Faire und umfassende Berichterstattung zur Kommunalwahl 2014?

Am 25.05.2014 geht es um die Zukunft unserer Stadt, zumindest für die nächsten 6 Jahre. Denn am 25. Mai ist Kommunalwahl. Die Bürger der Stadt entscheiden, wer in der Stadt zukünftig die Lokalpolitik bestimmen soll.

Noch halten sich die örtlichen Medien mit Wahlberichterstattungen zurück. Doch jetzt beginnt die heiße Phase, in der insbesondere WAZ, RN und Radio 98.5 darstellen sollten, was die bei der Wahl antretenden Parteien und Wählergruppen für die nächsten 6 Jahre planen.

Was für Positionen und Lösungen werden angeboten für die drängenden und schwerwiegenden Probleme der Stadt?

1. Bochum gehört zu den 19 am höchsten verschuldeten Städten Deutschlands, die mit mehr als 1 Mrd. Euro verschuldet sind. 1,5 Mrd. Schulden hat Bochum bereits angehäuft, Tendenz weiter steigend. Aufgrund der Verschuldung, ohne finanzielle Mittel, ist die Stadt nahezu handlungsunfähig. Es können fast nur noch Vorhaben finanziert werden, die mit 80% und mehr von Land oder Bund gefördert wird.

Wie kann die Stadt mittelfristig wieder handlungsfähig und die Schulden abgebaut werden?

2. Die Stadt versucht die Einnahmen zu erhöhen, in dem sie die städtischen Unternehmen, insbesondere die Stadtwerke zu höheren Gewinnen drängt. Die zusätzlichen Einnahmen will die Stadt für den städtischen Haushalt abschöpfen. Die Stadtwerke investierten daher in ein Wasserwerk in Algerien, einen Windpark bei Borkum und deutlich über 200 Mio. auf Kredit in die STEAG, die Stadt kaufte ebenfalls auf Kredit weitere Aktien der RWE, deren Dividende dramatisch schmilzt, dazu kamen Devisenspekulationsgeschäfte. Alle diese Geschäfte sind gescheitert oder drohen zu scheitern und zu Millionen Verlusten statt Gewinnen zu führen. Eigentlich kann nur der Kauf der Gelsenwasser AG als finanzieller Erfolg gewertet werden.

Soll trotzdem an dieser Politik festgehalten werden?

3. Die Bevölkerung in Bochum schwindet dramatisch, um weitere 30.000 Einwohner bis 2017. Von 1999 bis 2012 ist die Stadtbevölkerung bereits um 19.000 Menschen gesunken. 2017 wird es in Wattenscheid fast 25% weniger einzuschulende Kinder geben als noch 2012. Die Stadt stirbt. In fast allen Großstädten im Deutschland nimmt die Bevölkerung zu In den Städten des Ruhrgebiets nicht, da können nur Dortmund und Essen die Bevölkerungszahl stabil halten. In Bochum nimmt die Zahl hingegen besonders stark ab. Deutsche Universitätsstädte mit 53.000 Studenten, wie sie Bochum hat, prosperieren eigentlich. Bochum nicht.

Was muss getan werden, damit der Bevölkerungsschwung gestoppt wird und die Bevölkerung sich wieder positiv entwickelt?

4. Das Stadtbild verkommt und an vielen Ecken der Stadt ist bereits Verwahrlosung festzustellen. Im städtischen Haushalt werden nicht die für die Instandhaltung der städtischen Straßen, Gebäude, Brücken, Grünflächen, Haltestellen erforderlichen Mittel eingeplant. Statt erforderlichen 12 Mio. zur Minimalerhaltung bzw. 25 Mio. zur Werterrhaltung, gibt die Stadt z.B. bei den Straßen jedes Jahr nur 2 Mio. aus. Um nicht noch mehr Schulden zu machen, unterlässt die Stadt systematisch die erforderlichen Instandhaltungsinvestitionen und es kommt zu einem dramatisch wachsenden Sanierungsstau bei der städtischen Infrastruktur.

Wie kann das Wachsen des Sanierungsstaus gestoppt und können die erforderlichen Sanierungen nachgeholt werden?

5. Unternehmen finden nur selten den Weg nach Bochum und wenn, bieten sie häufig nur wenig gut bezahlte Jobs (z.B. Extraenergie, DHL). Büro- und Gewerbeflächen stehen massenhaft leer. Studenten hingegen sehen in Bochum kaum eine Zukunft, da es an gut- und hochqualifizierten Jobmöglichkeiten fehlt.

Was ist zu tun, damit zukunftsfähige Unternehmen nach Bochum kommen und insbesondere deutlich mehr Studenten hier Arbeit finden?

6. Das Bildungsniveau in Bochum ist im Durchschnitt immer noch zu gering. Nur 11-13% der Einwohner haben einen Hochschulabschluss, in prosperierenden deutschen Großstädten liegt dieser Anteil regelmäßig bei über 20%. Die Sozialausgaben dagegen explodieren. Die erforderlichen Transferleistungen für diejenigen, die aufgrund mangelnder Schulbildung auf dem Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sind oder nur Arbeiten finden, deren Einkommen für ein auskömmliches Leben nicht ausreicht, wachsen beständig. Die Zahl der Familien, die auch in nachfolgenden Generationen auf Transferleistungen angewiesen sind, nimmt nicht ab.

Wie kann dieser Teufelskreis und die Explosion der Sozialausgaben beendet werden?

