Landwirtschaftspräsident: "Ernte ohne osteuropäische Helfer unmöglich"
Spargel bleibt im Boden

Bücken, stechen, verschließen und wieder .... Für die harte Arbeit bei der Ernte auf dem Feld sind Saisonarbeiter aus Osteuropa unverzichtbar für Landwirte.  | Foto: WLV
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  • Bücken, stechen, verschließen und wieder .... Für die harte Arbeit bei der Ernte auf dem Feld sind Saisonarbeiter aus Osteuropa unverzichtbar für Landwirte.
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In dieser Erntesaison steht ein wesentlicher Teil der 612 Bauernhöfe im Kreis Unna vor neuen Problemen durch die Cororna-Krise. Viele hundert Saisonarbeitskräfte fehlen und können so leicht auch nicht ersetzt werden. Die hiesigen Landwirte hoffen, mit würdiger Unterbringung und angemessener Bezahlung der befristet beschäftigten Arbeitskräfte den Engpass zu überbrücken. Neue Ideen zur Vermarktung gewinnen aber nur langsam an Fahrt.

Auf den Höfen in Westfalen-Lippe sind regulär 25 000 Saisonarbeitskräfte im Einsatz, in diesem Jahr nur rund 10 000. Ein Engpass, der ausgeglichen werden muss, denn: In diesem Jahr kommen auch noch  Mehrkosten durch Flugtickets, Gesundheitschecks und veränderte Unterbringung sowie Hygienemaßnahmen von etwa 1000 Euro pro Arbeitskraft hinzu. „Kosten, die den Betrieben entstehen“, erklärte jetzt Marion von Chamier, Geschäftsfüh-rerin des Westfälisch-Lippischen Arbeitsgeberverbandes (WLAV) bei einem Ortstermin zur aktuellen Lage auf dem Hof Schulze-Blasum in Werne, bei dem sich Landwirtschafts- und Kreisverband Ruhr-Lippe einen Überblick zur Situation der Saisonarbeitskräfte verschafften.
40 Tonnen Spargel ungenutzt
„Ohne die Hilfe der langjährigen osteuropäischen Arbeitskräfte wäre eine reibungslose Ernte unmöglich. Die Einrichtung des Portals, um die Einreise der Saisonarbeitskräfte zu ermöglichen, sorgte deshalb für große Erleichterung auf den Betrieben“, so WLV-Präsident Hubertus Beringmeier.
Am Beispiel des Hofes Schulze-Blasum in Werne wird deutlich, wie stark der Erntertrag unter dem Arbeitermangel leidet. Rund 40 Tonnen Spargel bleiben allein dort insgesamt ungenutzt, weil die Vermarktung über Gastronomie und Großhandel stark eingebrochen ist, wie Betriebsleiter Johannes Laurenz, der neben Spargel auch eigene Erdbeeren, Zuckermais, Buschbohnen, Zwiebeln und Freilandeier vertreibt, erklärt. Guten Zulauf verzeichnet hingegen die Direktvermarktung. Durch die Corona-Krise werde die Erzeugung in der heimischen Region mehr geschätzt, ein Trend der hoffentlich für die Zukunft anhalte. „Regionale Landwirtschaft ist gesellschaftlich gewünscht. Der hiesige Anbau von Spargel, Erdbeeren, Himbeeren, Äpfeln, Kartoffeln und Co. hat eine zentrale Bedeutung: Die Lebensmittel überzeugen durch Regionalität und Geschmack, sie werden feldfrisch an die Kunden vor Ort verkauft.“ WLV-Präsident Hubertus Beringmeier betonte bei dem Ortstermin, weiterhin sei es für die Betriebe enorm wichtig, dass die Einreise der Saisonarbeitskräfte auch in den kom-menden Wochen möglich ist.“ Veränderungen in der Befristung von Anstellungsverträgen seien kein Hilfsmittel. Längerfristige Beschäftigungen wünschten die Arbeiter größtenteils nicht, da sie während der Saison für ihre heimatlichen Lebensverhältnisse ausreichend verdienen. WLV und WLAV begrüßen die Ausweitung der Zeitgrenzen der kurzfristigen Beschäftigung auf 115 Tage, die Flexibilität bei Arbeitszeitregelungen und die Lockerung von Zuverdienstgrenzen für Mitarbeiter.
Stammpersonal
„Es hat sich einiges verändert in diesem Jahr“, bringt es Landwirt Michael Schulte vom Haus Westhemmerde auf den Punkt. Die Beschränkungen durch die Coronakrise haben für seinen Hof mehrere Seiten. Mangel an Saisonarbeitskräften hat er zwar nicht, aber der Aufwand, die Helfer aus Osteuropa, vorwiegend Rumänien nach Unna zu bekommen sei immens gewesen. 24 Kräfte benötigt der Hof, um rund sieben Hektar Spargel bzw. vier Hektar Erdbeeren abzuernten. Organisationstalent sei gefragt gewesen bei der Buchung von Flügen, die auch mal umgeleitet wurden, Transport der Arbeitskräfte von Flughafen zum Hof und Einquartierung auch in zusätzliche Wohnungen. „Container kommen bei uns nicht in Frage, die Arbeiter leben in gut ausgebauten Wohnungen“, erklärt Schulte. Mehraufwand stellte in diesem Jahr die Einarbeitung dar. Ein Teil der Stammkräfte viel aus, neuen Helfern musste der Ablauf zunächst erklärt und eingebübt werden. Einen Versuch startete Schulte mit deutschen Kurzarbeitern und Freiwilligen. „Aber das klappt leider nicht“, lautet sein Fazit. Sortierarbeiten können man damit erledigen, für die Arbeit auf dem Feld seien die Helfer aus Deutschland langfristig aber nicht besonders geeignet. Arbeit auf dem Acker ist eben auch eine Frage der Gewohnheit und Mentalität.
Steigende Preise
Die Preise für Obst und Gemüse sieht Schulte im Steigflug. Erhöhter Aufwand für Unterbringung und insbesondere die Kosten der Anreise werden auf die Lebensmittel umgelegt. Kostete die Anreise per Bus rund 100 Euro (Hin- und Rückweg), lag der Preis für das Flugticket bei 240 Euro (One-Way). Zudem sind ein Viertel weniger Spargel im Verkauf, da nicht alles abgeerntet werden konnte. Ausserhalb der Saison hat Schulte keine Personalprobleme. Die Arbeit ist innerhalb der Familie aufgeteilt, unterstützt durch einen festen Mitarbeiter.
Familie arbeitet mit
Engpässe oder Mangel an Arbeitskräften hat Landwirt Heiner Bücker aus Kessebüren derzeit nicht. „Das decken wir mit eigenem Personal ab.“ Beim Getreide- und Kartoffelanbau sowie zur Ernte arbeiten die beiden Auzubildenden mit. Nach denen musste er nicht lange suchen. Landwirt Bücker stellte sie nach gelungener Probearbeit ein, die Stelle für das kommende Ausbildungsjahr ist vergeben.

Autor:

Stefan Reimet aus Holzwickede

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