Felix Metzmacher und der 1. Weltkrieg vor 100 Jahren

Karl- Heinz König, Rektor i.R.
Rolf D. Gassen, Dipl. Betriebswirt

Teil 1

Metzmachers Kommunalpolitik 1908-1914

Fakten und Visionen

Teil 2
Das Ende der Amtszeit von Felix Metzmacher (Bürgermeister von 1908 – 1914)

Teil 3
Das Ende der Metzmacher- Ära in Langenfeld
Kriegsausbruch und erste Kriegswochen in Langenfeld 1914

Teil 4
Felix Metzmachers Einsatz an der Westfront und Tod in Frankreich am 31. Oktober 1914

Teil 1

Metzmachers Kommunalpolitik 1908-1914
Fakten und Visionen

Felix Metzmacher war von 1908 bis 1914 Langenfelds Bürgermeister. In diesen wenigen Jahren konnte er vieles auf den Weg bringen, was für die Entwicklung der damaligen ländlichen Gemeinde Richrath-Reusrath zur heutigen modernen Stadt von Bedeutung war. Hier ist u. a. zu nennen
1909 Eröffnung der städtischen Rektoratsschule (spätere Realschule)
1909 Bau des Wasserwerkes Langenfeld-Monheim
1910 Ausbau der Straße vom Bahnhof Langenfeld zum Bahnhof Immigrath
1911 Bau und Eröffnung der Straßenbahnlinie Opladen-Ohligs,
1911 Ausbau der elektrischen Stromversorgung und Straßenbeleuchtung
1912 Eröffnung des Hallenschwimmbades Hauptstraße 87
1913 Neubau der katholischen Schule Immigrath
1914 Einweihung der Schule mit dem Türmchen am 15. März
Metzmacher war führendes Mitglied in dem von Adolf Damaschke begründeten Bund Deutscher Bodenreformer. In Wort und Schrift setzte er sich für die Ideen dieser damals weithin anerkannten sozialethischen Bewegung ein:

Der Bund Deutscher Bodenreformer sieht in der Grund- und Bodenfrage den wesentlichen
Teil des sozialen Problems. Er tritt dafür ein, dass der Grund und Boden, diese Grundlage aller nationalen Existenz, unter ein Recht gestellt werde, das seinen Gebrauch als Wohn- und Werkstätte befördert, das jeden Missbrauch mit ihm unmöglich macht, und dass die Wertsteigerung, die er ohne Arbeit des einzelnen erhält, möglichst dem Volksganzen nutzbar macht.“
Metzmachers Ziel war es, die fortschrittlichen Ideen dieser Bewegung in der Kommunalpolitik konkret umzusetzen. So beabsichtigte er, das Brachland der Richrather Heide für die landwirtschaftliche Nutzung und als Siedlungsgebiet für die Langenfelder Bevölkerung zu erschließen.
Am 30. Januar 1914 beschließt der Gemeinderat die Bildung einer Kommission für die Kultivierung der Richrather Heide und bereits am 3. März 1914 kommt es erstmals zum Ankauf von Heidegrundstücken durch die Gemeinde.

Teil 2

Das Ende der Amtszeit von FelixMetzmacher (Bürgermeister von 1908 – 1914)
Widerstände gegen Metzmachers Politik und Kriegsausbruch 1914

Unmittelbar vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges fand am
23. Juli 1914 eine Sitzung des Langenfelder Gemeinderates statt, zu deren Beginn der Fabrikant Carl Becker eine Ehrenerklärung für Felix Metzmacher abgab:

