NS-Prozess startet vor dem Landgericht in Hagen

Vor dem Hagener Landgericht hat am Montag einer der wahrscheinlich letzten großen NS-Prozesse begonnen. Angeklagt ist ein 92-jähriger Mann aus Breckerfeld. Er soll vor fast genau 69 Jahren einen niederländischen Widerstandskämpfer erschossen haben.

Schon über eine Stunde vor Prozessbeginn hatte sich die internationale Presse vor dem Schwurgerichtssaal des Hagener Landgerichts versammelt. Als der 92-jährige Breckerfelder auf seinen Rollator gestützt den Saal betrat, brach ein regelrechtes Blitzlichtgewitter los, das minutenlang anhielt.
Laut einem Lebenslauf aus dem Jahr 1944 war der gebürtige Niederländer Siert B. 1942 freiwillig in die Waffen-SS eingetreten und hatte die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen. Zum Zeitpunkt der Bluttat war er Angehöriger des deutschen Grenz- und Sicherheitspolizeipostens Delfzijl in den Niederlanden.
Mit einem inzwischen verstorbenen Mittäter soll er am 21. September 1944 den Niederländer Aldert Klaas Dijkema verhaftet haben. Der junge Mann stand unter Verdacht, Angehöriger des niederländischen Widerstands gegen die Nationalsozialisten zu sein. Laut Anklage brachten der Angeklagte und der Mittäter Dijkema zu einem abgelegenen Fabrikgelände, wo sie ihn beide zusammen oder einer von ihnen mit vier Schüssen hinterrücks ermordeten. Später stellten sie es so hin, als hätten sie den jungen Mann auf der Flucht erschossen, so die Anklage weiter.
Zu den Vorwürfen wollte sich der recht rüstige und voll verhandlungsfähige 92-jährige aber nicht äußern. Sein Verteidiger Klaus-Peter Kniffka erklärte: „Mein Mandant wird derzeit keine Angaben machen. Später wird er sich gegebenenfalls äußern, aber nicht heute.“
Nach einem ähnlichen Prozess im Jahre 1980 war es ruhig um Siert B. geworden. Damals war er zu sieben Jahren Haft wegen Beihilfe zum Mord an zwei jüdischen Brüdern verurteilt worden. Bis vor kurzem führte er ein beschauliches Rentnerdasein. Neben einigen alterstypischen Krankheiten geht es dem 92-jährigen gut. Er liebt es, bei gutem Wetter mit seinem Rollator kleine Spaziergänge zu machen und hat einen geregelten Tagesablauf.
Zuletzt brach auf dem Gerichtsflur noch einmal Aufregung um Siert B. aus. Journalisten richteten zahllose Kameras und Mikrofone auf ihn, als er den Rückzug aus dem Gerichtssaal antrat. Aber er blieb stumm.

Autor:

Lokalkompass Hagen aus Hagen

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