Ein Bild - Eine Geschichte
Ein Abenteuer für die Braut

Zufrieden sah sich König Felias im Garten um. Der Pavillon war geschmückt, die Stühle für die geladenen Gäste aufgestellt, das Wetter zeigte sich von seiner besten Seite. Schirme und Bäume warfen angenehmen Schatten auf den Bereich, in dem die Hochzeitszeremonie stattfinden sollte. Tische mit Getränken und Häppchen standen bereit und die Gäste bedienten sich ausgiebig. Die Diener gingen aufmerksam mit Tabletts umher und verteilten mit Sekt gefüllte Gläser. Die Stimmung war gut. Auch seine Braut war bereits eingetroffen und machte sich in ihrem Zimmer für die Hochzeit fertig.
Der König begrüßte seine Gäste, plauderte mit jedem und als es Zeit wurde, ließ er sie von den Dienern zu ihren Plätzen führen. Der Priester hatte seinen Platz im Pavillon eingenommen und auch Felias war bereit. Nun fehlte nur noch die Braut. Die Musiker spielten eine langsame Weise und übertönten das Getuschel, dass sich allmählich unter den Gästen ausbreitete. Auch Felias wurde unruhig. Wo blieb Dylara nur? Sie konnte ihn doch nicht so lange warten lassen!
Die Musiker stimmten den Hochzeitsmarsch an, doch brachen ab, als der Brautvater allein den Gang entlang auf Felias zueilte. Er zog ihn zur Seite. „Verzeiht König, aber wir können sie nicht finden, sie ist nicht in ihren Zimmern.“
König Felias starrte Baron von Sonora ungläubig an. Was redete der Mann da? Er selbst hatte seine Braut in ihre Gemächer gebracht und ihre Zofen bei ihr gelassen. Ihm war bewusst, dass Lady Dylara nicht von der Hochzeit begeistert war. Man munkelte, dass sie den Graf von Skene verehrte. Doch dieser war ein Sonderling, in der Gesellschaft nicht sehr angesehen und von ihrem Vater nicht mal ansatzweise als Schwiegersohn in Betracht gezogen worden. Dennoch hatte sie bei ihrer Verlobung gefasst gewirkt, als ob sie sich in ihr Schicksal fügen würde.
Felias Wangen röteten sich vor Zorn. Er hatte sich ihr gegenüber höflich und zuvorkommend verhalten, hatte ihr großzügige Gemächer und eine größere Anzahl an persönlichen Bediensteten zugewiesen, als er ihr zugestehen musste. Er war gewillt, ihr mit Respekt zu begegnen, und hoffte durchaus, dass sich mit der Zeit eine gewisse Zuneigung ergeben würde. Er wollte ihr ein gutes Leben bieten und nun demütigte sie ihn vor dem gesamten höheren Adel aus dem Königreich, indem sie sich ihm widersetzte und ihn sitzen ließ.
„Dann sucht sie!“, zischte er dem Baron zu und wandte sich an seine Gäste. „So wie es aussieht, ist meiner Braut etwas unwohl. Sobald sie sich besser fühlt, werden wir mit der Zeremonie beginnen.“ Er bedeutete den Dienern, seine Gäste mit Sekt zu versorgen und eilte dann dem Baron hinterher, der bereits zurück ins Schloss gelaufen war.
Als er das kühle Foyer betrat, kam ihm die Brautmutter entgegen. Sie rang verzweifelt die Hände. „Wir können sie nicht finden, wir haben alles abgesucht.“ Der König schob sie ärgerlich zur Seite, stieg die Treppen hoch und eilte zu den Gemächern seiner Braut. Es waren drei Räume. Ein großes Schlafzimmer, dazu ein geräumiger Wohnraum, in dem gemütliche Sessel und auch ein Schreibtisch standen, daneben ein kleiner Raum, in dem sich eine Badewanne befand. Die Fenster gingen zum Garten hinaus und man hatte eine gute Sicht auf den Fluss dahinter. Die Räume hatten neben den seinigen den besten Ausblick.
