Arbeitszeiterfassung schützt nicht vor Ausbeutung
Welche Auswirkungen hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Arbeitszeiterfassung?

Während in der Produktion in Industriebetrieben die Arbeitszeit relativ einfach durch Zeitmessgeräte elektronisch aufgezeichnet werden kann, gibt es große Probleme für Beschäftigte, deren Arbeitsplätze an verschiedenen Einsatzstellen liegen wie z.B. Außendienstmitarbeiter, Beschäftigte auf Baustellen, Heimarbeiter, aber auch Fahrzeugführer aller Art.

Zwar sind für LKW-und Busfahrer zwingend Tachoscheiben oder ein anderes technisches Gerät für die Aufzeichnung der Lenkzeiten vorgeschrieben, das sagt jedoch nichts darüber aus, ob der entsprechende Fahrer während des Stillstand des Fahrzeuges Pause einlegt. Häufig werden in diesen Zeiten, die eigentlich der Erholung dienen, die Fahrzeuge ent- oder beladen. Um hier wirklich feststellen zu können, ob der Fahrer bei Stillstand des Fahrzeuges tatsächlich Pause macht, wären in all den entsprechenden Fahrzeugen Videokameras erforderlich. Dagegen würden sich die Transportunternehmen heftig wehren, denn dann wäre die Ausbeutung der Mitarbeiter nicht mehr so leicht möglich. Aber nur durch solch drakonische Maßnahmen könnte der Auswuchs der unbezahlten Überstunden bekämpft werden. Da diese Maßnahme auch für den Beschäftigten aufgrund des Datenschutzes kaum akzeptiert würde, müsste für diesen Bereich eine absolute Zeitgrenze für die Arbeits- und Pausenzeiten (max. 8 Stunden täglich) gesetzlich festgelegt werden. Dazu zählt auch die Rückfahrt zum Betrieb bzw. ständigen Standorts des Fahrzeuges. Verstöße könnten durch die Zeiterfassung der Lenkzeiten schnell festgestellt werden und in erster Linie wäre dafür der Arbeitgeber verantwortlich.

Bei vielen Logistikunternehmen, insbesondere bei den Versandunternehmen wie z.B. Hermes, wären bei dieser Regelung nicht mehr alle Kunden laut Tourenplan zu bedienen. Dadurch würde das Unternehmen gezwungen, die Anzahl der zu bedienenden Kunden pro Tour deutlich zu reduzieren und damit mehr Leute einzustellen.

Bei Außendienstmitarbeitern, Beschäftigten im Bauwesen (Führung eines Bautagebuchs durch den Beschäftigten ist bereits jetzt Pflicht)  und Heimarbeitern kann die Zeiterfassung nur durch eigene Aufzeichnungen der Mitarbeiter erfolgen. Viele Unternehmer, insbesondere nicht tarifgebundene oder ohne Betriebsrat, setzen die Mitarbeiter jedoch so unter Druck, dass sie nur eine bestimmte Anzahl von Arbeitsstunden aufzeichnen, obwohl sie deutlich mehr und länger gearbeitet haben. Hier wäre eine Mindestarbeitszeit von 8 Stunden täglich gesetzlich zu unterstellen, auch wenn an einzelnen Tagen weniger oder gar nicht gearbeitet wird.

Gegen die Ausbeutung durch die Arbeitgeber können nur starke Gewerkschaften, die von der Basis auf kämpfen, Nachhaltiges bewirken. Deshalb sollte jeder Beschäftigte, egal ob der Betrieb tarifgebunden ist oder nicht, der zuständigen Gewerkschaft beitreten.

Trotzdem ist das Urteil des EugH zu begrüßen.

Autor:

Ulrich Achenbach aus Bochum

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