Vor einiger Zeit ist Herr Bürgermeister Metzmacher (wegen seiner christlich-sozialen Grund- und Bodenpolitik) aus dem hiesigen Bürgerverein ausgeschlossen worden. Es war zwar nur ein kleiner Teil der Mitglieder anwesend, der beabsichtigte Ausschluss war auch nicht zur Tagesordnung bekanntgegeben, sonst wäre die Entgleisung wohl verhütet worden. Aber der Ausschluss ist erfolgt und es ist zu bedauern, dass Herr Bürgermeister Metzmacher aus dem Vorgehen des Vereins gegen seine Person nicht schon längst die Folgerung gezogen hat, seinen Austritt aus dem Verein zu erklären.
Durch sein Vorgehen gegen Herrn Bürgermeister Metzmacher wird das Ansehen der Gemeinde vor der Öffentlichkeit diskreditiert, und der Missstimmung weiter Kreise hierüber wollte ich vor der verantwortlichen Vertretung der Gemeinde hiermit Ausdruck gegeben haben.
Im Protokoll dieser Gemeinderatssitzung ist kein Wort Metzmachers über die dramatische Zuspitzung der politischen Großwetterlage zu lesen.
Umso deutlicher äußert er sich am Donnerstag, dem 6. August, eine Woche nach Kriegsausbruch, in der Gemeinderatssitzung:
Meine Herren! Als wir das letzte Mal diesen Saal verließen, hat keiner von uns daran gedacht, dass wir uns nach so kurzer Zeit wiedersehen würden unter Umständen, wie sie heute vorliegen. Der große europäische Krieg, der Weltbrand, wie er so lange von den großen Politikern vorausgesehen und so oft befürchtet wurde, ist ausgebrochen. Die Lage für uns ist furchtbar ernst. Das deutsche Volk lebt im Krieg mit den drei mächtigsten Staaten der Erde.
Metzmacher wusste offensichtlich um die damaligen hellsichtigen und warnenden Stimmen vor dem drohenden Konflikt und dennoch spricht aus seinen Worten jähes Erwachen und großes Erschrecken angesichts des Kriegsausbruches:
Mit solch elementarer Wucht und Plötzlichkeit sind die Ereignisse aufeinander gefolgt, dass es uns vorkommt wie ein Traum, wenn wir erkennen müssen, dass wir 44 Jahre im tiefsten Frieden gewirkt und geschaffen haben, und nun plötzlich Krieg haben sollen.
Die folgenden Worte zeigen, wie sehr Metzmacher auch Kind seiner Zeit war:
Aber so ernst, so furchtbar ernst unsere Lage auch ist, wir können zuversichtlich in die Zukunft schauen. Denn ich weiß uns alle eins

in dem unbegrenzten Vertrauen, dass der liebe Gott es nicht will, dass das deutsche Volk vertilgt werde…
Eins weiß ich uns in dem Vertrauen auf die Tüchtigkeit unserer Armee und unserer Marine und eins auch in dem Vertrauen zu unserem Kaiser.
Bis zum letzten Augenblick hat dieser brave Mann alles versucht, um dem rollenden Kriegsrad in die Speichen zu fallen… Nichts hat er unversucht gelassen, gewartet bis zum Äußersten. Meine Herren! Fassen wir das Vertrauen zu unserem Kaiser zusammen in dem Ruf: „Seine Majestät, der Deutsche Kaiser er lebe hoch“!

Nachdem die Versammlung mit großer Begeisterung in diesen Ruf eingestimmt hatte. richtete Metzmacher nüchtern den Blick in die Zukunft und sprach – ähnlich wie Churchill 25 Jahre später nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges – von Schweiß und Tränen:
Alle müssen wir in dieser Zeit Opfer bringen: der einzelne wie jede Familie und vor allem auch die Gemeinde. Es werden große Anforderungen an uns gestellt werden. Die Fabriken liegen still, ganz oder doch teilweise und zeitweise, die Arbeitslöhne werden geringer und Hunderte, ja, viele hunderte Familienväter stehen im Felde und Frauen und Kinder sind ohne Geld…
Diese Worte sind sozusagen Metzmachers politisches Testament. Danach scheint Metzmacher sich nicht mehr öffentlich geäußert zu haben.
In den verbleibenden Tagen des August fasst er den schwerwiegenden Entschluss, sich als Freiwilliger an die Westfront zu melden. Mit 37 Jahren gehörte er nicht mehr zu den Jahrgängen der 18-24-jährigen, die sich damals in großer Zahl begeistert freiwillig zu den Waffen meldeten. Umso mehr kann man vermuten, dass Metzmacher sich nicht nur aus Vaterlandsliebe, sondern auch aus Enttäuschung über die wachsenden Widerstände gegen seine Kommunalpolitik für den Dienst an der Front entschieden hat.
Bereits am 1. September trat er seinen Dienst als Freiwilliger an. Damit endete Metzmachers achtjährige erfolgreiche politische Tätigkeit als Bürgermeister von Langenfeld.

