Direkt aus dem Amtsgericht in die Untersuchungshaft

Das hätte der Angeklagte (26) sich vermutlich morgens auch noch nicht träumen lassen, dass er den Abend dieses Tages in Untersuchungshaft verbringen muss. Doch genauso sollte es kommen.

von dr. anja pielorz
HATTINGEN. Mehrfach hat der Angeklagte bereits Verurteilungen bekommen, öfter auch wegen Körperverletzung. Im Gefängnis war er bisher noch nicht, aber eine Bewährungsstrafe wurde ihm auferlegt und genau in der Bewährungszeit wurde er erneut straffällig und wieder wegen Körperverletzung.
In der Wohnung eines Kumpels traf er sich mit drei weiteren Zechkumpanen.
Zu viert vertilgte man offensichtlich größere Mengen von Wodka. Irgendwann gerieten der Angeklagte und das spätere Opfer in Streit, wobei das Opfer dem Angeklagten die Mütze vom Kopf schlug. Weil alle immer lauter wurden, setzte der Wohnungsinhaber die drei Kumpane kurzerhand vor die Tür.
Draußen eskalierte die Situation. Das Opfer beschrieb als Zeuge, er habe plötzlich und unerwartet einen heftigen Schlag vor den Kopf bekommen und sei erst im Krankenwagen wieder aufgewacht. Wer ihn genau geschlagen hat, habe er nicht gesehen.
Gegenüber seinem Vater und seiner Schwester schilderte er das Geschehen und obwohl er selbst keine Strafanzeige machen wollte, stellte sein Vater schließlich schriftlich den Strafantrag.
„So etwas darf doch nicht ungestraft davon kommen“, so der Vater, der als Zeuge vom Gericht vernommen wurde. Sein Sohn habe Angst gegenüber den Kumpels, doch die Heftigkeit des Schlages könne man hier nicht durchgehen lassen.
Das sah man vor dem Gericht auch so. Die Ermittlungen der Polizei und die Identifizierung durch die Schwester brachten schließlich den Angeklagten vor den Richter.
Der leugnete zuerst und erklärte, zur fraglichen Zeit gar nicht am Tatort, sondern in einer Disko gewesen zu sein. Er habe dafür auch einen Zeugen, der allerdings zur Hauptverhandlung gar nicht erst erschienen war. Glücklicherweise, stellte sich doch im Laufe der Verhandlung heraus, dass die Geschichte erlogen war und der Angeklagte sich tatsächlich am Tatort befunden hatte.
Im Vorfeld hatte der Angeklagte außerdem versucht, die zwei übrigen Zeugen sowie das Opfer zu manipulieren. Die Zeugen sollten in seinem Sinn aussagen, vom Opfer erpresste er sich einen Brief, er sei es gar nicht gewesen.
Schnell kamen Staatsanwaltschaft und Richter den Lügen auf die Spur und ließen die Sitzung unterbrechen, damit der Zeuge noch einmal nachdenken konnte und der Angeklagte sich noch einmal über die Konsequenzen durch seinen Verteidiger aufklären lassen konnte. Während Staatsanwaltschaft, Richter und Verteidigung ein Rechtsgespräch führten, besprachen sich Angeklagter und Zeuge auf polnisch im Gerichtssaal.
Nachdem die Verhandlung fortgesetzt wurde, erklärte der Zeuge plötzlich, er wolle eine andere Aussage machen und bestätigte im wesentlichen die Darstellung des Opfers. Der Angeklagte gab ebenfalls plötzlich zu, vor Ort gewesen zu sein, auch geschlagen zu haben, aber aus Notwehr, weil ihn das Opfer zuerst angegriffen habe.
Auch das glauben ihm Richter und Staatsanwalt nicht. Ein Jahr Freiheitsstrafe, so lautet das Urteil. Und weil das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, der Angeklagte aber massiv versucht hat, Zeugen zu beeinflussen, beantragt der Staatsanwalt Haftbefehl wegen Verdunkelungsgefahr. Der Richter sieht dies auch so.
Daher kann der Angeklagte aus dem Gerichtssaal heraus gerade noch seine Mutter anrufen und ihr das Urteil mitteilen, bevor er von der Polizei abgeholt und in Untersuchungshaft gebracht wird.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

11 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.