Weihnachten hinter Gittern

Der Mehrzweckraum, in dem Pfarrer Michael Drees die sonntäglichen Gottesdienste abhält, ist jetzt adventlich geschmückt. Foto: Thiele | Foto: Thiele
  • Der Mehrzweckraum, in dem Pfarrer Michael Drees die sonntäglichen Gottesdienste abhält, ist jetzt adventlich geschmückt. Foto: Thiele
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Beleuchtete Tannenbäume schmücken das Gelände der Justizvollzugsanstalt Castrop-Rauxel. Ein weiterer Baum verziert den Speisesaal, während im Mehrzweckraum ein Adventskranz steht. Denn auch die Häftlinge im „Meisenhof“ feiern das Weihnachtsfest.

Allerdings werden an den Feiertagen nur rund 200 der mehr als 550 Haftplätze belegt sein. „Zum einen haben wir aufgrund der Weihnachts­amnestie eine entspannte Belegungssituation“, sagt JVA-Leiter Julius Wandelt. Bei dem traditionellen Gnadenakt habe die Ministerpräsidentin Anfang November 70 Strafgefangene entlassen, deren Haftstrafe bis Anfang Januar beendet gewesen wäre.
Zum anderen haben etwa 200 weitere Häftlinge die Möglichkeit, über Weihnachten Urlaub zu nehmen. „Wenn sie Urlaubstage aus den Vormonaten angespart haben, können sie bis zu fünf Tage bei ihren Familien verbringen“, erklärt Wandelt.
Für die verbliebenen Häftlinge wird es Heiligabend und am zweiten Weihnachtstag einen ökumenischen Gottesdienst geben. „100 bis 120 werden wohl kommen, die sonst nie in die Kirche gehen würden“, schätzt Pfarrer Michael Drees, der Vollzeit im „Meisenhof“ tätig ist. Klassische Weihnachtslieder wie „Stille Nacht“ und „O du fröhliche“ seien dann ein Muss. „Es singen zwar nicht alle mit, aber viele lassen sich davon berühren“, weiß der evangelische Seelsorger und freut sich, dass diesmal ein Inhaftierter darunter ist, der Orgel spielen kann und den Gottesdienst musikalisch begleiten wird.
An den Weihnachtsfeiertagen können die Häftlinge Besuch empfangen. Das übliche Überreichen von Geschenken an Familie und Kinder sei aber ein Problem, so Drees, „denn die Mittel sind extrem eng. Etliche leben von Hartz IV.“ Allerdings hätten einige Häftlinge durchaus die Gelegenheit, eine Kleinigkeit für sich zu besorgen. „Sie können einige Tage vor dem Fest für zwei, drei Stunden einkaufen gehen, um sich beispielsweise Kekse oder Spekulatius zu kaufen. Andere können sich etwas mitbringen lassen“, erzählt der Pfarrer.
Diese Freiheiten ergeben sich daraus, dass die Castrop-Rauxeler JVA eine Einrichtung des offenen Vollzuges ist und hier nur Strafgefangene sind, die noch höchstens zwei Jahre Strafe abzusitzen haben. „Es sieht locker aus, aber es ist kein Ponyhof. Es ist ein Gefängnis“, betont Drees jedoch.
Er weiß, dass die Trennung von der Familie für viele Inhaftierte ein Problem ist, das an den Feiertagen noch gravierender wird. „Oft haben sie Kinder von mehreren Frauen und keinen Kontakt zu ihnen. Aber hier haben sie Zeit nachzudenken, und es kommen Fragen hoch“, erläutert Drees. Dann stehen er und sein katholischer Kollege Ulrich Gröne den Häftlingen als Gesprächspartner zur Verfügung.
Dabei sei es ein großer Bonus, dass die Gespräche unter Schweigepflicht stattfänden, so Drees. „Das ist unter vier Augen wirklich etwas anderes. Da schüttet auch jemand sein Herz aus oder weint, der vor den anderen Häftlingen nie weinen würde.“

Autor:

Vera Demuth aus Bochum

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