„Raus!“ Die Zofen knicksten und ließen ihn allein. Er sah sich genauer um. Die Gemächer hatten einst seiner Mutter gehört, so wie seine eigenen seinem Vater. Er ging langsam zu der Wand im Schlafzimmer, die an sein eigenes grenzen sollte. Immer wieder hatte er es in dieser Wand kratzen gehört. Er wusste, dass die dicken Wände von Gängen durchzogen waren, und vermutete auch einen in dieser. Nur hatte er noch nie den Zugang gefunden. Er hörte ein Kratzen, oder war es eher ein Klopfen? Er legte sein Ohr an die Tapete. Ja, es war ein eindeutiges Klopfen. Er tastete die Wand ab, spürte eine Vertiefung unter dem Stoff, der sie überspannte, und drückte darauf. Die Wand gab ein Stück nach und ein Spalt zeigte sich in der eben noch makellosen Tapete. Er hörte eine Frau husten. Die Tür wurde aufgestoßen und Lady Dylara stolperte von Spinnenweben bedeckt in seine Arme.
„Dem Himmel sei Dank, ich dachte, ich komme hier nie wieder heraus. Die verdammte Tür kann man nicht von innen öffnen!“
König Felias schob sie ein Stück von sich weg und sah sie fragend an. Dylara errötete und knickste, als ihr bewusst wurde, dass vor ihr der König und ihr zukünftiger Gemahl stand. Dann versuchte sie verlegen, sich die Spinnweben vom Kleid und aus dem Gesicht zu wischen.
„Verzeiht meine Teuerste, wie seid ihr überhaupt in den Gang gelangt?“
Dylara wurde noch röter. „Ich hatte mich im Schlafzimmer versteckt und wollte ... äh ... unter das Bett kriechen ..., na ich weiß auch nicht, und hab dabei gegen die Wand getreten. Die Tür ist aufgegangen. Es ist zwar schmutzig da drin, aber das war ein gutes Versteck, um ... Sie hat einen Griff innen, daran habe ich sie zugezogen, aber nicht mehr aufbekommen.“
König Felias sah auf sie herab. Er sollte zornig sein, da sie gerade zugegeben hatte, dass sie sich verstecken und so die Zeremonie platzen lassen wollte. Aber irgendwie konnte er nicht. Im Gegenteil musste er sich das Lachen verkneifen, das aus ihm herausplatzen wollte. Was für eine absurde Situation. „Verabscheut Ihr mich so sehr, dass Ihr Euch vor mir versteckt?“
Dylaras Augen wurden groß. „Was? Ach Gott nein.“
„Was ist es dann? Liebt Ihr den Grafen von Skene so sehr, dass für Euch kein anderer Mann in Frage kommt?“ Felias sah sie neugierig an. Er merkte, dass es ihn wirklich interessierte, was sie wollte.
„Bitte?“ Dylara schüttelte beinahe entrüstet den Kopf.
„Es heißt, dass ihr ihn verehren würdet!“ Wieder spürte König Felias Hitze in sein Gesicht steigen. Wie würde es sein, von einer Frau wie Dylara verehrt zu werden? Temperament hatte sie.
„Das behauptet er!“ Dylara stemmte entrüstet die Fäuste in die Hüfte.
„Was ist es dann?“ König Felias war verwirrt, diese Frau gab ihm Rätsel auf.
Dylara seufzte und ließ sich dann auf das Bett plumpsen. Eine Staubwolke stieg aus ihrem Kleid auf und sie musste wieder husten. „Könnt Ihr Euch mich als Königin vorstellen? Seht mich doch an. Ich mag nicht in schicken Kleidern höflich mit Gästen plaudern, bis mir das Grinsen im Gesicht festfriert. Sticken kann ich nicht, ist auch langweilig. Was soll ich denn den ganzen Tag tun? Der Graf konnte spannende Geschichten erzählen, von Abenteuern, die er angeblich selbst erlebt hat.“ Ein verträumtes Lächeln trat auf ihr Gesicht und König Felias wurde langsam etwas klar.
„So, Ihr wollt Abenteuer erleben, womöglich durch die Welt reisen?“
Dylara seufzte und ließ den Kopf hängen.
König Felias lächelte und reichte ihr die Hand. „Nun, wir könnten zuerst herausfinden, wohin dieser Gang führt.“
Dylara starrte ihn mit offenem Mund an und ließ sich dann von ihm hochziehen. „Die Gäste?“
„Können noch etwas warten.“
„Die Tür geht nicht von innen auf!“
König Felias nickte stirnrunzelnd, entzündete eine der Lampen und betrat den Gang. „Ha!“ Er zog die Tür hinter sich zu und mit einem Knacken ging sie wieder auf. Er grinste Dylara frech an. „Nun? Bereit für ein Abenteuer?“
www.sabine-kalkowski-schriftsteller.de

Autor:

Sabine Kalkowski aus Bergkamen

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