Der Mini-Mindestlohn von 8,50 Euro kommt - aber nicht für alle!

Hartz IV-Empfänger sollen im ersten halben Jahr einer Beschäftigung vom Mindestlohn ausgeschlossen bleiben. So will es die Bundesregierung.

8,50 Euro/Stunde (brutto) reichen ohnehin kaum zum Leben. Wer zu diesem Lohn vollzeit arbeitet, der ist häufig noch Hartz IV-berechtigt, als sog. Aufstocker. Dessen ungeachtet aber gab Bundesarbeitsministerin Andreas Nahles (SPD) Ende März bekannt, dass eine Reihe von Gruppen vom geplanten Mini-Mindestlohn ausgenommen werden soll. So soll für Hartz IV-Bezieher eine „Karenzzeit“ eingeführt werden, in der sie keinen Anspruch auf die 8,50 Euro haben. Das bedeutet, dass es de facto keinen Mindestlohn für Hartz IV Betroffene gibt.

Karenzzeit für Hartz IV-Bezieher
In der Nacht zum 19. März handelten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) die Ausgestaltung des geplanten gesetzlichen Mindestlohns aus. Hinsichtlich einer Altersgrenze einigte man sich letztendlich auf 18 Jahre. Jüngere Arbeitnehmer haben demnach keinen Anspruch auf diesen Mindestlohn, ebenso Auszubildende und Ehrenamtliche, da sie - so die offizielle Erklärung - in keinem regulären Arbeitsverhältnis stehen. Praktikanten, die ein Schüler-, Pflicht- oder studienbegleitendes Praktikum absolvieren, sind ebenfalls von der Regelung ausgenommen. Wer nach nach der Ausbildung ein berufsorientierendes Praktikum macht, soll aber spätestens nach vier Wochen mindestens 8,50 Euro pro Stunde erhalten.

Am härtesten trifft die Ausnahmeregelung beim Mindestlohn aber Erwerbslose, die länger als ein Jahr auf staatliche Leistungen angewiesen sind, also Hartz IV-Bezieher. Werden sie von einem Arbeitgeber eingestellt, haben sie im ersten halben Jahr der Beschäftigung keinen Anspruch auf den Mindestlohn. Welche Konsequenzen das in der Praxis haben wird, ist absehbar: Die Arbeitgeber profitieren von der Regelung, in dem sie Erwerbslose zu unterirdischen Konditionen befristet für ein halbes Jahr einstellen oder nach einem halben Jahr wieder entlassen. Der zuvor erwerbslose Arbeitnehmer kann dann wieder einen Hartz IV-Antrag beim Jobcenter stellen und hat überhaupt nichts gewonnen. Sehr wahrscheinlich musste er während der sechsmonatigen Beschäftigung aufgrund seines geringen Gehalts ohnehin mit Hartz IV aufstocken, so dass sich tatsächlich nichts für ihn ändert.

Statt gezielt Hilfen für Hartz IV-Bezieher zu schaffen, zeigt die große Koalition mit dieser Regelung erneut, dass sie offensichtlich kein Interesse daran hat, die Situation von Erwerbslosen zu verbessern. Und schlimmer noch: Mit der Karenzzeit beim Mindestlohn wird Unternehmen Tür und Tor geöffnet, sich an Hartz IV-Beziehern – staatlich subventioniert - zu bereichern.

Autor:

Heiko Holtgrave aus Dortmund-City

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