„Noch niemals in New York“ - Ballettlehrer Dieter Kraatz (77) tanzt in den Ruhestand

Die Ballettschule im Fitness-und Gesundheitstreff übernimmt Katja Treger(36) von Dieter Kraatz(77). Bilder: Stefan Reimet
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Von St. Reimet/ „Ich war noch niemals in New York“, könnte Dieter Kraatz aus seinem Leben singen. Für den Ballettmeister markierten die Dresdner Staatsoper, Friedrichstadt-Palast und das DDR-Fernsehballett die Stationen seines tänzerischen Wirkens. Mit 77 Jahren zieht er sich jetzt aus seiner Ballettschule in Unna zurück. „Den Spagat schaffe ich einfach nicht mehr.“

Vielen hundert Ballettschülern brachte der in Polen geborene und im geteilten Berlin aufgewachsene Tanz-Pädagoge seit 1978 in seiner Schule in der Schäferstraße die ersten Schritte und Figuren bei. Vor 13 Jahren zog Kraatz in den Fitness-und Gesundheitstreff Körner Straße 2 um. „Viele begabte Mädchen“ und wenige Jungen zwischen vier und 18 Jahren nahmen Unterricht bei dem erfahrenen Lehrer. Eine Ex-Tänzerin gründete eine Tanzschule in Wismar, alle drei Jungtänzer machten ihr Talent zum Beruf. „Man muss sehr früh anfangen.“ Selbst fand Kraatz erst mit 14 Jahren zur pitoresken Bewegung, übte fleißig den Spagat und begann an der Staatlichen Ballettschule Ostberlin. Hier erzählte er etwas frei von den Filmen, die er in Westberlin gesehen habe. Folge: Wegen „Unbegabtheit“ flog er aus dem Nachwuchskader. Doch nur drei Jahre später und nach einem Studium in Westberlin bestand er 1955 die Ballett-Reifeprüfung an der DDR-Ballettschule, ein Jahr vor seinen Mitschülern. Für 350 Mark Monatslohn wechselte er zur Dresdner Staatsoper. Der Leporello in Don Giovanni, Schwanensee und vor allem Solotanzrollen bildeten den Schwerpunkt. „Gespickt mit Drehungen“, blickt Kraatz zurück. Hartes Training und Disziplin bilden die Eckpfeiler einer Tänzerkarriere. Vier Stunden am Morgen, Dehnübungen am Nachmittag, falls keine Vorstellung ansteht dann mindestens eine Probe am Abend. Gerne wäre Kraatz an die traditionsreiche Komische Oper Berlin gegangen. Doch bei den Anstellungen mischte sich damals die Politik ein. Mit dem DDR-Fernsehballett, wo er als Ballettmeister wirkte, war er in den Oststaaten unterwegs. Anfang der 70er Jahre fand er ein Engagement als Choreograph in Görlitz, wechselte dann zum Friedrichstadt-Palast-Ballett. „Aber da wollte ich nicht versauern.“ Zu weit weg von den Verwandten im Westen wollte er nicht und nutzte die Chance, in Dortmund mit der Tanzikone Vera Vacano eine Ballettschule zu eröffnen. Das Dortmunder Ballett begeistert ihn bis heute. „Meist ausverkauft und modern, das hat Zukunft.“ Zur richtigen Zeit erkannte er Ende der 70er den Bedarf in Unna und eröffnete mit Tanzkollegin Ursula Moser eine Ballettschule in der Schäferstraße. „Zu der Zeit änderte sich viel.“ Klassik und Jazz wurden gemischt, man erkannte, Ballett ist nicht nur Schwanensee. Pina Bausch lernte Kraatz kennen. „Sehr nihilistisch, aber traumhafte Auftritte.“ Dieter Kraatz zieht sich endgültig in den Ruhestand zurück. Langeweile kennt der Witwer nicht, lernte Englisch und ist in Unna mit seinem Elektroroller unterwegs.
Die Ballettschule im Fitness-und Gesundheitstreff übernimmt Katja Treger(36). Die Klassik-Tanzlehrerin und Ballettmeisterin absolvierte ihre Ausbildung in St. Petersburg und war als Pädagogin im gesamten Ruhrgebiet tätig. Sie möchte im Training die tänzerische Freiheit in den Mittelpunkt rücken. „Es soll Kindern wie Erwachsenen vor allem Spaß machen.“ Sie werde Ziele wie Auftritte bei Stadt-, Sport und Gemeindefesten setzen, um die Motivation zu wecken.

Drei Fragen an Dieter Kraatz:

Gab es ein Vorbild für ihre Tanzkarriere?

„Die Filme mit Marika Rökk haben mich begeistert, seitdem ist Ballett mein Lebensinhalt.“

Welche Voraussetzungen sollte man für das Ballett mitbringen?

„Dehnbarkeit, Flexibilität und vor allem Wille und Disziplin, mit jeder Faser tanzen zu wollen.“

Was ist ihr größter Wunsch?

„Die weite Welt habe ich noch nicht gesehen. England, Amerika, davon träume ich, einmal nach New York, liebend gerne.“

Info:

Mit dem Ballett-Unterricht beginnt man idealerweise zwischen dem 8. und 10. Lebensjahr, vorgelagert sind Früherziehung, Kindertanz oder Creative Movement. Dehn- und Drehbarkeit von Muskeln und Gelenken, lange, schlanke Gliedmaßen sind Voraussetzungen. Experten empfehlen anfangs zwei Mal 90 Minuten Training, gesteigert bis zum nahezu täglichen Training in einer professionellen Ballettschule. Für Erwachsene ist Ballett als Hobby nicht an körperliche Voraussetzungen gebunden. Die Freude an fließenden Bewegungen wird etwa in der Tanzschule nach Vera Vacano durch das Nachführen von Kopf und Augen gefördert. Tänzerische Freiheit steht für Tanzpädagogin Katja Treger in der Ballettschule Unna im Fitness- und Gesundheitstreff im Mittelpunkt. Interessenten sollten eine Probestunde nehmen.

Autor:

Stefan Reimet aus Holzwickede

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