Buchrezension „Im Reich der Wünsche“ - die schönsten Märchen deutscher Dichterinnen

Ich bin glücklich ! Und wisst Ihr auch warum ? Der Lokalkompass hat mir auf meine Bewerbung hin, ein Buch zu rezensieren, das nachfolgend rezensierte Märchenbuch geschenkt.
Bei einem schönen heissen Tee und süssem Weihnachtsgebäck hat die Lektüre mir den Jahreswechsel auf angenehme Art und Weise verschönt. Ich glaube schon fast, meine Sprache sei ein wenig romantisch verfärbt. So darf ich denn zu Eurem Vergnügen schmackhaft meine Impressionen Euch servieren.

Märchen aus dem Zeitalter der Romantik lesen sich nicht so flüssig

Meine Absicht war es, das Buch flüssig herunterzulesen, so flüssig, wie man Märchen halt liest.
Aber halt ! Ich hatte nicht damit gerechnet, das wir es hier mit einer Sprache zu tun haben, wie sie Anfang des 19. Jahrhunderts gepflegt wurde. Wir befinden uns in der Kunstepoche der Romantik – und romantische Märchen lese ich hier fürwahr. Die Sprache, derer sich die Autorinnen bedienen ist aber auch durchwoben von internationalen Worten, die sich entzückend lesen, wie z.B.
"Mon Dieu", rief Salto - "Oh Dio !", ruft die Prinzessin. Oder wenn der dumme König der klugen Königin sagt: "Gemach, Madame, gemach ! Sie sind glücklich, weil Sie als eine Philosophin auch hierüber sich beruhigen werden - aber ich pauvre diable, que je suis !"
Es ging um einen Affen im Kasten - wir befinden uns nämlich auch im Zeitalter der Kolonialisierungen und des Imports fremdländischer Tiere und Waren.

Auch berühmte Königinnen verfügen über die Gabe der Dichtkunst !

Ja, die Geschichten gehen sogar noch weiter zurück in die Zeit der Aufklärung, wenn ich mir das Märchen von Katharina der Großen anschaue, die 1781 eine Geschichte schreibt über den kleinen geraubten Zarewitsch.
Dessen Schönheit und Klugheit war derart bezaubernd, das ein kirgisischer Khan ihn raubte. Und dennoch siegte am Ende die Tugend in Form einer Rose, die nicht sticht. Auf die Suche dieser Rose schickte Katharina, die Große, ihren Protagonisten. Nachdem er standhaft sich nicht vom Weg abbringen ließ durch die oberflächlichen Freuden des Lebens fand er seine Rose ohne Dornen. indem er dem Taumel des Tanzes entsagte mit Hilfe seines Freundes Überlegung, konnte er im Triumpfzug zu seinen Eltern zurück kehren.

Wenn die Ehefrauen und Töchter klüger sind als der König...

Friederike Helene Unger schreibt 1804 eine Geschichte über die Prinzessin Gräcula, die im weiten Reich der Fantasie das Licht der Welt erblickt hatte. Regiert wurde das Land von einem König, der im Kleinen sehr groß und im Großen sehr klein war.
Ein moralitscher Krüppel, wie Frau Unger schreibt, dem es – anders als anderen Königen – NICHTS ausmachte, das er keine Kinder hatte. Er interessierte sich nur für das Gesottene und Gebratene.
Das Gegenteil von ihm war die schöne Königing Sentimentale – sie nahm von allem was war und was nicht war, Notiz und erfreute sich an Kunstgenüssen.Mit Sätzen, wie „... ich will erst hören, ob Sie capabel sind, Raison anzunehmen...“ bringt sie den König in Rage, der dann schon mal entgegnet: „Potz Wetter, Wie können Sie so dumm reden ? ...Faseln Ihre Kämmerlinge nicht so schnakisch (drollig) wie nur irgend welche unterm Monde ?“ Bei solchen Dialogen kann (im Märchen) kein Kind entstehen !
Die schöne kluge Prinzessin wird denn gezeugt von dem Retter Frivolo, der als kluger Galan des Wegs daher kommt und dem verfressenen König die Hörner aufsetzt.

