Eindringliche Mahnung
Kämmerer warnt vor zu hohen Ausgaben

"So emotional habe ich Martin Gentzsch noch nie erlebt", sagte Hannelore Hanning am Dienstagabend im Schulausschuss. "Aber ich finde gut, dass der Kämmerer uns in die Schranken weist." Gentzschs mahnende Worte nahm die FDP-Politikerin deshalb genauso ernst, wie die übrigen Ausschussmitglieder. Kostspielige Anträge der SPD und der Bürger-Union wurden deshalb erst einmal einstimmig in den Hauptausschuss verwiesen: Dort stehen sie am kommenden Dienstag auf der Tagesordnung.

Die finanzielle Lage Ratingens sei sehr gut, der Haushalt habe starke Reserven - das hatten Bürgermeister Klaus Pesch und Kämmerer Martin Gentzsch gesagt, als sie Anfang Oktober den Etatentwurf für 2020 im Rat einbrachten (das Ratinger Wochenblatt berichtete). Einen Überschuss von rund fünf Millionen Euro weist ihr Entwurf aus.

Das vermeintlich gut gefüllte Stadtsäckel beflügelte daraufhin die Ausgaben-Fantasie der Fraktionen: Ihre Forderungen reichen vom freien Eintritt ins Museum und Vergünstigungen beim Offenen Ganztag (BU) über Millionen-Rücklagen für städtische Pensionen (CDU) und den Rückkauf der Stadtwerke (Grüne) bis zur völligen Abschaffung von Beiträgen für die frühkindliche Bildung (SPD).

Die Forderungen der Sozialdemokraten gehen am weitesten. Sie wollen die Beiträge für Kitas, Tagespflege und Offenen Ganztag (OGS) gänzlich abschaffen. Dieser Wunsch hatte jedoch schon im Vorfeld des Schulausschusses für politischen Zündstoff gesorgt.

So bezeichneten die Christdemokraten die SPD-Forderungen als "grob fahrlässig", weil ihre Finanzierung jährlich insgesamt "rund fünf Millionen Euro" kosten würde. Diese finanzielle Belastung entspreche "nicht einer wirtschaftlichen verantwortungsvollen Haushaltsführung", heißt es in einer Mitteilung. Insbesondere den Wunsch, künftig auch die U3-Betreuung beitragsfrei anzubieten, weist die CDU zurück. Schließlich finanziere die Stadt laut Ratsbeschluss ab 2020 schon das dritte kostenlose Kita-Jahr – und sei damit schon sehr familienfreundlich. Für die rund 300 neuen Kita-Plätze entstünden außerdem zusätzlich Kosten von 1,5 bis zwei Mio. Euro pro Jahr.

Mit ihrer Kritik liegen die Christdemokraten auf einer Linie mit der Bürger-Union (BU). Die beitragsfreie U3-Betreuung sei momentan das falsche Signal, betonte daher am Dienstagabend auch Rainer Vogt. Die Wählergemeinschaft würde zwar langfristig ebenfalls anstreben, dass "kindliche Bildung nichts kosten dürfe", erklärte der BU-Fraktionsvorsitzende, zunächst müsse aber das Kita-Angebot in Ratingen ausgebaut und qualitativ verbessert werden. U3-Plätze beitragsfrei anzubieten, die es gar nicht gebe, mache dagegen keinen Sinn.

Ähnlich sah das Schuldezernent Rolf Steuwe. Durch kostenlose U3-Plätze würde eine zusätzliche Nachfrage enstehen, die die Stadt nicht decken könne, sagte er.

Statt, wie von der SPD gefordert, auf Beiträge für den Offenen Ganztag völlig zu verzichten, schlug die Bürger-Union eine moderate Entlastung der Familien vor: Nur noch für ein Geschwisterkind sollen Eltern künftig OGS-Gebühren zahlen müssen, so Vogt. Außerdem solle die Beitragstabelle für untere und mittlere Einkommen günstiger gestaltet werden, forderte er.

"Sympathie für diesen Vorschlag", äußerte Margarete Paprotta. Der CDU-Sprecherin und ihrer Fraktion, die den Tagesordnungspunkt zunächst gar nicht beraten wollte („Wir sind noch im Prozess.“), war es aber wohl ganz recht, dass die Entscheidung über den Antrag schließlich doch noch verschoben wurde. Zum einen, weil im Ausschuss Unklarheit über die Kosten herrschte, die der BU-Vorschlag verursachen würde. (Während Vogt einen Betrag von rund 800.000 Euro pro Jahr errechnet hatte, kam das Schulverwaltungsamt - wohl aufgrund eines Berechnungsfehlers - auf 1,2 Mio. Euro.)

Vor allem aber hatte ein eindringlicher Appell von Martin Gentzsch die Freigebigkeit der Politiker deutlich gebremst. Angesichts der Mehr-Ausgaben, über die sie diskutierten, sah sich der Stadtkämmerer nämlich zu einer ernsten Intervention genötigt. Mit mahnenden Worten wies er noch einmal nachdrücklich daraufhin, dass den für 2020 und 2021 ausgewiesenen Überschüssen von fünf bzw. sechs Mio. Euro Rückzahlungen von Einheitskosten in Höhe von neun Mio. Euro in diesen Jahren gegenüber stünden. Dabei handele es sich aber um einmalige Einnahmen. „Ohne die hätten wir eine Unterdeckung.“

Auch die für 2020 angesetzte Gewerbesteuer-Einnahme in Höhe von 108 Mio. Euro relativierte Gentzsch. Sie sei fast so hoch wie im Rekordjahr 2008, sagte er, und fügte hinzu: „Momentan sind wir noch in einer konjunkturellen Hochphase, viele Bereiche zeigen aber auch schon Schwächen.“ Er könne deshalb nicht erkennen, wie er hohe zusätzliche Belastungen langfristig finanzieren solle. Insbesondere jährliche Mindereinnahmen, die man jetzt beschließe, machten ihn nervös: „Das sind erhebliche Risiken, auf die ich vehement hinweisen möchte“, sagte er.

Die Worte verfehlten ihre Wirkung offenbar nicht. "Ich kann viel von dem nachvollziehen, was Herr Gentzsch vorgetragen hat", sagte anschließend etwa Barbara Esser von Bündnis90/Die Grünen. "Wir werden das in unsere Fraktionsberatungen mit einbeziehen und sind gespannt auf die Entscheidungen im Hauptausschuss und im Rat."

Autor:

Thomas Zimmermann aus Ratingen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

3 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.