Karin Paradies (48) wurde 39 Jahre lang als Hypochonder verkannt / HAE

Karin Paradies (48) mit Tochter Viola: Heute können die beiden wieder lachen. Foto: privat
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39 Jahre wurde Karin Paradies für ihre Magen-Darm-Beschwerden belächelt und als Hypochonder bezeichnet. Dann kam die Diagnose: hereditäres Angioödem.

Von Sarah Dickel

Neukirchen-Vluyn. Bevor das, was Karin Paradies ihr Leben lang begleitete, einen Namen bekam, musste die Neukirchen-Vluynerin durch viele tiefer Täler gehen und viel ertragen. Angefangen hat es bereits im Kindsalter, wie sich die heute 48-Jährige erinnert: „Als Kind war ich immer schon ständig krank und hatte Magen-Darm-Probleme.“ Die Besuche beim Hausarzt wurden allerdings lapidar abgetan, mit Sätzen wie: "Sie ist halt etwas schwächer“, wie Paradies rückblickend berichtet. Regelmäßig war die Mutter von zwei Kindern in ihrer eigenen Kindheit mit Verdacht auf eine Blinddarmentzündung im Krankenhaus, jedoch nie mit einem Ergebnis.
Als Paradies in die Hauptschule kam, wurde der Druck weniger und die Anfälle seltener, aber mit Einnahme der Pille stellte die Neukirchen-Vluynerin fest, dass die Anfälle immer alle vier Wochen kamen: „Ich konnte die Uhr danach stellen“, so Paradies, die damals viele Hausärzte und Gynäkologen konsultierte. Immer ohne Ergebnis. Die 48-Jährige lernte, mit ihren „Anfällen“ zu leben. Aber gerade als die beiden Kinder, heute 16 und 14 Jahre alt, zur Welt kamen, wurde es schwierig.
„Ich hatte solche Kreislaufprobleme, dass ich die Kinder teilweise nicht versorgen konnte. Nach dem Stillen bin ich regelmäßig zusammengebrochen“, berichtet Paradies.

Keine Gute-Nacht-Geschichte

Besonders im Gedächtnis geblieben ist der Neukirchen-Vluynerin eine Situation, als ihre größere Tochter Nadja der kleineren Viola, erklärte, dass es keine Gute-Nacht-Geschichte gäbe, weil Mama krank sei: „Da habe ich gemerkt, dass die Kleinen weitaus mehr mitbekommen, als wir denken.“
Licht ins Dunkle brachte ein Artikel, den die 48-Jährige in einer Elternzeitschrift las: „Ich habe mich sofort wiedergefunden und bin direkt zu meinem Hausarzt und habe ihm gesagt, dass ich das habe.“ Skeptisch nahm der Arzt ihr Blut ab und tatsächlich, Paradies‘ Leiden hatte einen Namen: hereditäres Angioödem, HAE, eine Erbkrankheit, bei der ein körpereigenes Eiweiß fehlt. Dies führt zu Schwellungen, die an den Armen und Beinen, aber auch im Magen-Darm-Trakt auftreten können. Mithilfe einer Spritze kann Paradies die Anfälle jedoch kontrollieren: „Ich habe zu Hause und auf der Arbeit immer mein Notfall-Medikament deponiert“, so Paradies. Als klar war, dass es sich um eine Erbkrankheit handele, ließ die 48-Jährige direkt ihre beiden Töchter testen.

"Sie muss nur auf ihren Körper hören"

In der Tat ist auch die heute 14-Jährige Viola von der Krankheit betroffen: „Anfangs war es nicht so einfach und sie war verstimmt, dass sie die Krankheit auch geerbt hat. Heute geht sie bestens damit um und kann trotzdem alles machen“, erklärt Paradies.
Die 14-Jährige ist im Schwimmverein aktiv und schwimmt auch regelmäßig bei Wettkämpfen mit. Alles kein Problem, wenn das Notfall-Medikament mit dabei ist, wie die Neukirchen-Vluynerin berichtet: „Sie muss nur, genau wie ich, auf ihren Körper hören.“
Paradies weiß, wenn sie anfängt sich unwohl zu fühlen und sie eine bleierne Müdigkeit überkommt, dass ein Anfall in Anmarsch ist: „Spätestens, wenn ich eine kalte Nase habe weiß ich, es ist höchste Eisenbahn und ich muss mich spritzen.“
Einen leichten Anfall kriegt Paradies heute auch bewältigt, in dem sie etwas runterfährt und sich Auszeiten gönnt. Wenn es schlimmer wird, muss sie sich spritzen und auch mal einen Tag auf der Couch verbringen. Alles kein Thema für die HAE-Patientin, denn sie weiß heute, was hinter ihrem Leiden steckt: „Früher hat es mich oft verletzt, wenn mich viele für einen Hypochonder hielten. Heute weiß ich, meine Krankheit hat einen Namen und kann behandelt werden.“

Autor:

Lokalkompass Moers aus Moers

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