Teil 3

Das Ende der Metzmacher- Ära in Langenfeld
Kriegsausbruch und erste Kriegswochen in Langenfeld 1914
Der damalige Leiter der Felix-Metzmacher-Schule, Rektor Müller, schildert in seiner Schulchronik anschaulich die Stimmung in der Gemeinde bei Kriegsausbruch:
Seit dem Mord an dem österreichischen Kronprinzenpaar gewann auch in unserer Gemeinde der Eindruck allmählich die Oberhand, dass wir vor weltgeschichtlichen Ereignissen stehen. Mit Spannung wurde der Depeschenwechsel, den die Zeitungen brachten, verfolgt. Freitag, den 31. Juli, abends 8 ½ Uhr wurde die Erklärung des Kriegszustandes bekannt.
Die Bekanntmachung des Generalgouverneurs war am Bürgermeisteramt (heute Amtsgericht) und an der Wirtschaft Neuß, (heute Haus Wagner) zu lesen…
Abends gegen 9 Uhr spielte die Feuerwehrkapelle bei der Wirtschaft Neuß und vor dem Bürgermeisteramt patriotische Lieder. Ein Menschenschwarm bewegte sich die Hauptstraße auf und ab und beteiligte sich durch Mitsingen patriotischer Lieder und Hochrufe auf den Kaiser. Auf allen Gesichtern lag der Ernst der Stunde. Man sprach in der Öffentlichkeit von den Feinden Deutschlands: Rußland und Frankreich, aber auch von dem Bündnis mit Italien, an dessen Treue kein Mensch zweifelte…
Am Samstagabend saßen die Familienmitglieder am häuslichen Herd und besprachen ihre Verhältnisse für die Abwesenheit der Angehörigen im Felde. Gegenseitige Tröstung mit der Hoffnung auf das baldige Ende des Krieges: „Mutter“, sagten die zwei Söhne einer Familie, „bis 1. Oktober oder 1. November sind wir wieder hier!“
In seiner Predigt am Sonntagmorgen sprach Dechant Rhode von den Feinden und Hoffnungen des Krieges. Nach jedem Gottesdienst standen Frauen, Männer und Kinder auf der Straße, an den Häusern, um sich von den Kriegern zu verabschieden. Verweinte Augen, deren sich auch ein Mann nicht zu schämen braucht, wenn er von seinen Lieben scheiden muss, vielleicht auf immer…

Zwölf- bis dreizehnhundert Söhne und Bürger unserer Gemeinde folgten alle freudig und begeistert dem Ruf unseres Kaisers. Die Elektrische
sauste vorbei mit zwei, drei Anhängerwagen, um sie zum Gestellungsort Solingen zu bringen. Mit Hurrarufen fuhren sie in den vollgepfropften Wagen mit frohem Mut und mit Siegeszuversicht. Mir selbst war das Herz weh und weich, wenn ich auf der Straße von den ehemaligen Schülern Abschied nahm, vielleicht auf immer.
So mancher Schüler kam in meine Wohnung, um seinem alten Lehrer Lebewohl zu sagen.
Bereits in der Mitte der dritten Kriegswoche sprach man von den ersten Gefallenen. Ein Immigrather Fuhrmann hatte in einem Brief nach Hause mitgeteilt, dass Gustav Uellendahl am 14. August bei Schirmeck im Elsass gefallen sei. Eine Granate habe ihm Arme und Beine zerschmettert. Zuerst erzählte man es sich im Stillen, niemand getraute sich den Angehörigen Mitteilung zu machen. Später bestätigte eine amtliche Mitteilung an die Angehörigen die Richtigkeit.

Vielleicht hat Felix Metzmacher diese Nachricht vom Soldatentod des ersten Langenfelders der jungen Witwe mit den beiden Söhnen Heinrich und Ernst in der Feldstraße persönlich überbracht. Dann dürfte es eine seiner letzten Amtshandlungen als Bürgermeister vor seiner eigenen Abreise an die Westfront gewesen sein.

Teil
Die verbleibenden Augusttage dienten Felix Metzmacher dazu, seine Amtsgeschäfte als Bürgermeister zu beenden und sich von seinen Mitarbeitern zu verabschieden.
Einzelhten darüber sind ebenso wenig bekannt wie über den Abschied von seiner Frau Alma und den beiden Söhnen Hans und Rolf.
Beim Abschied von dem befreundeten Ehepaar Zade hat die künstlerisch begabte Frau des Kinderarztes Dr. Zade die bekannte Portraitskizze Metzmachers angefertigt, die dann später als Vorlage für die Bronzebüste von Felix Metzmacher diente und die von der Volksbank zum 125. Geburtstag Metzmachers 2002 gestiftet sich bis zum Abriss des Schulgebäudes an der Ecke Metzmacherstraße/Fröbelstraße befand.

