Wenn Verständigung misslingt: Vom Umgang zwischen Arzt und Patient

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Es war eine der Behandlungssituationen, die der Patientin ziemlichen Verdruss bereiteten. Sie hatte morgens um
9.00 Uhr einen Termin bei ihrem Orthopäden und wurde zu diesem frühen Zeitpunkt, zu dem sie nicht damit gerechnet hätte, bereits mit einer halben Stunde Verspätung in den Behandlungsraum gebeten.
Dass sie dort weitere 15 Minuten warten musste, in denen eine Arzthelferin dreimal nachschaute, ob der Arzt inzwischen bei ihr eingetroffen sei, machte unruhig und verärgerte dann schließlich zunehmend.

Als dieser nach einer frühmorgendlichen Gesamtwartezeit von mindestens einer Dreiviertelstunde endlich den Raum betrat, war es nicht der Orthopäde, bei dem sie die Behandlung begonnen und den Termin zur Besprechung von Befunden zwecks weiterer Behandlungsmöglichkeiten ihrer schmerzhaften Beschwerden vereinbart hatte.

Die zu diesem Zeitpunkt auf dem Gefrierpunkt befindliche Laune der Patientin, die sich selbst noch fünf Minuten gegeben hatte, bis sie ohne ein Gespräch zu führen wieder gegangen wäre, rutschte in den Bereich der Minustemperaturen. Beeinflusst durch die Schmerzen, die das Sitzen beschwerlich machten, schlug das innere Erleben auf der Stelle in Abwehr um. Der ihr ohne erläuternde Worte gegenübertretende Arzt war ihr auf Anhieb unsympathisch.

Als er auch noch fragte, weshalb sie da sei, und ihr dadurch verdeutlichte, dass keine Vorkenntnis bestand, weshalb sie erst erläutern musste, was der behandelnde Orthopäde bereits gewusst hätte, war eine gute und vertrauensvolle Verständigung zwischen Arzt und Patientin nicht mehr herstellbar.
Die Leitung war gestört. Sie schaltete innerlich ab und stellte völlig automatisch die Kompetenz in Frage, da sie nicht dagegen ankam, sich zu fragen, was der zuvor behandelnde Orthopäde an weiteren Behandlungen empfohlen hätte, zu dessen ruhiger und besonnener Art sie Vertrauen gehabt hatte.

Ohne große Überzeugung nahm sie deshalb die empfohlene Überweisung an einen anderen Facharzt entgegen, deren Sinn und Zweck sie anzweifelte, da ihr eine wichtige Ursache der seit drei Jahren ohne Unterbrechung anhaltenden schmerzhaften Muskelverspannungen im Rücken bewusst war, der der Arzt allerdings wenig zugänglich erschien.
Von der in dieser Behandlungssituation entstehenden Absicht, ihren Unmut über den von der Praxis vorgenommenen Arztwechsel den Arzthelferinnen direkt mitzuteilen, nahm sie angesichts der anderen wartenden Patienten Abstand, weil es ihr vor deren Ohren unfair erschien.

Da sie registriert hatte, dass der Orthopäde Mitglied im Medizinischen Qualitätsnetz ist, in dem sich diejenigen Bochumer Haus- und Fachärzte zusammengeschlossen haben, denen an einer guten Verständigung zwischen Arzt und Patient gelegen ist, beschloss sie, ihm schriftlich mitzuteilen, was sich auf eine gute Arzt-Patienten-Beziehung störend auswirkt. Sie gab sich Mühe mit der Formulierung, weil ihr Ziel nicht darin lag, ihn zu verärgern.

Dass der Orthopäde zeitnah reagierte und ihr ein Schreiben schickte, in dem er sich mit ihrer Mitteilung ausführlich auseinandersetzte, nahm sie sehr positiv entgegen, da es auf den ersten Blick Offenheit bezüglich der Belange des Patienten vermittelte.

