Ein Fußball-Lehrer und -Funktionär, ein Sport-Politiker und ein Sportsoziologe plaudern über die Knappenschmiede
Ein hochinteressantes Treffen

Dreh- und Angelpunkt des Gespräches war die Schalker Knappenschmiede. Foto: Gerd Kaemper
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  • Dreh- und Angelpunkt des Gespräches war die Schalker Knappenschmiede. Foto: Gerd Kaemper
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Es gibt Momente, da spielt der Zufall auch Schicksal. In diesem Fall führte ein zufälliges Treffen zu einem weiteren Treffen mit der Chance, dass daraus etwas Großes wird. Dabei geht es um die Knappenschmiede des FC Schalke 04, die im kommenden Jahr ihr 30-jähriges Bestehen feiert.

Zu der Zufallsbegegnung kam es am 5. März beim Gelsenkirchener Unternehmertreff, zu dem die Wirtschaftsförderung der Stadt Gelsenkirchen in den LaOla-Club der Veltins-Arena eingeladen hatte. Mehr als 250 Wirtschaftsakteure waren der Einladung gefolgt. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand das Thema Aufbau und Entstehung der Knappenschmiede. Kurzweilig und interessant stellte Bodo Menze das Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) des FC Schalke 04 vor und erklärte den Gästen, was die königsblaue Talentförderung so erfolgreich macht.
Unter den zahlreichen Gästen befand sich auch der in Gelsenkirchen lebende russisch-stämmige Journalist Alexej Tschernjak. Dieser hatte im Juli 2014 an einem Gespräch mit Prof. Dr. Gunter Gebauer von der Freien Universität Berlin teilgenommen, in dem es um das Thema „Fußball und die Deutschen“ ging. Darin führte der Professor aus, wie wichtig die Nachwuchsleistungszentren sind und lobte das Schalker Modell. Denn den deutschen WM-Erfolg 2014 sieht Gebauer auf der Arbeit in Schalke begründet, denn vier ehemalige Knappenschmiede-Talente spielten im Weltmeisterteam und zwei weitere in ihren Heimatteams.
Seitdem war Tschernjak auf der Suche nach dem Begründer der Knappenschmiede, dessen Namen Prof. Dr. Gebauer nicht genannt hatte. Beim Unternehmertreff in der Arena nutzte er seine Chance und fragte Bodo Menze, ob er ihm weiterhelfen könne. „Ich habe mir echt den Kopf zerbrochen, wer der Gesuchte sein könnte“, schildert Menze mit einem Schmunzeln. „Und dann machte es klick: Mein Gott, das bin ja ich, den der Mann da sucht!“
Dieser Zufalls-Begegnung war es zu verdanken, dass sich Bode Menze, Prof. Dr. Gunter Gebauer, Alexej Tschernjak und der ehemalige leitende Ministerialrat des Landes NRW Prof. Dr. Walfried König im "Charlys Schalker" trafen, in Erinnerungen schwelgten und sich über die Wichtigkeit der Nachwuchsleistungszentren austauschten.

Spannende Zeit rund um den Fußball-Nachwuchs

Bode Menze freute sich, seine Gäste zu einer hoch interessanten Gesprächsrunde begrüßen zu dürfen. Dabei erinnerte er sich gern daran, dass er 48 Jahre lang in Schalke-Nord und mit Blick auf die Glückauf-Kampfbahn gelebt hat. Darum liegt ihm dieser Stadtteil auch heute noch so sehr am Herzen, dass er nicht lange gebeten werden musste, um dem Vorstand der "Stiftung Schalker Markt" beizutreten.
Ebenso wichtig war Bodo Menze aber auch der Fußball: „Fußball ist mit Spaß und Freude verbunden, er ist aber auch optimale Integrationsmaschinerie. Und wenn das alles dann mit meiner Heimatstadt Gelsenkirchen verbunden ist, dann bin ich dabei.“ Darum war es für ihn auch keine große Frage, als er angesprochen wurde, ob er den Aufbau der Knappenschmiede übernehmen möchte.
In den beinahe 30 Jahren, die seitdem vergangen sind, hatte Menze manchen Weggefährten. Einer, mit dem er eng zusammen gearbeitet hat, war der damalige Ministerialrat des NRW-Ministeriums für Städtebau, Kultur, Wohnen und Sport, Prof. Dr. Walfried König. Mit ihm entwickelte Bode Menze die Idee einer Eliteschule des Fußballs, die von den jungen Kickern der Knappenschmiede besucht werden sollte, um Bildung und Sport optimal zu fördern.

