Über Glücksmomente, zerstörten Rasen und Muskelkater eines Golf-Anfängers

"Das kleine Weiße muss ins kleine Runde" oder "Die letzten Zentimeter sind meistens die schwersten": Für Christoph Schulte, freier Mitarbeiter beim STADTSPIEGEL, war bei seiner Golf-Premiere nicht nur auf dem teppichartigen Grün Zielsicherheit angesagt. | Foto: André Günther
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  • "Das kleine Weiße muss ins kleine Runde" oder "Die letzten Zentimeter sind meistens die schwersten": Für Christoph Schulte, freier Mitarbeiter beim STADTSPIEGEL, war bei seiner Golf-Premiere nicht nur auf dem teppichartigen Grün Zielsicherheit angesagt.
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Vor wenigen Wochen in Rio: Ich verfolge im Fernsehen gebannt - nein, nicht Usain Bolts 100-m-Sprint und auch nicht Michael Phelps x-te Schwimm-Goldmedaille, sondern das Geschehen um Deutschlands Ass Martin Kaymer beim olympischen Golfturnier - zum ersten Mal seit 112 Jahren geht's wieder um Gold, Silber und Bronze. Bereits seit langem bin ich fasziniert von dem Spiel mit dem im Durchmesser nur 43 mm messenden und maximal 45,93 g schweren Flugobjekt aus Hartgummi. Nach Rio stand fest: nicht nur zuschauen, sondern ausprobieren!

Doch leichter gesagt als getan. Denn in Deutschland hat der Golfsport immer noch mit dem ewigen Vorurteil eines elitären Seniorensportes zu kämpfen. Zumindest die Sache mit dem "elitär" stimmt vielerorts noch. Denn in den meisten Golfclubs dürfen nach wie vor nur Mitglieder spielen oder Gäste gegen eine Gebühr von 50 Euro aufwärts für eine 18-Loch-Runde. Und einen weiteren Haken gibt es bei der Sache noch. Überall braucht man die sog. Platzreife, die man erst nach einem Kurs samt abschließender Prüfung erhält. Überall? - Nein, es gibt Ausnahmen. Und eine davon ist der Golfclub Gelstern bei Lüdenscheid (www.gc-gelstern.de), wo zumindest auf vier Bahnen wirklich jeder sein Talent oder auch Nichttalent ausprobieren darf. Also los! Zusammen mit dem Kollegen André Günther - er immerhin mit Platzreife - starten wir in mein Golf-Abenteuer.
Erste Station ist das Clubhaus, wo wir - ähnlich wie beim Minigolf - eine Tageskarte für 15 Euro und eine kleine Auswahl an Leihschlägern erstehen. Doch bevor es endlich losgeht, steht dann erst mal ein bisschen Aufwärmen und Üben auf der sog. Driving Range an. Das ist eine Art Übungswiese mit jeder Menge Abschlagplätzen nebeneinander und Entfernungsschildern zur Orientierung, die bei 50 Metern anfangen und erst bei 200 Metern aufhören. "Nimm erst mal ein Eisen 7 und probiers einfach mal", lautet der lapidare Tipp meines Kollegen, der mir aber auch noch ein paar grundsätzliche Ratschläge zum Bewegungsablauf und Schlägerhaltung mit auf den Weg gibt. Aha - hört sich ja "total einfach" an.

Wenn er denn das erste Mal fliegt...