Er habe die Nachricht mit Interesse gelesen, gab er an, und erläuterte die Handhabung des Wechsels in der Behandlung von Patienten und das Zustandekommen von Wartezeiten.
Er bestätigte, dass es ihm um ein gutes Miteinander zwischen Arzt und Patient ginge, das von gegenseitigem Respekt, Verständnis und Toleranz geprägt sein solle. Er nehme gerne konstruktive Kritik an und würde sich für die Mühe der Patientin bedanken, führte er im Weiteren aus, um dann unvermittelt den Ton zu wechseln.
Da er ihren Vorstellungen jedoch offenbar nicht gerecht werden könne, betrachte er das Behandlungsverhältnis als gelöst und schließe die Patientenakte.
Diesen Satz schloss er mit einem Ausrufezeichen ab.
Er ermuntere dazu, den Sachverhalt dem MedQN zur Kenntnis zu geben, teilte er mit. So könne möglicherweise verhindert werden, dass Patienten mit überhöhten Erwartungen in seiner Praxis enttäuscht würden. Er selber kümmere sich inzwischen um die zufriedenen Patienten, die ihn weiterhin in großer Zahl aufsuchen würden.

Dieses unerwartet plötzliche Ende einer offenbar nur vordergründig ärztlichen Offenheit zur gegenseitigen Verständigung nahm die Patientin, der es nicht um das Vermitteln überhöhter Erwartungen gegangen war, mit großer Verwunderung und starkem Befremden entgegen.

Sich an den Arzt zu wenden, dem sie mitgeteilt hatte, dass sie seine ruhige und besonne Art sehr geschätzt hatte, war von dem Vertrauen geprägt, dass gerade wegen seiner Mitgliedschaft im MedQN und ihrer eigenen Mitgliedschaft im Patientenbeirat des Netzes eine gute Verständigung über eine unglücklich erlebte Situation möglich sein würde.
Das letztlich gemeinsame Engagement zweier Parteien innerhalb eines Vereins und die dadurch gemeinsamen Ziele zugunsten eines guten Arzt-Patienten-Verhältnisses schienen ihr eine positive Basis der Verständigung zu sein, die durch die Reaktion des Arztes schwer erschüttert wurde.
Hier führte offenbar gerade eine bestehende Gemeinsamkeit zu einer abrupten Spaltung in gegnerische Parteien, und die im Vertrauen vorgetragene und als Gedankenanstoß gedachte Kritik, die das gewünschte Ergebnis einer aufklärenden Information erbracht hatte, gleichzeitig zu einem automatisch fristlosen Abbruch der Behandlungsbeziehung, was ihrem bisherigen Verständnis nach dem eigentlichen Sinn und Zweck des MedQN zuwiderlief.

Denn dessen Ansatz ging gerade dahin, bestehende Kluften zu beseitigen, indem durch gegenseitigen Austausch ein Verständnis sowohl für Belange des Patienten und dessen Erwartungen an eine gesunde Behandlungsatmosphäre, als auch für die Belange des Arztes und der ihm durch das Gesundheitssystem auferlegten finanziellen Zwänge erreicht und beide Parteien füreinander sensibilisiert werden sollten.

Einen direkten Abbruch einer Arzt-Patienten-Beziehung als Folge mutig vorgebrachter Kritik herbeizuführen, die immer auch darauf zurückgeht, dass der Patient, der im vorliegenden Fall zudem ganz offen über extreme psychische Belastungen gesprochen hatte, in der Phase seiner Erkrankung weit empfindlicher reagiert, als in gesunden Zeiten, sollte sicher nicht in erster Linie Sinn und Zweck einer Mitgliedschaft in MedQN und Patientenbeirat sein.

Eine gute Moderation wäre manchmal wünschenswert, denn es war keinesfalls die Absicht der Patientin, den Arzt nicht mehr zu konsultieren, dessen warmherzigen Umgang mit kranken Menschen sie für sich gewürdigt hatte, sondern auf einen unglücklich erlebten Umstand hinzuweisen, der automatisch einen nachteiligen Prozess im Miteinander nach sich zieht.

Was im aktuellen Fall zurückbleibt, ist eine tiefe persönliche Betroffenheit über die mangelnde Kritikfähigkeit eines Behandelnden, dem ursprünglich durchaus mit Wertschätzung begegnet worden ist.

Autor:

Sabine Schemmann aus Bochum

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