REGELSÄTZE
Realwertsenkung bei den gesetzlichen Sozialleistungen geplant

Ein Hammer: Während die Medien von einer Teuerungsrate von knapp 4 Prozent sprechen, hat das Bundeskabinett Mitte September (am 15.9.) auf Vorlage des Bundesarbeitsministers eine Ver­ordnung verabschiedet, nach der die Regelsätze nach SGB II und SGB XII zum 1. Januar 2022 um nicht mal 1 % angehoben werden sollen!
Um genau zu sein: um exakt 0,76 Prozent. Maßgeblich für die Berechnung dieser Veränderungsrate ist die Preis- und Lohnentwicklung im Zeitraum 1. Juli 2020 bis 30. Juni 2021. Preiserhöhungen – allerdings nur die Erhöhungen bei den vom Gesetzgeber als „regelbedarfs­relevant“ anerkannten Ausgabearten - schlagen sich dabei zu 70 %, Lohnerhöhungen zu 30 Prozent in der Berechnung der Rate nieder. Das ist in § 28a SGB XII so geregelt.

In der Regelung für den Berechnungsmodus steckt, das wird hier offenkundig, ein Konstruktionsfehler, der zu Zeiten geringer Inflation nicht so arg auffällt, aber auch schon in früheren Jahren mehrfach Grund für Ärger war.
Größere Aus­schläge bei den Preisen und/oder den durchschnittlichen Löhnen kommen erst mit 1 bis 2 Jahren Verzögerung bei den Leistungssätzen an. Der Vorteil für die Regierungen: Mehrausgaben werden so immer um eine gewisse Zeit nach hinten verschoben.
Für die betroffenen Leistungsbezieher ist es hingegen bitter, da die Preiserhöhung ja jetzt, und nicht erst im übernächsten Jahr, zuschlägt. Faktisch handelt es sich bei der für 2022 vor­gesehenen Anpassung um eine Realwertsenkung.

Das Dortmunder Sozialforum hat in einer aktuellen Pressemitteilung darauf hingewiesen, dass man dabei nicht vergessen dürfe, dass es sich bei den Leistungen nach SGB II und SGB XII (Hartz IV und Grundsicherung) um Mittel zur materiellen Existenzsicherung handelt, die ohnehin schon immer äußerst knapp bemessen sind. Dieser Zusammenhang sei in der Begründung zu der vom Kabinett verabschiedeten Verordnung durchaus mehrfach unterstrichen worden, etwa wenn es da hieß, dass es bei der Fortschreibung ganz besonders um eine „Realwerterhaltung der Regelbedarfe“ ginge. Dessen ungeachtet habe das Ministe­rium einfach mit den niedrigen Daten aus 2020/21 weitergerechnet, als habe man von den aktuellen Preissteigerungen, gerade bei Lebensmitteln, nichts mitbekommen.

Das Sozialforum hat in den letzten Tagen diverse Dortmunder Bundestagskandidaten danach gefragt, was sie vom Kaufkraftschwund bei den Sozialleistungen halten. Ihre Antworten sind dokumentiert unter der Webadresse http://agora.free.de/sofodo/wahlpruefstein-3-realwertsenkung-bei-den-sozialleistungen

Bevor die geplante Mini-Erhöhung – Erhöhung in Anführungsstrichen - endgültig rechtswirksam wird, bedarf sie noch der Zustimmung des Bundesrats.

Autor:

Heiko Holtgrave aus Dortmund-City

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