Interview mit Pfleger Thomas Hesse über die aktuelle Situation
"Ich würde mich jederzeit wieder für diesen Beruf entscheiden"

Thomas Hesse ist froh, dass er einen Beruf in der Pflege ergriffen hat: "Die Menschen, mit denen man zusammenarbeitet, geben einem viel zurück."  | Foto: Michael de Clerque
  • Thomas Hesse ist froh, dass er einen Beruf in der Pflege ergriffen hat: "Die Menschen, mit denen man zusammenarbeitet, geben einem viel zurück."
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Thomas Hesse ist Pfleger mit Leib und Seele. Seit vier Jahren arbeitet der 37-Jährige im Seniorenzentrum Hummelsterstraße in Hilden und sagt selbst: "Ich würde mich jederzeit wieder für diesen Beruf entscheiden, weil ich ihn einfach liebe." Der Wochenanzeiger sprach mit dem examinierten Pfleger über seine täglichen Aufgaben, Gesundheitsminister Jens Spahn und wo er die Politik mehr in die Verantwortung nehmen würde.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen in der Pflege?

Vor allem der zeitliche Faktor ist oftmals schwierig zu bewältigen im pflegerischen Alltag. Täglich stehen Arztvisiten, Angehörigengespräche und natürlich die Versorgung der Bewohner an. Viel Zeit nehmen uns vor allem die Dokumentationen am PC, die natürlich wichtig aber auch aufwändig sind. Zusätzlich muss man sich dann auch noch mit unvorhersehbaren Dingen wie dem Ausfall eines Kollegen aus Krankheitsgründen, Stürzen der Bewohner, Krankenhauseinweisungen oder -entlassungen befassen. Manchmal ist es dann schwierig sich zeitlich so einzubringen, dass man mal fünf Minuten für ein Gespräch mit einem Bewohner hat.

Was denken Sie über die Aussage von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der sagte: "Wenn jeder Mensch in der Pflege auch nur eine Stunde mehr arbeitet, wäre uns schon viel geholfen"?

Herr Spahn sollte mal selber in der Pflege arbeiten und zwar nicht nur für einen Tag, sondern für etwas länger. Ich wäre gespannt, ob er dann noch einmal so eine Aussage tätigen würde. Denn die meisten Pflegekräfte bleiben schon deutlich länger oder springen bei Krankmeldungen ein. Durch diese Überbelastung entstehen weitere Krankheitsfälle und somit erneute Ausfälle. Gerade bei einem Schichtwechsel mit kurzem Wechsel ist es oftmals sehr anstrengend. Dann noch zu erwarten, dass man eine Stunde länger arbeiten soll, ist den Pflegekräften gegenüber einfach nicht fair.

Stichwort Personalnotstand: Könnte die Politik mehr machen?

Natürlich kann die Politik noch viel mehr machen. Das Gehalt müsste beispielsweise angepasst werden. Es ist ein Unding, dass es immer noch so große Unterschiede zwischen städtischen, kirchlichen und privaten Einrichtungen gibt, aber auch zwischen Kranken- und Altenpflegern. Da müsste auf jeden Fall was getan werden. Auch ein besserer Personalschlüssel wäre wünschenswert und vor allem: mehr Auslandskräfte. Die Politik hat dieses Thema zwar bereits aufgegriffen, aber es dauert einfach zu lange bis die Weichen dafür gestellt sind. Ich hoffe, dass das Thema Pflege nicht wieder in Vergessenheit gerät, sondern dass in Zukunft für alle Seiten zufriedenstellende Ergebnisse erreicht werden können. ich bin außerdem der Meinung, dass sich die generalisierte Ausbildung negativ auf die Altenpflege auswirken wird, da sich sehr wahrscheinlich die meisten Fachkräfte für die Kranken- oder Kinderpflege entscheiden werden. Aber nicht nur die Politik kann noch viel machen, auch die Gesellschaft sollte das vorherrschende Bild über die Pflegeberufe überdenken und diese mehr wertschätzen. Leider wird durch die Medien auch oft ein negatives Bild vermittelt, obwohl es durchaus viele gute Einrichtungen gibt.

Was läuft denn bereits gut in der Pflege und speziell in Ihrem Haus?

Wenn es in der Pflege allgemein gut laufen würde, dann hätten wir nicht seit Jahren immer wiederkehrende Diskussionen darüber. Speziell in unserem Haus sind wir zurzeit personell gut aufgestellt. Wir haben gute Fachkräfte, so dass wir die Arbeit gut aufteilen können. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter ist in unserem Haus sehr wichtig, wobei das selbstverständlich nicht auf Kosten der Bewohner geschieht, denn deren Zufriedenheit ist das oberste Ziel. Die Mitarbeiter erhalten regelmäßig Fort- und Weiterbildungen und werden für ihre geleistete Arbeit wertgeschätzt. Was mich besonders freut ist, dass für unsere Auszubildenden mehr Zeit geschaffen wurde und sie sehr gründlich von den Praxisanleitern eingearbeitet und auf ihre Prüfungen vorbereitet werden.

Warum ist der Pflegeberuf für junge Menschen interessant?

Dieser Beruf ist sehr abwechslungsreich, jeder Tag ist anders, man erlebt viele Dinge und lernt sehr viel über sich und sein Leben. Wir haben vielfältige Aufgaben, bei denen der Mensch mit all seinen Facetten und Bedürfnissen immer im Mittelpunkt steht. Es wird nie langweilig!

Was gefällt Ihnen ganz besonders am Pflegeberuf?

Ich bin froh, dass ich diesen Beruf ergriffen habe, denn neben den eigentlichen Aufgaben sind es vor allem die Menschen, mit denen man zusammenarbeitet, die einem so viel zurück geben. Sie bringen mich auch in stressigen Situationen zum Lächeln und sie zeigen mir, was im Leben wirklich wichtig ist: Gesundheit, Vertrauen, Liebe und Familie. Es macht mir Spaß ein Teil ihres Lebens zu sein, ihnen den Tag so gut es geht zu erleichtern, sie mit dem nötigen Respekt und der Anerkennung, die sie verdienen, zu behandeln. Wir Pfleger sind in erster Linie nämlich auch Beziehungspfleger und haben den Menschen, die wir betreuen, gegenüber eine große Verantwortung. Sie verbringen mit uns ihren Lebensabend, oft sogar ihre letzten Minuten. Da muss das Vertrauen einfach stimmen.
Von Janina aus dem Siepen

Autor:

Lokalkompass Langenfeld aus Langenfeld (Rheinland)

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