Renate Wirth aus Birten schildert ihre Emotionen angesichts des Gewaltgeschehens in Myanmar
"Be safe, Myanmar!"

Das Lächeln fällt Rena Wirth schwer, angesichts der politischen Lage in ihrem Herzensland Myanmar. | Foto: Rena Wirth
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  • Das Lächeln fällt Rena Wirth schwer, angesichts der politischen Lage in ihrem Herzensland Myanmar.
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Myanmar - das klang im vergangenen Jahr noch nach Verheißung und Abenteuer. Dann putsche sich das Militär an die Macht und sperrte Staatschefin Aung San Suu Kyi weg. Seitdem herrscht die Gewalt in Myanmar. Renate Wirth kennt und schätzt dieses Land von vielen Reisen. Seit Februar befindet sich die Birtenerin im emotionalen Schwebezustand. Unseren Leser(inne)n erklärt sie, warum.

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In 2013 war mein Wunsch, ein buddhistisches Land zu bereisen. Die Wahl fiel auf das noch relativ unbekannte Myanmar. Seither bin ich dem Land, den Menschen, ihrer Art, das Leben unter teilweise einfachsten Bedingungen zu meistern, sehr zugewandt.

Ich habe die Rhododendronbäume auf dem Mount Victoria blühen gesehen, die Edelsteinstadt Mogok besucht, in Mandalay die Viertel der Weber, Blattgoldschläger, der Marmorwerker gesehen. In Yangon habe ich die friedvolle Atmosphäre der Swedagon Pagode immer wieder gesucht, die christliche Kirche St. Mary´s bestaunt. Myanmar ist ein beeindruckendes Land mit abwechslungsreicher Geographie, beeindruckenden religiösen Stätten und Pilgerorten, überall herrschte friedvolle Atmosphäre. Im Süden zupfte es oft am Ärmel meines Kleides und gestenreich wurde ich gefragt, ob man ein Foto mit mir machen darf. Mit Oma, Kleinkind oder ganzer Familie bin ich als Frau aus dem fernen Land in vielen Fotodateien gelandet.

Im letzten Jahr verhinderte die Pandemie eine weitere Reise. In diesem Jahr herrscht dort zusätzlich zum viralen Geschehen Krieg. Am 1.Februar 2021 wurde das mehrheitlich gewählte Parlament unter dem Vorsitz von Aung San Suu Kyi abgesetzt und größtenteils unter Hausarrest gestellt. Dem verehrten Staatsoberhaupt wird bis heute sogar der Kontakt zu den eigenen Söhnen untersagt. Niemand weiß, wie es ihr geht. Als Begründung wurde angeblicher Wahlbetrug genannt, die Parteibüros wurden durchsucht. Das Militär erklärte einen einjährigen Ausnahmezustand, sieht sich verfassungsmäßig im Recht.
Zehntausende, größtenteils junge Menschen, gingen friedlich auf die Straßen der großen Städte und protestierten gegen diese Willkür, die Bewegung des zivilen Ungehorsams, CDM für civil disobedience movenment wurde gegründet. Auch das war dem Militär nicht recht. Die Gefängnisse wurden geleert, über 20.000 Mörder, Dealer, Vergewaltiger wurden entlassen, Platz für friedliche Demonstranten, Ärzte und Journalisten geschaffen. Bislang sind fast tausend Menschen inhaftiert, angeklagt oder verurteilt.
Schlimmer ist die Zahl der vom Militär getöteten jungen Demonstranten, über 200 starben bislang, größtenteils durch gezielte Kopfschüsse, viele Leichen wurden einfach mitgenommen, eine Schmach für die Angehörigen, die sie nicht beisetzen können. Die Ambulanzen können nicht ausfahren oder werden angegriffen, Schwerverletzte zwischen zwei Personen auf Motorrädern transportiert, meist zu abgelegenen Adressen, wo Ärzte im Verborgenen helfen, da Schusswunden in den Krankenhäusern, die noch offen sind, nicht behandelt werden dürfen.

Das Internet ist seit Anfang März für viele abgeschaltet, täglich werden Radiofrequenzen weitergeleitet, unter denen man zu bestimmten Uhrzeiten Aktuelles erfahren kann. Die Möglichkeiten über die sozialen Netzwerke Nachrichten zu verbreiten sind schwierig, dennoch kann die Welt das ganze Elend mitverfolgen, denn die Kameras der Smartphones sehen alles, dokumentieren die Verbrechen, das Unfassbare. Unbeeindruckt veranstaltete das Militär in der Regierungsstadt eine Militärparade mit verbündeten Gästen, darunter chinesische und russische Regierungsvertreter.

Myanmar hat eine lange Geschichte der militärischen Diktatur hinter sich und erst in 2010 gelang es, das Land zu öffnen und, zumindest schien es so, zu demokratisieren. Nicht leicht in einem Land mit über 100 verschiedenen Ethnien, so entstand aus Burma die Union Myanmar. Nun sind die Ethnien, vorweg die Völker der Kachin, Chin, Shan, die Karen dabei, eigene Bundeswehren zu gründen und aufzustellen, um sich gegen das staatliche Militär zu behaupten. Alles soll auf gesetzlich verankertem Boden geschehen, was jedoch, aus der Not heraus, noch nicht der Fall ist.
Indien öffnet seine Grenzen für flüchtende Polizisten, Soldaten und ihre Familien. Thailand sagte großzügige Aufnahme von Flüchtlingen zu, hat jedoch gestern die Grenze wieder geschlossen.

Wohin in diesem Elend?

Die großen Demonstrationen werden beschossen und aufgelöst, die Bewohner der Straßen per Waffengewalt gezwungen, Barrikaden wieder abzubauen, wo sie nicht niedergebrannt werden können. Die Menschen sind vorsichtiger, dennoch wächst der Widerstand zu teils kreativen Ansagen. So wurde das Konterfei des machthabenden Generals durchgestrichen, ausgedruckt und tausendfach auf Straßen geklebt, es wurden Protestschilder aufgestellt, schön in der Reihe, ganze Straßenzüge lang, und gestern wurde dem Militär der Hausmüll vor die Füße geworfen. Geantwortet wird immer mit Gewehrsalven und Tränengas, mutwillig in Häuser geschossen. Und da alles seine Ordnung haben soll, wurde der Unrat heute wieder eingesammelt.

Tageweise unterbricht jeglicher Kontakt zu den Freunden, dann ist meine Sorge groß. Was das Wichtigste sei, frage ich eine Freundin. Sicherheit, schreibt sie, wir brauchen Unterstützung von den UN. In New York ist ein ständiger Fürsprecher im Kontakt.
Immer steht als letzter Satz unter meinen Botschaften: „Be safe.“ Pass auf dich auf. Ich möchte dich wiedersehen in deinem wunderbaren Land, beigefügt das Emoji der gefalteten Hände zum Gebet.

Be safe, Myanmar
(Fotos zum Beitrag: Rena Wirth)

Autor:

Dirk Bohlen aus Hamminkeln

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