Die Eliteschule des Fußballs im Berger Feld

„Eigentlich was die Gesamtschule Berger Feld 2007 die erste Fußball-Eliteschule, aber am Ende kam uns der VfB Stuttgart zuvor, weil Gerhard Mayer-Vorfelder sehr gut vernetzt war. Zwei weitere Eliteschulen entstanden in den neuen Bundesländern, eine davon übrigens in Gelsenkirchens Partnerstadt Cottbus, wo Klaus Sammer sich dafür einsetzte“, erinnert sich König, den Menze als Motor der Fußballschule bezeichnet.
Ein Alleinstellungsmerkmal der Gelsenkirchener Eliteschule sieht König darin, dass hier die Schüler aus der Stadt oder der Region stammen, wie Manuel Neuer, Benedikt Höwedes, Julian Draxler oder auch Leroy Sane. „Sie lebten alle zuhause, während sie die Knappenschmiede besuchten. Das war immer meine Prämisse, dass die Familie durch nichts zu ersetzen ist“, erklärt Bode Menze und Prof. Dr. König erläutert: „Und genau darin unterscheidet sich das Schalker Modell von den anderen. In Cottbus zum Beispiel wurden Spieler aus ganz Brandenburg zusammengefasst. Umso bedeutsamer war es, dass sich der damalige Schalker-Vorstand und Bodo Menze gegen das Modell des Ajax Amsterdam entschieden haben. Denn der hat seinerzeit alle Talente für sich abgefischt. Menze und ich haben die Studienerfahrung aus Frankreich bevorzugt. Dort wurden die Spieler in sogenannten "Centre de Formation" sportlich und bildungstechnisch geschult und damit sahen wir die Titel WM 1998 und EM 2000 eng verbunden.“

Menze und König sorgen für eine Revolution

Bildung und Sport zu verzahnen, war nach Ansicht der Herrenrunde schon immer ein Thema beim DFB seit den 1980er Jahren, aber es haperte an der Zusammenarbeit zwischen Vereinen und Schulen. Als eine „Revolution“ bezeichnete Bodo Menze darum den Vorstoß des FC Schalke 04 in einer Zeit, als Schule noch beinahe ausschließlich im Vormittagsbereich stattfand. „Die Zusammenarbeit hatte natürlich Konsequenzen für die Stundenpläne von Schülern und Lehrern. Aber auch die Amateurvereine waren zunächst skeptisch als ich auf der Suche nach Talenten, den Kontakt zu ihnen aufnahm“, erinnert sich Menze.
Der Fußball- und Leichtathletikverband stellte sich vor die Amateurvereine und boykottierte die erste gemeinsame Sitzung zwischen der Gesamtschule Berger Feld und den Vereinen. Doch Bodo Menze, der vor seinem Engagement bei der Knappenschmiede als Verbandsfußballlehrer tätig war, wagte es, Schalke 04 zum Pilotprojekt zu machen. Dabei hatte er in der Gesamtschule Berger Feld und ihrem Rektor Georg Altenkamp den richtigen Partner gefunden. „Altenkamp hat seiner Schule ein echtes Profil gegeben. Das dankten ihm seine Ehemaligen aber auch. So haben sie sich bei seinem Abschied per Videoschaltung verabschiedet. Manuel Neuer hat dabei dann auch eine Einladung nach Kalifornien ausgesprochen als Geschenk“, berichtet Menze.
Denn auch die anderen nordrhein-westfälischen Erstligisten sahen keine Veranlassung zu dem Projekt. „Einzig Borussia Mönchengladbach hatte unter Rolf Rüssmann Interesse. Als dieser aber den Verein verließ, war auch die Idee weg,“ schildert Menze.
2001 wurden die Nachwuchszentren ins Leben gerufen und die Talentförderung hielt mehr und mehr Einzug in den Bundesligavereinen. 2004/2005 führte der Deutsche Fußball-Bund unter der Regie seines damaligen Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder das Talentförderprogramm verpflichtend ein. Zu diesem Zeitpunkt war man auf Schalke schon viel weiter.
Das Ergebnis dieser Arbeit hängt in Menzes Büro, wie Walfried König verriet: „In Bodos Büro hängt eine Tafel mit den Spalten: Weltmeister, Europameister, Nationalspieler und Bundesligaspieler. Darin hat er all seine Schützlinge festgehalten.“ Menze konterte lächelnd: „Die war ein Geschenk von Arthur Preuß, dem Fußball-Koordinator der Gesamtschule Berger Feld, und wird irgendwann mal im Museum landen.“