Und Gräcula, die klügste und schönste aller Prinzessinen, lernt auf ihrem Weg die Schwestern Wollust und Üppigkeit kennen, wird auf dem Weg zur Erleuchterung allerdings von einer Fee in eine Marmorstatue verwandelt, aus der sie am Ende siegreich als Sophie heraustritt, um an den Händen der Erfahrung, Weisheit und Freundschaft ihr Land zu regieren.

Wir haben hier auch Gegenströme der romantischen Dichtung...

Sie sehen, es wimmelt in diesen Geschichten nur so von Metaphern und Allegorien – Ironie und Satire kommen ebenfalls nicht zu kurz – vielleicht auch ein kleiner Gegenstrom in der romantischen Dichtung ?

Ein Beweis hierfür könnte die Geschichte Charlotte von Ahlefeld's sein aus dem Jahre 1812. Sie beschreibt, wie ein Fischer am Rheinufer von einer Nixe angesprochen wird. Er möge ihr einen Gefallen tun und werde es nicht bereuen. Der Fischer hört sich die Geschichte der Nixe an, die doch zu arg betrogen wurde von ihrem Liebsten, nachdem dieser merkte, das er einen glitschigen Fisch liebte und sich einer weltlichen Holden zu wandte.

Der Herzenswunsch der Nixe war es, das er ihr den Geliebten noch einmal bringe, auf das sie Abschied nehmen könne. Sie sei untröstlich, wenn sie die Liebesgeschichte nicht für sich beenden können mit einem herzlichen Abschied.
Der Fischer machte sich auf den Weg, Ihr den Gefallen zu tun, brachte den Ungetreuen zum Fluss und ruderte ihn hinaus in die Mitte des tiefen Wassers. Und die trügerische Nixe ? Sie dachte gar nicht daran Abschied zu nehmen, sondern zog den Jüngling nach unten und ertränkte ihn.

War das die vorweg genommene Antwort auf die 1837 erschienene Geschichte „Die kleine Meerjungfrau“ von Hans Christian Andersen ? Andersens Meerjungfrau geht lieber in den Tod, als den Prinzen zu töten.

Weiblicher Aufbruch im Zeitalter der Romantik

Wir haben es hier bei den Märchen von 21 Autorinnen zu tun mit Frauen von höchster Bildung, spitzfindigem Witz und heiterer Wortwahl. Sie brechen in ihrer Dichtkunst mit herkömmlichen Konventionen und revoltieren das Bild der Frau nicht nur, nein sie setzen die Frau sinnbildhaft auch ein als Metapher für positive Charaktereigenschaften. Vielleicht wollten sie auch dem martialischen Eroberungswahn der seinerzeit Herrschenden einfach nur etwas entgegen setzen ?

Es sind Märchen für Erwachsene, die diese lesen und dann den Kindern mundgerecht servieren sollten. Die Kinder verstehen diese Märchen vielleicht noch besser, als die Erwachsenen. Aber die Sprache sollte schon in die heutige Sprache transformiert werden, damit die Erzählungen spannend sind für die Zuhörer.

Hinweise zum Buch

Weitere Autorinnen dieses – auch in der Aufmachung – wertvollen Buches sind Ricarda Huch, Marie von Eber-Eschenbach, Bettine von Arnim, Caroline Stahl, Amalie Schoppe und Marie Timme, um nur einige zu nennen. Fast alle beschäftigen sich mit der Welt der Royalen und der Liebe ohnehin.

Wer könnte in der damaligen Zeit besser über die Wünsche und Sehnsüchte von Frauen geschrieben haben, aber auch über ihre traditionellen Rollen und die Befreiung hieraus, als Frauen ?

Shawn Jarvis, geb. 1953, ist Professorin für Germanistik an der St. Cloud State University in Minnesota. Sie ist anerkannte Expertin für Märchen und ihr ist mit dieser Sammlung ein wunderschönes Werk gelungen, das in keinem Bücherschrank des fortschrittlichen Romantikers fehlen sollte.
Illustriert sind die Geschichten von Isabel Große Holtforth, geb. 1075 – diese Illustrationen machen aus dem Buch ein Geschenkbuch, zart und fein sind sie gelungen.

Titel des Buches: Im Reich der Wünsche
Herausgegeben von Shawn G. Jarvis
Erschienen im C.H.Beck-Verlag

Autor:

Karin Michaeli aus Düsseldorf

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