Schlafstörungen im Gewand von Sicherheitmaßnahmen

Schlafstörungen im Gewand von Sicherheitmaßnahmen

Geschrieben von Eric Cathey, Todeszelleninsasse in Polunsky Unit, Texas

Haben Sie sich überhaupt schon einmal ernsthaft Gedanken über ihre Gott gegebenen Rechte, die Sie als Mensch haben, gemacht?
Wenn Sie noch nie darüber nachgedacht haben, dann nehmen Sie sich doch einen Moment Zeit dazu und denken Sie über meine Frage nach ...

Wie würden Sie reagieren, wenn jemand versucht, Sie von einem dieser Rechte abzuhalten, nur weil Sie nicht mehr Ihren Freiheitsstatus besitzen?

Würden Sie wütend werden?
Rebellisch sein?
Oder nichts tun, da Sie glauben, es gibt keine Möglichkeit etwas zu ändern? Würden Sie die Situation so akzeptieren, wie sie ist?
Nun, ich glaube, dass diese Grundrechte von uns Menschen nicht ohne Grund verletzt werden dürfen.
Und keine staatliche Behörde oder Stelle sollte die Befugnis haben, die von Gott gegebenen Rechte eines anderen menschlichen Wesens zu zerstören.

Ob aus Bosheit oder bloßer Unwissenheit, eines dieser Rechte wird im Todestrakt von Texas regelmässig verletzt.
Und dabei geht es um das gottgegebene Recht zu schlafen!
Schlaf ist ein wesentlicher Mechanismus des Körpers, der von uns gebraucht wird, um unseren Körper und Geist die Ruhe zu geben, die wir brauchen. Und diese Ruhe ist eine notwendige Voraussetzung, damit wir Kraft und Energie tanken können.
Dies ist etwas, was die Bundesgerichte anscheinend alle verstehen.
Denn es vorgeschrieben, dass ALLEN Gefangenen mindestens fünf Stunden ununterbrochener Schlaf pro Nacht gewährleistet werden muss.
Diese Gerichtsentscheidung wurde in den achtziger Jahren in Kraft gesetzt.
Aber mittlerweile haben medizinische Wissenschaftler festgestellt, dass unser Körper jeden Tag sogar ungefähr sieben bis acht Stunden Schlaf brauchen um sich zu regenerieren.
Doch Polunsky Unit lehnt es ab, sich an das verbindliche Bundesgesetz oder die sachliche Analyse der medizinischen Wissenschaft zu halten. Und der Grund, warum diese Verletzung weiterhin begangen wird, ist die Sicherheit.
Ja, es stimmt natürlich, das Sicherheit in einer Justizvollzugsanstalt Top-Priorität haben muss.
Aber Schlafstörungen sollten dafür nicht in Kauf genommen werden müssen.

Diese Verletzung unter dem Deckmantel einer Sicherheitsprüfung beginnt jeden Abend.
Abends müssen die Wachen alle dreißig Minuten einen Rundgang durch den gesamten Trakt machen und dabei schauen sie in jede Zelle. Einige Wärter sind höflich, und richten ihre grellen Taschenlampen in Richtung Decke, um die Zellen zu beleuchten, wenn das Zellenlicht gelöscht wurde. Dies ist vollkommen ausreichend, um zu erfahren, ob die Person die dort untergebracht ist, immer noch lebendig ist.
Aber der größte Teil der Wachen leuchtet mit dem Taschenlampenstrahl direkt in das Gesicht des Insassen und hält es dort, bis die Person aufgewacht ist und sich bewegt!
Und das Ganze noch schlimmer zu machen, schalten die Wachen um 23.00 Uhr die hellen Leuchtstoffröhren unserer Zellen wieder an, um uns zu zählen.
Sie könnten das extra für diesen Zweck gedimmte Nachtlicht aktivieren, aber sie tun es nicht!
Ich erinnere mich, dass ich, als es das letzte Mal passierte, die Wache fragte: „Warum machen Sie immer in allen Zellen die Lichter an? Sie kommen doch sowieso schon alle 30 Minuten vorbei und leuchten uns mitten ins Gesicht!“
„Wir erledigen unseren Job“, antwortete mir die Wache verärgert.
„Sei es, wie es sei, aber es ist bestimmt nicht Teil ihrer Job-Beschreibung jede Nacht immer wieder meinem Schlaf zu unterbrechen.“
„Aber es ist ein Teil davon , um sicherzustellen, dass Sie noch am Leben sind.“
„Es gibt aber bestimmt Möglichkeiten, Ihre Arbeit zu tun, ohne uns immer aufzuwecken.“
„Ich brauche dich nicht, um mir zu sagen, wie ich meinen Job zu tun habe!“, sagte die Wache und fuhr dann fort mit der Sicherheitskontrolle.
Solche Begegnungen mit den Wärter finde ich immer wieder ziemlich frustrierend.
Ich verstehe natürlich, dass diese dreißigminütigen Sicherheitskontrollen erlassen wurden, weil sich die Selbstmordrate erhöht hatte, und die Gefängnisverwaltung so außerdem versucht, den Schmuggel unter den Gefangenen einzudämmen.
Aber trotz dieser legitimen Gründe, wird die Ausführung dieser Maßnahme in Polunsky Unit sehr menschenrechtsverletzend durchgeführt.
Sie hat zu einem Machtmissbrauch geführt.

