Spannende Reise in eine bedrückende Zeit
Premiere von „Das Herrenhaus im Moor“

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Wer den Weg zum Schloss Hohenlimburg hinauffährt, weiß, dass er sich auf eine Zeitreise begibt. Die Premiere und Uraufführung von „Das Herrenhaus im Moor“ am 6. August 2022 im Rahmen der Schloss-Spiele Hohenlimburg versetzte das Publikum jedoch nicht in die Zeit der Ritter, sondern in eine Zeit, in der Frauen rechtlos ihren Ehemännern und männlichen Verwandten ausgeliefert waren. Da die junge, verwaiste Lady Victoria Milton ihrem Onkel nicht gehorchen will, lässt er sie kurzerhand in einer Anstalt verschwinden. Sie gibt jedoch nicht kampflos auf. Ebenso wie Laura Milton, die in der heutigen Zeit darum kämpft, dass der Unfalltod ihres Mannes als Mord wahrgenommen wird. Da die Polizei den Fall rasch zu den Akten legt, macht sie sich selbst auf die Suche nach den Hintergründen des Todes und stößt dabei auf das geheimnisumwitterte Leben von Lady Victoria Milton. Eine nicht ungefährliche Ermittlung nimmt ihren Lauf, bei der lange unklar bleibt, wer gut und böse ist.
Eine mitreißende Inszenierung
„Das Herrenhaus im Moor“ ist die Theaterfassung des Romans der Hagener Autorin Felicity Whitmore, dem 2017 umfangreiche Recherchen über den Umgang mit störenden Frauen Anfang des letzten Jahrhunderts vorausgingen. Der Hagener Theaterautor Stefan Schroeder hat aus den 400 Seiten eine Essenz gezogen und diese für die Bühne aufbereitet. Es ist ihm zusammen mit Dario Weberg, Intendant der Schloss-Spiele Hohenlimburg, gelungen, durch Licht, Musik und Kostüm die Zeitebenen so darzustellen, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer immer wussten, in welcher Zeit sie sich gerade befanden. Auch wenn das Ende der Lebensgeschichte von Lady Victoria Milton bald klar wurde, blieb die Spannung erhalten, schließlich hatte sie einen Nachkommen, der irgendwie und irgendwo das Licht der Welt erblickt haben musste. Die Frage, was Laura Milton über den Tod ihres Mannes herausfinden würde, sorgte zusätzlich dafür, dass das Publikum gespannt auf das Ende fieberte.
Überzeugende Schauspielerinnen und Schauspieler
Eine mitreißende Geschichte ist die eine Seite des Theaters, entscheidend sind die Darstellerinnen und Darsteller und das Regiekonzept und da kann man nur sagen: Chapeau! Jede und jeder schaffte es, auf der Bühne seine Rolle treffend auszufüllen und durch Körpersprache, Mimik und Stimme die Besonderheiten der Personen zu vermitteln. Das größte Lob gebührt den beiden Hauptdarstellerinnen im historischen und zeitgenössischen Strang: Karolin Kersting durchlief überzeugend die Tiefen, die sie nach dem Leben als Lady Victoria Milton erwartete, und fand immer wieder die Kraft, ihren Mitgefangenen Mut zu machen und neue Lösungswege zu ersinnen und umzusetzen. Anna-Christina Reske verwandelte die Trauer um ihren Mann in Energie, ohne dabei den Verlust zu verdrängen.
Es ist nicht möglich, von den Nebenrollen eine besonders hervorzuheben. Autor Stefan Schroeder hat sich mit derselben Arroganz in die Rolle des habgierigen, überheblichen Onkels wie Dario Weberg in die Rolle des Arztes, der zum Komplizen vieler Männer wird, die ihre Frauen, Töchter und weiblichen Angehörigen loswerden möchten. Eine weitere zentrale Rolle für den Handlungsstrang rund um Lady Victoria Milton war mit Lucas Brosch besetzt, dem man seine Zuneigung für die junge Frau, seine Sorge und sein Bestreben, sie zu retten, jederzeit abnahm. Bei der Suche nach einer Antwort spielte Dirk Stasikowski als Nicholas Milton, Nachfahre von Victorias intrigantem Onkel, eine entscheidende und überzeugende Rolle. Die übrigen Darstellerinnen und Darsteller hatten zwar teilweise kleine Rollen, die für den Fortgang der Handlung allerdings bedeutsam waren, und sie verkörperten verschiedene Charaktere, was immer eine besondere Herausforderung ist. Daniela Menzel musste von der forschen Polizistin zur demütigen Anstaltsinsassin wechseln, Bettina Stöbe von der bösen Schwester zur überheblichen Gutsbesitzerin Caroline Wade. Simon Jakobi war in der einen Szene ihr freundlicher Sohn und gleich darauf der brutale Pfleger, der zusammen mit dem von Tom Rex verkörperten Kollegen Lady Victoria unsanft durch die Anstalt schubst. Annette Hollnack schien es Vergnügen zu bereiten, in der Rolle der giftigen Schwester Marygold ungestraft ihre Zöglinge zu triezen. Diana Gaertig bewältigte die Aufgabe, von der freundlichen aufgeschlossenen Wirtin des Red Ball Inn in die Rolle der gebrochenen Anstaltsinsassin zu wechseln. Ingo Löwen nahm man den unbedarften Cousin von Lady Victoria ebenso ab wie den hilfsbereiten Wirt des Red Ball Inn und den Anwalt Mr. Hobbs, auf dessen Schultern alle Hoffnung Lady Victorias vergeblich ruhten. Kerstin Menzebach konnte zumindest ihre Arroganz in beiden Rollen an den Tag legen, als Assistentin der Gutsbesitzerin und Schwester in der Anstalt.
Ein gelungenes Gesamtkunstwerk
Ihren außergewöhnlichen Charakter hat die Inszenierung auch durch die Musik bekommen, die der Hagener Komponist und Pianist Martin Brödemann extra komponiert und auch selbst vorgetragen hat. So entstand eine beeindruckende Inszenierung, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Die Schloss-Spiele haben sich mit dieser Premiere noch einmal übertroffen.
Für die nächsten Aufführungen am 12., 14. und 20. August sind noch Restkarten erhältlich, Informationen zu den Verkaufsstellen und zum weiteren Programm der Schloss-Spiele Hohenlimburg finden sich auf www.schlossspiele.de

Autor:

Birgit Ebbert aus Hagen

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