Türkische Migrantenfamilie - integriert und erfolgreich

Hava Aynur mit ihrem jüngsten Enkel Ozan, dessen Mutter Yadiker (r.), ihrem Sohn Coskun und dessen Ehefrau Nunye
  • Hava Aynur mit ihrem jüngsten Enkel Ozan, dessen Mutter Yadiker (r.), ihrem Sohn Coskun und dessen Ehefrau Nunye
  • hochgeladen von Dr. Margrit Sollbach-Papeler

Die Familie Aynur in Herdecke ist ein Beispiel für eine gelungene Integration von türkischen Mitbürgern in Herdecke. Als Hava (auf Deutsch Eva, Jg. 1950) Aynur ihrem Ehemann Hicabi 1973 mit vier ihrer fünf Kinder aus dem Nordosten der Türkei nahe der Schwarzmeerküste nach Herdecke folgte, ahnte sie jedoch nicht im Geringsten, was einmal auf sie zukommen würde. Ihr Ehemann war zu der Zeit schon zwei Jahre in Herdecke und hatte Arbeit im Tiefbau gefunden. Die älteste Tochter, damals 9 Jahre alt, blieb zunächst noch für ein Jahr bei ihrer Großmutter in der Türkei. In Herdecke wurden dann noch zwei weitere Töchter geboren. Doch als die Mutter mit ihrer Tochter Yadiker schwanger war, verstarb 1981 plötzlich ihr Ehemann. Damit fehlte auf einen Schlag der Ernährer der Familie. Hava Aynur saß mit ihren fünf bzw. kurz danach sechs Töchtern und einem Sohn alleine da. Dabei war die Älteste gerade einmal 17 Jahre alt. Doch ließen sich H. Aynur und ihre Kinder nicht unterkriegen. Der Haushalt wurde vollkommen neu organisiert und die ältesten Töchter übernahmen Mutterstelle an ihren jüngeren Geschwistern. Sie hatten natürlich auch für das Essen und die Kleidung zu sorgen. Zu den neuen Pflichten, vor allem der zweitältesten Tochter Tülin, gehörte jetzt auch der Besuch der Elternsprechtage und der Klassenkonferenzen für ihre jüngeren Geschwister. Mutter Aynur ging nämlich arbeiten, um das nötige Geld für den Unterhalt der Familie herbeizuschaffen. Auf Sozialhilfe wollten sie keineswegs angewiesen sein. In einer Reihe von Herdecker Haushalten putzte sie jahrelang zu deren vollen Zufriedenheit. Wenn sie aus irgendeinem Grunde verhindert war, sprang eine ihrer Töchter ein. Um den Schulbesuch bzw. das Studium zu finanzieren, nahmen sie auch selbst Putzstellen an. Als die älteste Tochter heiratete, wurde deren Ehemann in die Familiengemeinschaft auch als aktives und unterstützendes Mitglied aufgenommen. Aber auch von Herdecker Bürgerinnen und Bürger erhielt die Familie ganz selbstverständlich Hilfe und Unterstützung, wie Hava Aynur dankbar erwähnt.

Bildungschancen genutzt

Mutter Hava legte großen Wert auf die Schulbildung ihrer Kinder und das trotz der geringen finanziellen Mittel. So haben 6 der 7 Geschwister studiert, z. B. angewandte Sozialwissenschaft, Wirtschafts- und Betriebswirtschaft, oder sie haben zumindest eine qualifizierende Berufsausbildung. Zu Weihnachten gab und gibt es auch heute noch für die Kinder der Familie Aynur kleine Geschenke, damit diese nicht gegenüber anderen Kindern zurückstehen mussten bzw. müssen. Mittlerweile sind alle Kinder von H. Aynur verheiratet. Zwei wohnen heute wieder in Herdecke, die übrigen haben ihr neues Zuhause in Memmingen, Bochum, Hagen oder Mülheim gefunden. Die Mutter Aynur wohnt in einem Appartement in der Nähe ihres einzigen Sohnes Coskun in Herdecke. Die Ehepartner ihrer Kinder sind alle türkischer Abstammung und die Meisten von ihnen lebten vor ihrer Heirat bereits längere Zeit in Deutschland. Nur die Ehefrau Nunye von Coskun wuchs in der Türkei auf. Als die Beiden vor ca. 8 Jahren heirateten und Nunye nach Herdecke kam, nahm sie auf Anraten ihres Ehemanns an einem 9-monatigen Deutsch-Crash-Kursus an der Ruhruniversität Bochum teil. Have Aynur ist natürlich stolz auf ihre erfolgreichen Kinder und mittlerweile 7 Enkel und einem Urenkel. Der jüngste Enkel Ozan wurde im Dezember letzten Jahres geboren.

Mutter war zuerst entsetzt

Vor ein paar Jahren war sie jedoch über ihren Sohn Coskun entsetzt. Als dieser ihr vor einigen Jahren eröffnete, dass er das denkmalgeschützte Haus Hauptstraße 1 in Herdecke gekauft hatte, habe sie vor Fassungslosigkeit geweint, wie sie erzählt. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass aus dem damals arg heruntergekommenen Fachwerkbau etwas werden würde. Ihrer Meinung nach war das Geld zum Fenster hinausgeworfen, denn sie war es gewohnt, jeden Pfennig bzw. Cent mindestens dreimal umdreht, um ja nichts Unnötiges zu kaufen! Jetzt staunt sie und freut sich, was für ein Schmuckstück ihr Junge aus diesem Haus gemacht hat, natürlich auch unter aktiver Mithilfe der übrigen Familienmitglieder. Mittlerweile betreibt Nunye Aynur dort sogar erfolgreich ein qualitätsvolles Café.

Kontakt zur alten Heimat nicht abgebrochen

Doch den Kontakt zu ihrer alten Heimat hat Hava Aynur nicht verloren. Wenn irgend möglich, besucht sie ihre dort lebenden Familienangehörigen. Leider leben von ihren ursprünglich 7 Brüdern und Schwestern außer ihr nur noch zwei Schwestern, darunter ihre Zwillingsschwester. Trotz ihrer gesundheitlichen Probleme lässt sich Hava auch heute noch nicht unterkriegen. Ihre Deutschkenntnisse lassen zwar zu wünschen übrig, da sie zum Deutsch lernen einfach keine Zeit hatte. Dafür sind aber alle ihre Kinder und deren Familien perfekt zweisprachig und in der deutschen Gesellschaft voll und ganz integriert. Für ihre Kinder ist sie aber immer noch da, wenn sie gebraucht wird. Aber auch ihre Kinder sind für sie da und fahren z. B. mit ihr zum Einkaufen. Allerdings sieht Hava Aynur zurzeit recht skeptisch einer anstehenden Hüftoperation entgegen.

Autor:

Dr. Margrit Sollbach-Papeler aus Herdecke

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