Der beste Beweis eines solchen Missbrauchs erfolgte vor Kurzem in Zusammenhang mit dem Insassen Bill Colbert.
Der ältere Mann erzählte mir seine Geschichte, während wir unseren einstündigen Freigang hatten.
Er schlurfte zu mir herüber und schenkte mir mit müden Augen einen freundlichen Blick. Dann fuhr sich Mr. Colbert mit seiner runzeligen Hand über seine blassen Lippen, um mir leise von dem Vorfall zu erzählen.
Die andauernden Schlafunterbrechungen hatten Mr. Colbert der dringend benötigen Ruhe und Erholung beraubt.
Er hatte um 2.15 Uhr in der Nacht sein Frühstückstablett erhalten. Um ein bißchen dringend benötigten Schlaf zu bekommen, wickelte sich Mr. Colbert danach ein Tuch über seine Augen.
Aber der Sandmann hatte beschlossen, ihn in dieser Nacht zu überspringen, denn kurz nach dem Austeilen des Frühstückstabletts weckte ein Wärter Mr. Colbert wieder auf.
Dieses Mal war es, um ihm ein Mitteilungsschreiben zu geben, dass er ein Disziplinarverfahren bekommen würde, weil er sein Frühstückstablett nicht zurückgegeben hatte!
„Big Cat“, rief er mich mit meinem Spitznamen, „ich habe ihnen gesagt, dass ich mich gar nicht geweigert habe, es zurückzugeben!“
„Ich glaube dir . Ich weiß, wie die Dinge hier laufen.“
„Ich war so unglaublich müde, weil ich die ganze Nacht über ständig geweckt wurde. Alles, woran ich noch denken konnte, war, noch etwas zu Schlaf zu kriegen, nachdem das Frühstück verteilt worden war.“
„Ich kenne das Gefühl“, sagte ich ihm. Dass ist auch der Grund, warum ich den Inhalt des Frühstückstablett immer in eine Schüssel fülle, und dann den Wachen das Tablett sofort wieder zurück gebe.
„Aber wissen Sie, was mich wirklich fertig macht?“ Bill wartete nicht auf eine Antwort von mir. Sondern fuhr fort: „Der Leiter sagt, dass er mir glaubt! Aber ich bin immer noch, für das Missachten eines Befehls, für schuldig befunden.“
Er war nun sichtlich frustriert. „Wie kann ich Befehle missachten, wenn ich doch einfach nur eingeschlafen bin?!“
„Es macht keinen Sinn, dass der Leiter mich bestraft, obwohl er mir glaubt.“
„Sie haben verdammt recht, dass tut es nicht.“

Derzeit ist Mr. Colbert deswegen auf „Stufe zwei“, dies ist eine Form der Bestrafung, die eine Beschränkung der Besuche, des Freigangs und des Einkaufens im Gefängnis Shop beeinhaltet. Aber Mr. Colbert durchläuft gerade einen Beschwerde-Prozess ...
Der Vorfall mit Bill Colbert ist abert leider kein Einzelfall.
Es gab auch viele andere Gefangene, die Disziplinarfälle bekommen haben, deren Grund die dauernden Schlafstörungen sind.
Ein Gefangener bekam ein Disziplinarverfahren, weil er sich über einen Wärter beschwert hat, der während seiner Sicherheitskontrolle immer laut alle Türen auf den Gängen zuschlug. Und ein anderer hatte einen Streit mit einem Wärter, der nachts nach dem Austeilen des Frühstücks einfach die Zellenbeleuchtug bei allen angelassen hatte.
Ich denke aber, dass wir Gefangene das Recht haben, dass dieses Problem behoben wird, um weiteren Ärger zu vermeiden.
Denn diese unangemessenen Handlungen machen die sowieso schon angespannte Situation noch schlimmer.
Der Level der Reizbarkeit ist bei einigen Insassen recht hoch, angesichts der Tatsache, dass man allerhöchstens drei Stunden ununterbrochenen Schlaf in der Nacht bekommen kann und dass auch nur wenn man seine Augen verbindet um sie vor dem hellen Taschenlampenlicht zu schützen.

Leider gibt es einige Gefangene, die resigniert haben und sagen: „So werden die Dinge im Gefängnis gemacht, ich kann nichts dagegen tun ... ich muss halt lernen, damit umzugehen!“
Leider kann dieser Gemütszustand ansteckend sein unter den Gefangenen, vor allem angesichts der Tatsache, dass wir uns in einer Testosteron gefüllt Umwelt, mit immensen männlichen Egos befinden.
Niemand will hier schwach unter seinesgleichen erscheinen.
Das behindert natürlich diejenigen, die versuchen das Problem der andauernden Schlafunterbrechungen zu bekämpfen.
Ich für meinen Teil bin es leid.
Aber solange diese Schlafstörungen unter dem Deckmantel der Sicherheit gehüllt werden und es Gefangene gibt, die die Ansicht vertreten, dass es sich nicht lohnt dagegen zu kämpfen, glaube ich, das die Grundrechte des Menschen innerhalb der dunklen Grube unserer Gefangenschaft weiterhin mit Füßen getreten werden.
Also frage ich Sie noch einmal, was würden Sie tun, wenn Ihnen dieses Grundrecht plötzlich weggenommen werden würde?

Autor:

Astrid Pfister aus Herne

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