Wie Du mir, so ich dir! Tauschring Unna hat den richtigen Nerv getroffen - Verein auf Wachstumskurs

Von Jörg Prochnow

„Mähst du meinen Rasen, tapezier ich dir das Wohnzimmer.“ So oder ähnlich könnte eines der Angebote lauten, die wöchentlich Mitglieder des Tauschrings Unna unter einander anbieten oder erfragen.

Getauscht werden keine Dinge, sondern Leistungen. Dabei stehen beispielsweise Kochen und Backen in der 18 Punkte umfassenden Themenliste ganz oben. Weitere Angebote sind unter anderem handwerkliche Hilfen im Haus und in der Wohnung, Gartenarbeit, aber auch Behördengänge und Musikunterricht. Selbst Fahrdienste, kleine aber wichtige Besorgungen oder eine Haustierbetreuung wird allerdings ausschließlich für Patienten des ev. Krankenhauses angeboten.

In einer Zeit, in der das Ehrenamt immer mehr an Boden verliert und jeder über wachsenden Druck am Arbeitsplatz stöhnt, drängt sich hier zwangsläufig die Frage auf, wer diese Menschen sind, die ihre Dienste und Fähigkeiten kostenlos anderen zur Verfügung stellen. Zurzeit sind es aktuell 145 Mitglieder eines eingetragenen Vereins aus der Unnaer Gartenvorstadt, die sich gegenseitig bei verschiedensten Arbeiten des täglichen Lebens unterstützen.

Zuwachsrate von 20 Prozent - jährlich

Bedenkt man, dass alles vor fünf Jahren mit acht Gründungsmitgliedern begann, ist der heutige Mitgliederstand schon bemerkenswert. „Wir haben eine jährliche Zuwachsrate von 20 Prozent“, freut sich der erste Vorsitzende Volker Manthei. Sicherlich atypisch für die heutige Zeit, trotzdem treten momentan mehr Bürger dem Tauschring zu als ihn zu verlassen und sorgen somit für eine geringe Fluktuation in dem noch recht jungen Verein.

„Zukunftsinitiative Gartenvorstadt“ hieß die Grundidee damals und hatte das Ziel eine Gettoisierung dieser südlich der Unnaer Innenstadt gelegenen Wohngegend abzuwenden. Ähnlich wie in Königsborn gibt es auch hier Adressen, die mit einem äußerst negativen Image behaftet sind.

„Um dagegen anzugehen, wollten wir eine Verbesserung des sozialen Umfelds erreichen“, erklärt Manthei hierzu. Um die hier lebenden Menschen einander näher zu bringen, begann man daher Nachbarschaftshilfen zu organisieren. Die Idee „Zeit gegen Zeit“ dümpelte allerdings in den ersten zwei Jahren eher schleppend vor sich hin.

Der offizielle Startschuss erfolgte dann im November 2009 mit der Gründungsveranstaltung des Tauschrings. Drei Monate später, im Februar 2012, stellte man sich dann im Rahmen einer Eröffnungsveranstaltung der Öffentlichkeit vor. Unterstützung erhielt der Tauschring von der Stadt Unna, die unter anderem die Räume im Stadtteilzentrum Süd zur Verfügung stellt, in dem der Verein am 8. November sein fünfjähriges Bestehen feiern wird.

Die erfreulichen Steigerungsraten der Mitgliederzahlen bewirken natürlich auch einen Anstieg der Tauschaktivitäten. Vor zwei Jahren wurde beispielsweise im Durchschnitt an jedem Tag ein Tauschgeschäft zwischen den Mitgliedern vereinbart, das ca. 100 Minuten dauerte. „Im Schnitt sind die jeweiligen Aktivitäten eineinhalb Stunden lang, es wird also niemand überfordert“, rechnet Volker Manthei vor. Eine Besonderheit hier: Mitglieder, die aufgrund ihres Alters oder einer Behinderung nicht in der Lage sind, Leistungen zu erbringen, können trotzdem Leistungen empfangen.

Wer etwas sucht oder anbietet, kann dies auf der eigenen Homepage unter dem Punkt „Tauschplatz“ tun. Hier werden sowohl Angebote, als auch Anfragen der Mitglieder veröffentlicht. Da man auch die Jugend erreichen möchte, wird zurzeit eine Tauschring-App für Smartphones entwickelt. Selbst hier greift man auf die unentgeltliche Hilfe eines IT-Ingenieurs zurück, der bereits vierhundert Stunden in die Entwicklung der App gesteckt hat. Manthei zu diesem Punkt: „Finanziell wäre das sonst für uns gar nicht zu realisieren. Außerdem müssen wir auch die Jugend ansprechen, da das Durchschnittsalter bei uns deutlich über 50 Jahren liegt“.

Ein Erfolg, über den sich alle Mitglieder und der Vorstand besonders freuen, ist der mit 2.000 Euro dotierte Preis eines Wettbewerbs, indem es um Wohnumfeldverbesserung und Quartiersentwicklung ging. Ausgerichtet wurde dieser Wettbewerb von „Wir wohnen im Revier“, einer Kooperation kommunaler Wohnungsunternehmen. Hier belegte der Tauschring Unna mit seiner Idee den zweiten Platz. Auch die Lokalzeit aus Dortmund berichtete im letzten Jahr über die rührigen Bewohner der Gartenvorstadt.

Mit dem Tauschring Hirschberg besteht eine Patenschaft. Die seit einem Jahr bestehende Institution im Sauerland erhielt damals Starthilfe aus Unna. Aus diesem Grund wird der Tauschring im Oktober die Kollegen dort besuchen und bei dieser Gelegenheit die Warsteiner Brauerei besichtigen -„Tauschring on Tour“ ist dann das Motto.