Metzmachers Einsatz an der Westfront, Verwundung im September und sein Tod im Oktober 1914
In der Gemeinderatssitzung vom 15. September 1914 teilte der Vorsitzende Stuckmann mit, dass Bürgermeister Metzmacher am 1. September zum Militär einberufen und als Offiziersstellvertreter im Kampfgebiet zwischen Oise und Somme (zwischen St. Quentin und Amiens) zum Einsatz gekommen ist.
Am 20. September berichtet die Londoner Presse, dass die Schlacht an der Aisne ein ununterbrochenes Artillerieduell sei.
Das Große Hauptquartier meldet am 23: September.
Auf dem rechten Flügel des deutschen Westheeres jenseits der Oise steht der Kampf. Umfassungsversuche der Franzosen haben keinerlei Erfolg gehabt. Ostwärts bis an den Argonnenwald fanden heute keine größeren Kämpfe statt.
In den offiziellen Kriegsberichten vom 27. September heißt es u. a.:
Auf unserem linken Flügel zwischen Somme und Oise dauert die Schlacht aufs heftigste fort. Zwischen Soissons und Reims ist keine Veränderung von Bedeutung eingetreten.: (Der Fall eines Forts bei Verdun wird von dem Bulletin verschwiegen)
Ein von der Aisne zurückgekehrter Journalist berichtet:
Mehrere Tage lang wurden manche Orte täglich bis ein dutzendmal von beiden Seiten gestürmt und dann wieder geräumt. Jeder Fuß Land ist auf das heftigste umstritten. In manchen Dörfern bleibt kein Stein auf dem andern. Die Gegend zwischen Aisne und Oise ist vollständig ruiniert…
Metzmacher nimmt an den schweren Gefechten bei Billancourt am 23. und bei Punchy am 24. September teil; am 26. September wird er bei Hallu durch einen Granatsplitter an der rechten Hand verwundet. Er kommt in ein Lazarett nach Solingen und kann während seines dortigen Aufenthaltes seine Familie in Langenfeld besuchen.
Die damals angefertigten privaten Fotos sind die letzten Bilddokumente vor seinem Tod.
Ende Oktober kehrt Metzmacher wieder an die Front zurück und bereits wenige Tage später fällt er am 31. Oktober bei einem Angriff auf das sogenannte Franzosenwäldchen bei Vermandovillers nördlich von Lihons, wie sein Offizierskamerad Ferdinand Mohr der Witwe Metzmachers am
18. November 1914 aus Omiecourt brieflich bestätigt.

Im französischen Heeresbericht vom 31. Oktober heißt es: Die Deutschen, die Ramscapelle genommen hatten, wurden durch Gegenangriffe vertrieben. Zwischen La Basseé und Arras wurden alle Angriffe der deutschen mit großen Verlusten zurückgewiesen. In der Gegend von Chausnes sind wir über Lihons hinaus vorgerückt und haben Le Quesnoy genommen.

Am 17. November 1914 schreibt Frau Zade, die Gattin des mit der Familie befreundeten Kinderarztes Dr. Zade, in ihrem Kondolenzbrief:

Liebe Frau Bürgermeister!
Ich hatte Sie aufgesucht und schreibe Ihnen heute, weil es mich drängt, meine Anteilnahme auszusprechen. In Worte lässt sich das kaum fassen, der herzlichsten Gefühle seien Sie versichert. Wir kannten seinen Wert und ermessen den Verlust. Sein Bild, das gezeichnet zu haben mir jetzt doppelt lieb ist, habe ich in Probedrucken gestern vom Drucker erhalten und ich bitte Sie, mich eine Zeit wissen zu lassen, in der ich Sie aufsuchen kann, um es Ihnen zu bringen.

Ihre Maria Zade

Die Opladener Zeitung berichtet am 18. November 1914 von Langenfeld:
Von einem schweren Verlust ist unsere Gemeinde betroffen worden: Mitten im blühenden Mannesalter, herausgerissen aus seinem Lebenswerk und von der Seite seiner Familie und Freunde, starb Bürgermeister Metzmacher den Heldentod auf Frankreichs Erde. Sein Tod wird von allen betrauert werden, die mit ihm zu tun hatten und ihn kennengelernt haben. Weit über die Grenzen unserer Gemeinde hinaus war seine Persönlichkeit hochgeschätzt und verehrt. Ein warmherziges, überaus liebenswürdiges Gemüt und eine stets vornehme Gesinnung machen ihn allen seinen Freunden unvergesslich. Für unsere Gemeinde aber ist sein Verlust unersetzlich. Stets bemüht, das rechte zu tun, ging er seinen Weg ohne Menschenfurcht, nur das eine Ziel vor Augen: das Wohl seiner aufstrebenden Gemeinde zu heben und zu fördern.

Autor:

Rolf D. Gassen aus Langenfeld (Rheinland)

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