Gesagt, getan. Prompt weicht in den nächsten Momenten meine irrwitzige Euphorie tiefstem Frust. Denn die ersten Bälle hoppeln lediglich wenige Meter durchs Gras, treffen praktisch im rechten Winkel den seitlichen Fangzaun oder bewegen sich im schlimmsten Fall keinen Zentimeter, weil ich sie überhaupt nicht getroffen habe. Für einen erneuten Stimmungsumschwung sorgt erneut mein Kollege mit einem weiteren Tipp. "Den Blick die ganze Zeit während des Schwungs immer auf den Ball richten und ganz ruhig durchschwingen." Siehe da, der erste Ball erhebt sich wirklich in die Lüfte - wenn auch nur für rund 50 Meter. Aber egal - ich kann's! (denke ich zumindest). Anschließend üben wir noch ein paar Minuten "das kurze Spiel", sprich das Putten auf dem Grün. Ist ja ein Klacks - und nicht viel anders als beim Minigolf (denke ich wieder für den Moment und beim "Versenken" des ersten Balls aus stolzen 80 Zentimetern).
Dann wird es endlich ernst. Die erste Bahn. "Das ist ein kurzes Par 3, rund 100 Meter lang", gibt sich André Günther als Experte, "Profis brauchen dafür drei Schläge; für uns wäre es schon gut, wenn wir es mit der doppelten Schlagzahl schaffen." "Sehr ermutigend", denke ich - vor allem, nachdem ich meinen Abschlag nach nur 20 Metern am rechten Bahnrand nach längerem Suchen im kniehohen Gras endlich wiedergefunden habe. Die Euphorie von der Driving Range ist blitzschnell verflogen. Der nächste "Experten-Tipp" kommt aber prompt. "Nur wieder auf die Spielbahn zurückspielen." Wenn's mehr nicht ist... Nach drei weiteren erfolglosen Versuchen hoppelt der Ball dann endlich ein paar Meter aus dem Dickicht heraus auf das kurz gemähte Gras. Nach sechs weiteren Schlägen liege ich bzw. mein Ball endlich auf dem "Grün" - rund drei Meter vom Loch entfernt. Ein Klacks - denke ich, denn nach meinem ersten Putt rollt der Ball nicht nur die Distanz bis zum anvisierten Ziel, sondern knapp daran vorbei und - was viel schlimmer ist - auf der teppichartigen Rasenfläche anschließend noch fünf Meter über das Ziel hinaus. "Das Grün ist schneller als gedacht, nicht wahr?", grinst mein Kollege mit einem Anflug von besserwisserischer Schadenfreude. Aber nach zwei weiteren Schlägen bin ich endlich am Ziel bzw. im Loch gelandet. Ich habe inzwischen aufgehört zu zählen, aber rund 15 Schläge dürften es gewesen sein.
Aber Aufgeben gilt bekanntlich nicht und es kann ja eigentlich nur noch besser werden. Und das wird es in der Tat auf den nächsten Bahnen, auch wenn die Glücksmomente eines Abschlages, der mal einigermaßen gerade auf der Spielbahn landet, schnell von Rückschlägen wie "Ball im undurchdringlichen Dornengebüsch verschwunden" oder "Ball auf Nimmerwiedersehen im einzigen, winzigen Tümpel versenkt" abgelöst werden. Doch mein Spiel wird nach jeder Bahn immer sicherer. Das ist zumindest mein persönliches Empfinden, auch wenn mein "Schwung" wohl nach wie vor jedem einigermaßen fähigen Golfspieler das Entsetzen ins Gesicht projizieren würde. Aber was soll's. Es macht jedenfalls immer mehr Spaß und auf der zweiten Runde, also dem fünften Loch, passiert es dann - mein ganz persönlicher Golf-Glücksmoment. Der Abschlag fliegt schnurgerade aus rund 80 Meter weit - Mitte Fairway. Mit dem zweiten Schlag lande ich bereits ebenso mittig auf dem Grün und mit lediglich einem weiteren Putt ist es geschafft! "Gratuliere, das war ein Par, also der Platzstandard." Auch André Günther kann es nicht wirklich fassen. Dass es sich dabei um reines Anfängerglück gehandelt hat, beweisen die folgenden Löcher, wie nicht anders zu erwarten war, "eindrucksvoll". Aber das stört mich überhaupt nicht mehr. Als wir nach zwölf gespielten Löchern und einer zurückgelegten Strecke von mehreren Kilometern völlig ausgelaugt wieder das Clubhaus ansteuern, blicke ich ganz persönlich trotzdem auf eine überaus erfolgreiche Golf-Premiere zurück. Wiederholung trotz heftigem Muskelkater am ganzen Körper garantiert!
Ach ja: Und wenn mal wieder jemand Golf als Freizeitbeschäftigung für reiche Senioren beschreibt, werde ich zukünftig vehement intervenieren.

Autor:

Christoph Schulte aus Hemer

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