Lebenslanges Lernen auch für Fußball-Profis

Der Philosoph und Sportsoziologe Prof. Dr. Gunter Gebauer lauschte gebannt den Ausführungen von König und Menze und freute sich über deren Engagement. Denn auch er ist der Ansicht, dass im Sport „der Mensch in den Fokus gerückt werden muss.“
Gebauer schließt sich der Meinung der beiden an und erklärt: „Das System in Frankreich war gut, geriet aber irgendwann ins Hintertreffen. Das Ergebnis sieht man bei den Turnieren der letzten Jahre, der WM-Titel 2018 war ein Ausreißer. Inzwischen gibt es den Impuls zurück zum bewährten System. Denn man hat erkannt, das Charakterbildung und Wertevermittlung das A und O sind. Der Weg sollte ganzheitlich und minimal zweigleisig verlaufen.“
Dabei ist dem Professor wichtig, dass Bildung einhergehen sollte mit der Zukunftsperspektive, für das Leben nach dem Fußball: „Dazu habe ich mit zwei französischen Kollegen eine Forschung initiiert, bei der es um die Untersuchung geht, wie Sportler ins Spitzenfeld kommen und wie ihr Leben nach dem Sport weiter geht.“
Ähnlich wie Bodo Menze sieht Gebauer den Fußball als Integrationsmotor, wie das Beispiel Frankreich zeigt, wo die große Mehrzahl der Spitzensportler aus Arbeiter- und oft auch Migrantenfamilien stammen.

Zufallsbegegnung soll Konferenz bewirken

Allerdings geht das Engagement Tschernjaks über diese einmalige Begegnung hinaus, denn er hofft, dass es 2021 eine Konferenz in der Veltins-Arena geben wird, bei der zum einen das 30-jährige Bestehen der Knappenschmiede gefeiert und die Ideengeber geehrt, aber auch über das Thema Fußball und Bildung diskutiert werden könnten. Diese Idee wurde von den drei Herren für gut befunden und sie versprachen, sie im EM-Jahr im Blick haben zu wollen.

Anekdoten am Rande

"Berti Vogts hat beim DFB für die Schaffung von Nachwuchszentren geworben. Er klopfte richtig auf den Tisch und forderte: Das muss passieren. Aber die Zeit war noch nicht reif", erzählte Prof. Dr. König.
"Auch der Versuch Franz Beckenbauer von der Idee zu begeistern, scheiterte zunächst. Der Vizepräsident des DFB und Präsident des FC Bayern München bevorzugte lange Zeit das Modell von Ajax Amsterdam, ehe er umschwenkte und das französische Vorbild präferierte", freute sich König am Ende doch noch.
Bodo Menze wünschte sich noch mehr Herren an den Tisch und nannte in diesem Zusammenhang Georg Altenkamp, den ehemaligen Schulleiter der Gesamtschule Berger Feld, Norbert Elgert, den Fußballtrainer der Knappenschmiede, und den Ehrenpräsidenten des FC Schalke 04 Gerd Rehberg.
"Karl-Heinz Rummenigge wollte sich in einer Laudatio für Franck Ribery seiner eigentlich guten Französisch-Kenntnisse bedienen. Der Schuss ging daneben und aus dem gewollten „Ich ziehe meinen Hut und sage chapeaux“ wurde ein Champs-Élysées," erinnerte Bodo Menze.
„Die schwarzen Schafe unter den Kindern der Oberschicht in Frankreich suchen ihren Weg oft im Sport. Ich weiß vom Sohn eines Cognak-Herstellers, der lieber Fechten als Cognak herstellen wollte. Seine Mutter gründete einen Verein und ebnete dem Sohn den Weg. Er wurde später Olympiasieger und ist heute Hersteller von Sportmaterialien,“ schilderte Prof. Dr. Gebauer

Dreh- und Angelpunkt des Gespräches war die Schalker Knappenschmiede. Foto: Gerd Kaemper
 Alexej Tschernjak, Prof. Dr. Gunter Gebauer, Bodo Menze und Prof. Dr. Walfried König trafen sich im Schatten der Veltins-Arena im "Charlys Schalker" zum Austausch. 
Foto: Gerd Kaemper
Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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