Zeltfestival 2012 – Ei dobrze dobrze dralla

Auf der Piazza
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25.08.2012

Tag 3 steht bevor, an dem ich mich diesmal allein in die Menge begebe. Dass der heutige Auftritt der Popolskis nichts für schwache Nerven ist, erfahre ich bereits im Backstage-Bereich. Pawel Popolski von „der Familie Popolski“ gibt uns in seiner typisch fröhlichen Manier ein Interview, begonnen mit der Frage „Geht’s euch dobrze?“. Kurz danach geht’s dann auch schon ins Zelt, in welchem ich und das popolskihungrige Publikum auf den Gong warten, dass es losgeht.

"Der Show" beginnt mit dem Einlauf der Familie Popolski und "der Wahrheit" – dass hunderttausende Popsongs den Popolskis einst geklaut und verhunzt wurden und heute Abend den Weg zu ihren Machern zurückfinden. Zunächst wird die Wódkapause praktiziert, vorgemacht von Pawel Popolski, angezählt auf Polnisch: Raz. Wódka in die Wódka-Hand. Dwa. Glas heben und Anstoßen. Trzy. In den Rachen kippen. Cztery. Glas hinter sich werfen. Dann ist die Menge dran. Spätestens jetzt geht’s allen schon ziemlich dobrze.

Die Popolskis haben nicht nur Wódka, sondern auch die beste Technik und die besten Gäste mitgebracht. Technik: Die Show wird mitgeschnitten von einer selbst mitgebrachten Kamera, Schwarz/Weiß-Aufzeichnung. Gäste: Dorota Popolski – Cousine und „Material Girl“ in dem roten hautengen Glitzerkleid – und Andrzej Popolski – der entferntere Cousin, selbstverliebt hoch drei – werden nacheinander auf die Bühne geholt. Zum Polka Beat singen sie ihr Repertoire.

Die männersuchende Dorota singt ihre Lieblingslieder, sie handeln von Zlotys in jeglicher Hinsicht. Dann lässt sie die Männer im Saal mitsingen, in tiefer Stimme sollen sie ihrer Liebsten das Wort Aktienpaket zuflüstern. Andrzej singt da eher was von „Verdammt ich lieb mich, ich lieb mich nicht“ und sagt nach seinem Gitarrenduo mit Mirek nur „zwei Worte“ in die Menge: Ich liebe euch.

Jeder der Popolskis darf sein Solo preisgeben. Ob es die beiden kariert-hemdigen Zwillinge mit Trompete und Tanzeinlage sind. Ob es der blinde Onkel mit der jazzig traurigen Version von „Ein bisschen Spaß muss sein“ ist. Ob es der andere Onkel in dem traumhaften frühlingsbeigen Pullunder ist (wenn er abends ausgeht, trägt er Neonbeige), der eine große Filmkarriere hinter sich hat. Ob es der Hausmeister ist, der die Kabel kurz neu verlegt. Oder ob es Mirek ist, der nur darauf wartet, endlich sein scheiße Gitarrensolo zu spielen. Alle zwanzig Minuten dann immer wieder eine Wódkapause zur Vorbeugung einer eventuellen Unterzuckerung.

Nicht zu vergessen ist Janusz Popolski, der jüngste von allen. Nach bisherigem Versagen muss er heute seine sechste Polkaprüfung bestehen. Während der Show traut sich der verklemmte Bassist kaum nach vorne, winkt und lächelt nur schüchtern in die laute Menschenmenge. Von der Familie ständig in den Schatten gestellt und von Mirek rumgeschubst, beginnt er zaghaft sein Solo. Auf einmal stülpt er sich seinen karierten Pullunder über den Kopf, schnappt sich das Mikro und gibt Cherry cherry lady zum Besten - er flippt total aus. Eine Show, die einfach niemand so erwartet hat. Mit Bravour besteht er die Polkaprüfung.

Die Menge ist begeistert, das Konzert beendet. Die zweite Zugabe ist Zabrze, das Pendant zu Bochum von Grönemeyer. Als Bochumer kann man hautnah spüren, was die Popolskis mit Tradition und Heimweh meinen. Während des Songs ist Janusz wieder ganz der Alte, er hat Heimweh, fängt an zu weinen und versteckt sich in der hintersten Ecke.

Es sind die Geschichten, für die wir die Popolskis lieben. Sei es die Mutprobe, der sich Janusz hingegeben hat. Sei es die polnische Gürkchendiät „Slim Slow“ der Zwillinge. Sei es der Polkaparagraph 215, nach dem eine einzuhaltende Wódkapause gewerkschaftlich durchgesetzt wurde. Oder sei es die Art, wie die Popolskis allesamt deutsche Sprichwörter verhunzeln. Überragende Show, in der wir tanzen und lachen, schunkeln und mitmachen. „Da geht der Post ab durch der Decke!“

Autor:

Sarah Rütershoff aus Castrop-Rauxel

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