Am Samstag ist der Tag des Kusses
LWL-Volkskundler dokumentieren Küsse im Volkslied

Küsse - wenn auch nicht diejenigen von Kindern - sind und waren ein beliebtes Motiv in Volksliedern und Schlagern. Foto: LWL/Volkskundearchiv/Happe
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  • Küsse - wenn auch nicht diejenigen von Kindern - sind und waren ein beliebtes Motiv in Volksliedern und Schlagern. Foto: LWL/Volkskundearchiv/Happe
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Westfalen. "Kiss me quick" (Küss mich schnell) sang Elvis 1963 und brachte mit diesem Hit den Wunsch vieler Menschen nach Liebe, Treue und enger, lebenslanger Bindung zum Ausdruck. Zum Tag des Kusses am Samstag (6.7.) haben sich die Volkskundler beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) untersucht, welche Rolle Küsse im Volkslied spielen.

"Solche mit Küssen verbundene Treueschwüre wie bei Elvis gibt es auch im Liedgut vergangener Jahrhunderte", weiß Christiane Cantauw von der Volkskundlichen Kommission des LWL. Dass aber Küssen nicht gleich küssen ist, wussten auch schon unsere Ur-Großeltern. "In den Liedern ist von verbotener Liebe, von Treuebruch, von vergeblichem Liebeswerben und manchmal auch von recht emanzipierten jungen Frauen die Rede, die sich das Recht nehmen, denjenigen zu küssen, den sie sich ausgesucht haben", erzählt Cantauw, die das über 10.000 Titel umfassende Liedarchiv der Volkskundlichen Kommission einmal unter dem Stichwort "Kuss" durchsucht hat.

Nicht immer stehen Küsse in den Liedern in einem Zusammenhang mit Sexualität

Nicht immer stehen Küsse in den Liedern in einem Zusammenhang mit Sexualität. Wenn zum Beispiel von dem Kuss eines Engels die Rede ist ("Es geht durch alle Lande, ein Engel still umher"), der über ein Kind wacht und es am Morgen "mit stillen Kuss" weckt, dann ist dieser Kuss als ein Geschenk des Himmels gemeint, der die Liebe Gottes zum Ausdruck bringen soll. Der "keusche Kuss" bildet allerdings eine Ausnahme. Weitaus mehr Lieder bringen Küsse in eine Art "Chronologie der Liebe": Da folgt zum Beispiel auf eine erste Verliebtheit ein Tanz, die Verliebten arbeiten gemeinsam, küssen sich und heiraten schließlich. "So einfach ist es allerdings nur in den seltensten Fällen: In den Liedern wird gelogen und betrogen, und das Heiratsversprechen, das der Kuss darstellt, erfüllt sich vielfach nicht - sei es, weil der Geliebte im Krieg oder auf See den Tod findet, sei es, weil die Liebe zerbricht oder verraten wird", erläutert Cantauw.  Wer jetzt automatisch an die ledige Mutter denkt, die von ihrem Geliebten verlassen wurde ("Gretchen saß weinend im Garten"), der täuscht sich aber: Die jungen Frauen sind längst nicht immer diejenigen, die verlassen werden. In den Liedern geht es durchaus auch umgekehrt ("Ein niedliches Mädchen, ein junges Blut"). Und auch die Eltern haben vielfach noch ein Wörtchen mitzureden, wenn sie beispielsweise die Tochter vor dem Eingehen einer allzu frühen Bindung warnen und darauf hinweisen, dass es für sie, wenn sie erst einmal Mutter geworden ist, mit Spaß und Tanz vorbei ist ("Ich habe mein Feinsliebchen").  Aus welcher Zeit und vom wem die Lieder genau stammen, lässt sich nur schwer sagen. Vielfach ist zwar dokumentiert, wann und wo sie aufgezeichnet wurden, in der Regel wurden sie aber lange zuvor schon von Mund zu Mund weitergegeben. "Verbreitung fanden solcherart Lieder in den Familien, wo sie häufig wiederholt und so von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Zu hören waren sie aber auch auf Jahrmärkten und Kirmessen, wo sie von mehr oder weniger professionellen Sängerinnen und Sängern vorgetragen wurden. Für ein wenig Geld konnten Interessierte von ihnen die Liedtexte kaufen oder sie lauschten sie sich einfach ab", erklärt Cantauw.

Dass der Kuss kulturwissenschaftlich ein durchaus spannendes Terrain darstellt, lässt sich auch dem Alltagskulturblog der Volkskundlichen Kommission entnehmen, der unter der Adresse https://blog.volkskundliche-kommission.lwl.org/de u.a. mit einem "Liebesthermometer von 1909" aufwartet, das den ersten Kuss in eine Chronologie der Liebe einordnet.

Küsse - wenn auch nicht diejenigen von Kindern - sind und waren ein beliebtes Motiv in Volksliedern und Schlagern. Foto: LWL/Volkskundearchiv/Happe
Dieser Kuss zweier Liebender im Mai 1934 auf einer Landstraße eignet sich zur Veranschaulichung vieler Liebeslieder. Foto: LWL-Volkskundearchiv/Tell
Autor:

Michael Menzebach aus Haltern

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