahren sollte...? Ach ja klar, hier wird gebaut. Hatte ich doch in der Zeitung gelesen... Aber warum war es an meinem Gleis?
Ich befragte die große Tafel mit der Digitalanzeige, auf welchem Gleis mein Zug jetzt fahren würde. In Frankfurt habe ich selten erlebt, dass der ICE wirklich auf dem angegebenen Gleis abfährt. Meistens gibt es eine Lautsprecherdurchsage, die man aufgrund des Lärms nicht verstehen kann. Aber ich weiß inzwischen, wenn danach alle anfangen, hektisch zu rennen, dann muss ich hinterher, weil der Zug mal wieder auf einem einem anderen Gleis hält...

Es war kurz vor zehn, aber mein ICE wurde nicht angezeigt. Nirgends.
„Frankfurt Süd“ stand auf der Fahrkarte. Welcher Bahnsteig musste das denn sein? Am anderen Ende vielleicht? Ich rannte, schon leicht hektisch, mit meinem Koffer los ans andere Ende des Bahnhofs.
Nichts.
Fünf Minuten vor 10.
Da- ein Bahnbeamter mit roter Kappe. Vor ihm ein aufgelöster Mann mit Koffer. Ich musste warten.
Ich zappelte von einem Bein aufs andere.
Jetzt! Ich bin dran! „Mein ICE ist verschwunden.“
???
Präziser, du Landei!
„Ähm, mein ICE siebenhundertnochwas 10.10 Uhr nach Dortmund auf Gleis sieben ist auf keiner Anzeigetafel aufgeführt! Ab wo fährt der heute?“
„ Der 10.10 Uhr...? Hmm! - Der fährt ab Frankfurt Süd.“
„Ja, weiß ich. - Aber wo ist das?“
„Gut fünf Minuten von hier.“ Er wies mit ausgestrecktem Arm über die Gleise.
„Wie??? - Nicht hier? - Aber wo denn dann?“
„Frankfurt Süd. Steht das nicht auf Ihrer Fahrkarte?“
„Doch, sicher – aber - ?“
„ Sie können mit der S-Bahn hinfahren. - Aber“ - freundliches Lächeln, „ob Sie das noch schaffen?“
„Ich habe Zugbindung!“
„Tjaaa...“ Schulterzucken - „gehen Sie doch am besten zum Service, die können Ihnen vielleicht weiterhelfen und Ihre Fahrkarte umschreiben.“

Ich rannte los und prallte vor die verschlossene Türe. Öffnungszeiten von 10 Uhr bis...
Es war zwei Minuten vor 10.
Dann eben nicht!
Ich rannte weiter Richtung S-Bahn. Fünf Minuten von hier! Kann ja nicht weit sein. Vielleicht hat der ICE Verspätung...
Auf der Rolltreppe runter zu den S-Bahnen drängelte ich mich keuchend an sämtlichen Leuten vorbei. Durch die Halle unten in den Katakomben. Auf die nächste Rolltreppe. Runter zu den Gleisen. Drängeln, den Koffer dicht an mich gepresst, um möglichst schmal zu sein, „Entschuldigung, - Entschuldigung...“
Rechts Gleise – falsche Richtung! Links...? Mist, auch falsch! Wo- wo fährt die Bahn nach Frankfurt Süd?
Ich hetzte zurück, Rolltreppe wieder hoch, quetschte mich wieder an etlichen anderen Fahrgästen vorbei. Schnell, schnell!
Andere Rolltreppe wieder runter – wo bin ich hier denn???
Eine S-Bahn fuhr gerade ein. Die Anzeigetafel zeigte unter anderem Frankfurt Süd. Halleluja!
Ich nix wie rein.
Konnte ja nicht weit sein. Ein- zwei Stationen vielleicht.
Ich blieb gleich vorne an der Türe stehen. In Hab-acht-Stellung. Auf dem Sprung sozusagen. Und versuchte, mein bollerndes Herz zu beruhigen.
Die Bahn fuhr und stoppte, fuhr und stoppte, fuhr und stoppte..... Und noch immer nichts zu sehen von Frankfurt Süd.
Es war zehn nach 10.

Als die S-Bahn endlich in Frankfurt Süd hielt, hatte ich schon keine Hoffnung mehr.
Ich spurtete raus, rannte am Bahnsteig entlang. Nur S-Bahnen rechts und links.
Keine Treppe. Falsche Richtung. Kehrtwende.
Hier hält doch nie im Leben ein ICE? Oder?
Runter in die Halle.
Rennend, keuchend, schwitzend, suchend. Ohne Hoffnung, aber trotzdem...
Da- Gleis sieben. Wie auf der Fahrkarte angegeben. Ich wollte eben auf die Rolltreppe springen, als sich von der Seite eine Frau mit Kinderwagen umständlich vor mir auf die Stufen schob. Ich versuchte, mich vorbei zu drängeln, aber – kein Platz dazwischen für mich und mein Köfferchen.
Zähneknirschend musste ich mich gedulden.
Als die Rolltreppe mich oben endlich ausspuckte, rollte rechts von mir mein ICE langsam an mir vorbei aus dem Bahnhof Frankfurt Süd nach Dortmund. Über Düsseldorf. Ohne mich.
Ich stand da.
Zug weg.
Zugbindung weg.
Fahrkarte verfallen. Komplett weg, ungültig.

TRAVEL!!!

Vor dem Servicebüro staute sich eine Riesenschlange von Fahrgästen, denen es anscheinend ähnlich ergangen war wie mir.
Und nur ein einziger Schalter war besetzt.
Vor dem anderen Schalter hüpfte Travel-Chaos glücklich grinsend auf und ab.

Ich stellte mich an, und ich wusste, das wird teuer. Entweder die bezahlte Fahrkarte anpassen oder eine ganz neue Fahrkarte kaufen.
„Oh, oh,“ meinte der Fahrkartenmensch, als ich endlich dran war und schloss sich meiner Befürchtung an: „das wird aber teuer. Sehr teuer.“

Also kaufte ich lieber eine neue, ganz normale Fahrkarte zweiter Klasse unter Einsatz meiner Bahncard 50 für nur schlappe 47,--€.

Gerade noch so eben habe ich es geschafft, meinen neuen, teuer bezahlten Ersatzzug um 11.10 zu erreichen.

Manchmal ist der Himmel auch mit den Landeiern...

Text: Christel Wismans 2014
Zeichnung: Marten Pfirrmann, Emmerich

Autor:

Christel Wismans aus Emmerich am Rhein

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