Irmgard vs. von Seeckt und Ortrud vs. von Einem - eine Bürgermeinung

Bis zur Zusendung der "Wahlbenachrichtigung" hatte ich mich weder mit dem Thema befasst, noch irgendeine Kenntnis darüber, wer die Herren von Einem und von Seeckt waren. Seitdem allerdings, habe ich versucht mich umfassend zu informieren.

Ob es wichtigere Dinge gibt als diese beiden Straßen umzubenennen ist eine Frage, die sich nur mit JA beantworten lässt.

Dafür ist es aber nun zu spät, denn ein demokratisch legitimiertes Gremium hat eine Entscheidung gefällt, die zunächst einmal zu respektieren ist.
Schön allerdings, dass es die Instanz des Bürgerbegehrens gibt, mit dem solche Entscheidungen einer weiteren Überprüfung unterzogen werden können. Es lebe die Basisdemokratie! Das finde ich sehr gut.

Wir sind also alle aufgefordert uns eine Meinung zu bilden und abzustimmen. Zur Meinungsbildung sind unter anderem die der Wahlbenachrichtigung beiliegenden Stellungnahmen der beiden Lager gedacht. Dabei ist mir in der Stellungnahme der Initiative ProVon Folgendes bitter aufgestoßen:

Dort werden die Herren von Seeckt und von Einem als Monarchisten beschrieben (was nach meinem heutigem Kenntnisstand wohl nur auf von Einem zutraf, von Seeckt war wohl eher Anhänger einer totalitären Staatsform) und es wird ein weiter Bogen zu Goethe, Schiller, Luther und Shakespeare geschlagen, die ebenfalls Monarchisten gewesen seien, weil ihre Zeit ihnen keine Auswahl ließ.

Das ist ein unzulässiger Vergleich!

Die vier zur Legitimation herangezogenen hatten in der Tat keine Auswahl, das verhielt sich bei den Herren von Einem und von Seeckt aber ganz anders. Sie lebten in der ersten Demokratie auf deutschem Boden und hätten durchaus die Wahl gehabt, diese Weimarer Republik zu schützen und zu befördern. Sie hatten sich aber dagegen entschieden!

Hätte Schiller beispielsweise in der Weimarer Republik gelebt, wäre er - der Dichter der Freiheit - sicher deren glühender Verteidiger gewesen!

Und damit komme ich zum Kern meiner Überzeugung:

Die Benennung einer Straße oder eines Platzes nach einer historischen oder -seltener vorkommend- zeitgenössischen Person ist eine Ehrenbekundung, eine Verneigung vor deren Lebenswerk.
Die Frage, die sich nun stellt ist, ob diese beiden Personen eine Ehrenbezeugung verdient haben. Und das ist eine Frage, die ich nach der historischen Wirkung derer beiden Lebenswerk nur mit NEIN beantworten kann.

Das Argument von ProVon, dass Erinnerung -auch in mahnender Form- mittels Straßennamen erfolgen kann ist abwegig. Dieser Logik zufolge dürfte die Rüttenscheider Straße noch immer Hermann-Göring-Straße heißen- zur ewigen Mahnung an dessen mörderisches Wirken! Das ist absurd!

Jetzt, da ich weiß, wer die beiden Herren waren, wie sie gewirkt haben und dass sie vom ersten nationalsozialistischen Oberbürgermeister Essens zur Ehre einer Straßenwidmung kamen, ist die Sache für mich klar.

Wie kann ProVon in der Argumentation diese historischen Fakten einfach ausblenden? Da fühle ich mich als Bürger intellektuell nicht ernstgenommen. Sorry- das geht nicht!

Hinzu kommt:

Wir haben alle miteinander das Glück in einem freien Staat zu leben, in dem jeder sagen kann war er möchte und es solche wunderbaren Einrichtungen wie Bürgerbegehren gibt. Herr von Seeckt und Herr von Einem hätten solch einen Staat nicht zugelassen!

Ich stamme aus einer Familie, die im ehem. Ostblock beheimatet war. Es ist mein Glück als Frau und Bürger, in diesem Land geboren worden zu sein. Gleichwohl kenne ich aber aus eigener Anschauung gesellschaftliche Verhältnisse, in denen diese uns selbstverständlich erscheinende Meinungs- und Entfaltungsfreiheit nicht gegeben ist.

Aus diesem Grund kann ich es überhaupt nicht nachvollziehen, dass der Gang zum Straßenverkehrsamt, die Aktualisierung des Briefpapiers etc. als übergroße Mühe empfunden wird, wenn damit der Ehrung zweier Demokratiefeinde ein Ende gemacht werden kann. Denn das waren die beiden Herren zweifelsohne.

Ein einmaliger Aufwand, der sich nicht wiederholt –etwas Mühe für ein Bekenntnis zur Demokratie! Das ist doch nicht zu viel verlangt, niemand wird davon überfordert.

Ich bin wirklich sehr enttäuscht darüber, dass die Gegner der Umbenennung die historische Dimension in der zur Entscheidung anstehenden Frage nicht angemessen berücksichtigen. Warum soll diesen beiden Herren weiterhin ein "Ehrenplatz" gewährt werden? Was haben die beiden ehrenwertes geleistet?

Darauf habe ich bisher keine Antworten gefunden. Die Hinweise auf beschwerliche Behördengänge empfinde ich in diesem Kontext als kleinlich.

Ich bitte die Gegner der Umbenennung, Ihren Blick etwas weiter schweifen zu lassen und der unter dem Blutzoll unzähliger Menschen errichteten Demokratie in unserem Land Respekt zu erweisen, indem sie die Ehrung von Demokratiefeinden nicht weiter zulassen.

Mit bürgerschaftlichen Grüßen

Lena Popal

Autor:

Lena Popal aus Essen-Süd

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