7. Viele Stadtteile befinden sich in einem dauerhaften Niedergang (Werne, Riemke, Gerthe u.a.). Für Wattenscheid stellen Gutachter fest, dass die Stadtentwicklung nicht mehr aus sich heraus funktioniert. Leerstände und teils bauliche Verwahrlosung machen die Entwicklung sichtbar.

Was ist zu tun, um die Stadtteile aufzuwerten und attraktiver zu machen?

Bei der Wahl am 25.05. wollen Bochumer und Wattenscheider diejenigen wählen, die ihrer Meinung nach die besten Antworten insbesondere auf die oben genannten Fragen geben. Dazu muss die Lokalpresse die Themen aufarbeiten und darstellen, welche Lösungsansätze die unterschiedlichen Wählergruppen und Parteien anbieten.

Damit tun sich die lokalen Medien in Bochum und Wattenscheid jedoch erfahrungsgemäß leider sehr schwer. Lieber wird über Personen berichtet als über politische Sachthemen. Bei den Themen Wirtschaft und Politik fehlt es wohl auch schlicht an Journalisten, die sich auf diesen Bereichen wirklich auskennen. Berichte in den Bereichen Wirtschaft und Politik beschränken sich daher meist darauf, die Meinung der Handelnden wieder zu geben. Meinungen von unabhängigen Fachleuten werden nur äußerst selten eingeholt und den Ausführungen der Handelnden gegenüber gestellt.

Ein Beispiel: Als die Stadt aufgrund ihres unsoliden Finanzgebarens von der Bezirksregierung in den Nothaushalt gezwungen wurde, suchte man in der Presse eine Darstellung der Ursachen vergeblich. Die Stadt ging praktisch in ein Insolvenzverfahren ohne Restschuldbefreiung. Die Handelnden wurden unter Kontrolle gestellt, weil man ihnen nicht mehr zutraute, aus eigenem Antrieb die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Ausgaben und Einnahmen in Einklang zu bringen. Eine Situation, die bei Unternehmen in den Medien regelmäßig zu unangenehmen Fragen an die Verantwortlichen führt, fand in Bochum in dieser Hinsicht praktisch keine Resonanz. Vorwürfe an die Verantwortlichen? Keine. Die Verantwortlichen für das Finanzdesaster wurden erst gar nicht ausfindig gemacht und blieben ungenannt. Das Ereignis wurde, ganz den Schilderungen der Stadt folgend, als plötzlich und unvorhersehbar dargestellt. Eine Sichtweise, die auch mit besten Willen nach 40 Jahren kontinuierlichem, ungebremsten Schuldenanhäufens leider nicht nachvollziehbar ist.

Dass es zu dem absehbaren Finanzdesaster überhaupt kommen konnte, daran tragen somit auch die lokalen Medien eine nicht unerhebliche Mitverantwortung. Sie haben es versäumt, auf die sich dramatisch verschärfende Finanzentwicklung hinzuweisen. Sie haben nie wirklich ernsthaft gewarnt oder hinterfragt, ob der ausbleibende Erfolg der städtischen Bemühungen Ausgaben und Einnahmen im Gleichgewicht zu halten, sich nicht zwangsläufig irgendwann bitter rächen würde. Ernsthafte kritische Auseinandersetzungen mit den Maßnahmen der städtischen Politik, die das Finanzdesaster zur Folge hatten, gab es leider nicht. Wenn der versprochene Erfolg von städtischen Investitionen ausblieb, wie z.B. beim Biomedizinpark, Ruhrcongress, RWE-Aktienkauf oder „Bongardboulevard“ suchte man eine kritische Nachbetrachtung regelmäßig vergeblich.

Umso wichtiger, dass die lokalen Journalisten ihre Aufgabe diesmal besonders ernst nehmen und in den noch verbleibenden 5 Wochen bis zur Wahl die genannten wichtigen Themen in den Fokus ihrer Berichterstattung nehmen. Eine umfangreiche Darstellung der Probleme und der unterschiedlichen Positionen und Lösungsansätze der Parteien und Wählergruppen ist erforderlich. Nur so stellen die lokalen Medien sicher, dass sich die Bürger an der Wahl am 25.05 gut informiert beteiligen können.

Wie diese Aufgabe angegangen wird, ist letztlich eine Sache des Selbstverständnisses und des Anspruchs der berichtenden Mitarbeiter bei WAZ, RN und Radio 98.5 an sich selbst. Verstehen sie sich als echte Journalisten oder nur als Lokalreporter. Welche Kandidaten bei der Wahl antreten, ist hingegen nur von sekundärem Interesse. Entscheidend sind die Positionen und Meinungen der Parteien und Wälergruppen zu den wichtigen Themen. Auch nicht unerwähnt bleiben sollte, welche Parteien, Gruppen und Personen mitverantwortlich sind an dem desolaten Zustand der Stadt und welche (Fehl-)Entscheidungen sie mit getroffen haben und wer sich nun erneut zur Wahl stellt. Und ob diese ihre früheren Entscheidungen mittlerweile kritisch überdacht haben.

Für gut informierte Bürger und eine funktionierende Bürgerbeteiligung bedarf es einer kompetenten und kritischen lokalen Presse, die über alle politischen Themen umfangreich, verständlich und fair berichtet. Die Kommunalwahl wird zeigen, wie es darum in Bochum und Wattenscheid steht. Hoffen wir also das Beste.

Volker Steude,
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos

BoWäH - Bochum und Wattenscheid ändern mit Herz

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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